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Nr. 16 Oderlaufltzer HeimatzsiLung 247 führten Sturmkvlvnue an. Besonderen Anteil nahm Kyaw ! an der 1876 stattfindenden Belagerung von Stettin. Diese Belagerung nanute er seine „hohe Schule, woselbsten er studieret uud binnen sechs Monaten mehr wie mancher in einem saeculo erlernet hätte". An der im Jahre 1678 er folgten Eroberung der Insel Rügen, der kleinen Insel Dänholm und der Festung Stralsund war Kyaw unter Schönings Kommando ebenfalls rühmlichst beteiligt. Als im Spätherbst 1678 der schwedische Feldmarschall von Horn mit 16 000 Mann die Provinz Preußen bedrohte, schickte der Große Kurfürst alle nur irgend entbehrlichen Truppen nach dem bedrohten Landesteile. Unter ihnen befand sich auch unser Kyaw, der alle Drangsale und Mühseligkeiten des nun folgenden Wtnterfeldzugcs miterlebte. Nach dem Friedensschlüsse von St. Germain en Laye, der 1679 diesen Feldzug beendete, hoffte Kyaw, der immer noch gewöhn licher Musketier war, auf seine Beförderung. Aber erst 1881 ward er zum Unteroffizier ernannt. Vier Jahre dar auf, als er sich in Berlin befand, erhielt er das Fähn richspatent. Hier in Berlin drang sein Name zum ersten Male in weitere Volkskreise. Sein jederzeit frisches, hei teres Temperament, sein reger, zu allerhand lustigen Streichen aufgelegter Geist lenkten die Aufmerksamkeit der Leute auf den Fähnrich von Kyaw und erwarben ihm Freunde und Gönner. Ja, Cregander erzählt: „Daß man in keiner Gesellschaft vergnügt zu fein glaubete, wo er nicht zugegen war. Denn es kam so leichtlich nichts aufs Tapet, wo er nicht sofort die artigste Parallele zu geben wußte." Vor allem gefiel die köstlich-heitere Art, mit der er sich aus mancher bösen Verlegenheit herauszuziehen wußte, in die ihn sein Übermut und seine scherzhafte Laune gebracht hatten. Einst hatte er z. B. den Zorn eines adeligen Fräu leins auf sich geladen, und zwar durch die Behauptung: »Die Frauen gehören nicht dem Menschengeschlechte an." Er suchte sich dem zürnenden Fräulein gegenüber ver geblich durch die Bemerkung zu rechtfertigen, daß die Frauen ja doch dem Geschlechte der Engel zuzurechnen seien. Die Dame forderte ihn auf Pistolen, und Kyaw er schien, in einen Mantel gehüllt, auf dem Kampfplatze.- Da er vvrgab, keine Pistolen mitgebracht zu haben, weil er wehrlos durch die schöne Hand der Dame sterben wolle, so bot diese ihm eine ihrer eigenen Pistolen an. Schnell brachte nun Kyaw einen Fuchsschwanz unter seinem Man tel hervor und schlug damit dem Fräulein unvermutet auf die Hand. Die Dame erschrak, und die Pistolen fielen zur Erde. Unter schallendem Gelächter wurden die Mord gewehre eiligst beiseite geschafft, und von einem Zwei kampfe war keine Rede mehr. Der junge Kyaw hatte selbstverständlich auch Schulden. Da ihm das Drängen seiner Gläubiger nach und nach recht lästig wurde, so ließ er sich zweimal durch einige vertraute Freunde und einen geweckten Diener scheintot melden. Die Gläubiger aber ließen sich durch ein solches Mittel nur einmal abschreckcn. Das zweite Mal blieb es ohne Erfolg. Infolgedessen mußte er etwas anderes er sinnen, um seinen Bedrängern zu entgehen. Kyaw ließ sich tot melden. Seine Freunde hatten alles gut vorbereitet. Beim Wegrücken des Sarges nach der Aufbahrung klappte der etwas gelüftete Deckel des Sarges zn, sodaß unserm Kyaw die Luft ausging. Da er aber nicht die geringste Lust verspürte, zu ersticken, so schnellte er' sich und den Sargdeckel empor und sprang als ein vom Tode Erstan dener zunächst zum Schrecken, dann aber zum Gelächter aller Anwesenden aus seinem Totenbette. Der Scherz wurde auch nachher noch viel belacht. Diesmal kamen aber auch die Gläubiger auf ihre Rechnung,' denn ein hochstehender Gönner des jungen Kyaw, den die lustige Sarggeschichte sehr ergötzt hatte, bezahlte sämtliche Schul den seines witzigen Schützlings. Diese Komödie führte Kyaw auch ein zweites Mal in einer kleinen Stadt auf, deren Bewohnern er auf diese Weise zeigen wollte, daß man vorsichtig mit zu frühen Beerdigungen sein müsse. Er blieb so lange im Sarge liegen, bis dieser in das Grab versenkt werden sollte. Im letzten Augenblick entstieg er dann dem Totenbett. In dem Städtchen, dessen Bewohner wenig Sinn für Humor zeigten, erregte sein Possenspiel jedoch nur Bestürzung und Ablehnung. Als sogar der Große Kurfürst davon erfuhr, wanderte Kyaw auf dessen Befehl mit trauriger Miene nach Spandau in Haft. Er befreite sich aber aus ihr wieder auf eine recht heitere Weise. Als er eines Tages erfuhr, daß die Kurfürstin in Spandau weile, suchte er sofort diese günstige Gelegen heit zu seiner Befreiung auszunützen. Sicher ist ihm hier bei sein Gönner, der Oberst von Schöning, der damals Gouverneur von Spandau war, behilflich gewesen. Ein Maler mußte unserm Kyaw ein Bild fertigen, auf dem ein buntes Durcheingnder von zerbrochenen Gläsern, Tabakspfeifen, Flaschen, Tischen, Stühlen und dergl. mehr zu sehen war. Dieses merkwürdige Gemälde ließ er vor dem Fenster seiner Zelle aufhängen. Als dann die Kur fürstin vorüberkam und nach dem Sinn des sonderbaren Bildes fragte, das zudem noch folgende Umschrift trug: Kyaw hofft auf besseres Glück- So steht's jetzt um sein Geschick! brachte er durch das Fenster seiner Zelle mit trübseliger Schalksmiene seine Bitte um Begnadigung vor. Sie hatte auch-vollen Erfolg. Die hohe Frau verwandte sich bei ihrem Gemahl für ihn, und bald darauf wurde er aus der Haft entlassen. Das beglückende Gefühl der wiedergewonnenen Freiheit begeisterte ihn sofort zu einem neuen ergötz lichen Stückchen, mit dem er dem Großen Kurfürsten sei nen Dank abstatten wollte. Kyaw ritt aus einem gekauften Esel vor das Kurfürstliche Schloß. Der Kurfürst, der den merkwürdigen Ritt gesehen hatte, ließ den Reiter ins Schloß führen, um Näheres über den seltsamen Aufzug zu erfahren. Kyaw brachte nun zunächst aufs ehrfurchts vollste seinen Dank für die Begnadigung vor. Dann aber beklagte er sich mit beweglichen Worten über die schlechten Zeiten, die er in Spandau durchlebt hätte und ihn zwän gen, Besitzer eines Pferdes zu sein, das nur wenig und billiges Futter brauche. Der Kurfürst ergötzte sich dies mal an dem lustigen Fähnrich und ließ ihm 100 Dukaten auszahlen, damit er sich ein richtiges Pferd kaufen und wieder zu seinem Regimente gehen könne. Bald aber ward Kyaw durch die Ereignisse der Zeit wieder auf ernstere Lebensbahnen geführt. Im Jahre 1686 zog er mit dem 8269 Mann starken Hilfsheere, das der Große Kurfürst dem Kaiser zur Eroberung der starken Festung Ofen schickte, nach Ungarn. Das Heer wurde von dem inzwischen zum Generalleutnant ernannten von Schöning geführt. Die brandenburgischen Truppen ernteten bei der Belagerung und Eroberung der starken Festung hohes Lob, und von unserm Kyaw wird berichtet, daß er „während der Belagerung nicht allein die ihm befohlene Schuldigkeit getan, sondern auch häufig als Freiwilliger zu gefährlichen Unternehmungen sich gemeldet habe". An der Belagerung und Eroberung Ofens beteiligten sich auch 5000 Sachsen unter dem Befehl des Herzogs Christian von Sachsen-Weißenfels, und es war für unfern Kyaw äußerst wichtig, daß er sich unter den Offizieren dieses kursäch sischen Hilfsheeres viele Bekannte und Freunde erwarb. In den Jahren 1689 und 1690 focht Kyaw mit den brandenburgischen Truppen unter dem Oberbefehl seines Gönners von Schöning, der jetzt Generalfeldmarschall ge worden war, wieder am Rhein gegen die Franzosen und kämpfte in der blutigen Schlacht bei Fleury U- Juli 1690). Er zeichnete sich auch hier oftmals durch „Bravoure und Kriegserfahrenheit" aus. Das Jahr 1691 aber brachte für unfern Kyaw die entscheidende Wendung seines Lebens schicksals. Als er sich im März dieses Jahres mit seinem Truppenteile auf dem Marsche nach Brabant befand, hatte