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Nr. 15 Gberlaufltzer Helmatzeitung 223 Kirche läuft und zum Gottesdienst anwendet, laß ich anderen zum ferneren Nachdenken: zwischen einer Ktrchen- und Sauf-Musik sollte billig ein Unterschied gehalten werden." Der zweite Teil der Schrift, über die Heilig haltung der Kirchhöfe, interessiert uns in diesem Zusam menhänge nicht. Als Gegenschrift erschien in demselben Jahre 1694 „Schrifft- und Vernunfftmäßiges Lob der in Gottes Wort wolgegründeten Bocal- und Instrumental Kirchen-Music, Aus rechtschaffener Theologorum Schrifften entlehnet, Und wider den Verstand- und Lieb losen Eyfer der Music-Feinde wohlmeynend vorgestellet von Christian Schiff, Chori Musici Directore Laub. Gedruckt im Jahr 1694." Als wirklichen Verfasser nennt Ottes Schriftstellerlexikon den Laubaner Konrektor Mag. Gottfried Hoffmann- der Name des Gegners ist übrigens niemals genannt, doch sind einzelne Stellen aus Musco- vius' Schriften zitiert. Das Buch, von dem ein Exemplar in der Milichschen Bibliothek zu Görlitz (B 7. 47 Nr. 2) steht, umfaßt 40 Seiten und beginnt mit Luthers Worten über die Musik, auch die mehrstimmige und kunstvolle. Es zeigt sodann, daß es damals unter den evangelischen Geist lichen „solche Music- und Orgel-Feinde gab, welche keinen Figural-Gesang in der Kirche anhören können, auch kein Instrument und Orgel-Werk gutheißen wollen, es sei denn, daß es solche Gesänge sein, daß die ganze Gemeinde die selben mttsingen könne." Es folgen Sprüche aus der Bibel, Zitate aus den Kirchenvätern, lateinischen und griechischen Klassikern, gelehrten Theologen, die beweisen sollen, daß die Instrumental- und figurierte Vokalmusik in der Kirche nach Gottes Willen sei. Verfasser gibt gern zu, daß auch Mißbräuche darin vorkommen, aber die soll man mit Sach verständnis und Liebe rügen. „Will irgend ein Censor-wider mich und unsere Kirche etwas ausrichten, so muß man dreierlei beweisen und dartun: 1.) daß ich mit meiner Kirchenmusik kein Absehn auf Gottes Ehre und Lob und auf der Kirchen Erbauung gehabt, sondern nur bloß meine Ehre und die Ohren-Kitzelung des Volks dadurch gesuchet habe- 2.) daß ich verwerfliche Texte in einer verwerflichen Komposition habe absingen lassen,' 3.) daß die Kirchen-Ge meine durch meine Musik nicht zur Andacht und zum Lobe Gottes sei aufgemuntert, sondern zur Sünde angetrieben worden." Gegen den Schluß seiner Schrift rückt Organist Schiff seinem Gegner etwas näher auf den Leib, indem er erklärt: „Die Musik möchte ihm endlich noch wohl anstehen: doch der Musicus gefällt ihm nicht, und also muß die liebe Musik der Feindschaft, die er aus nichtswürdigen Ursachen wider den Musicum gefaßt hat, entgelten . . . Ich lebe nach der Instruktion, die mir ein Löblicher Magistrat gegeben. Wird dieser mir etwas anderes anorbnen, so werd ich mich auch darnach zu achten wissen." Damit war der Streit nun keineswegs beendet, sondern nun fingen auch ferner Stehende an, sich hinein zu mischen. Gegen Schiff erschien: „Rechtmäßiger Eyffer über den Mißbrauch der Kirchen-Musik, Welchen Tit. Herr Joh. Muscovius, Past. Prim, in Lauban deutlich er wiesen, und hingegen Herr Christian Schiff, Musicus da selbst, Ohne einhigen Grund der Warheit zur Ungebühr angefochten hat: Aus blosser Liebe zur Warheit meist aus Herrn Muscovii Schrifften selbst nochmals deutlich und Gründlich dargestellet von Erasto Rennert." (Ohne Jahr und Drucker! Milichsche Bibl., Anhang zur vorigen Schrift.) Reunert meint, daß Schiff „viel ohnnöthiges, an zügliches und confuses Zeug unter einandtzr gemischet" habe, aus dem hervorgeht, daß er nichts von der Kirchen musik verstehe. Im übrigen stellt er auf 9 Setten die haupt sächlichsten Klagen von Muscovius noch einmal zusammen. Wesentlich gröberes Geschütz fährt ein anonymer Strei ter auf: „M uscoviana veritas illibata, d. i. die Triumphierende Warheit, so in Tit. Herrn Johannis Muscovii, Past. Prim, in Lauban, Kernhafften und Schrifft- mäßigen Tractätgen, Bestraffer Mißbrauch der Kirchen- Music genannt, enthalten. Und von Herrn Christian Schiff, oder dem Autors des Gegen-Schrifftleins, wie gern er ge- wolt, dennoch mit Seinen rechten Argumenta bestritten . . Auf guter Freunde Ersuchen kürtzlich gezeiget und heraus gegeben von Dicaeologus Philomus." Nach 28 Seiten Einleitung folgt ein zweiter Titel: „Gründlicher Beweiß, daß Hrn. Christian Schiffs, Chori Musici Direct. Lauban. von ihm so genanntes Schrifft- und Bernunfft- mässiges Lob der Kirchen-Music, welches er, seinem falschen Wesen nach, Tit. Hrn. Johannis Muscovii, Pastoris Pri mär. und Jnspectoris der Kirchen und Schulen in Lauban, Bestrafftem Mißbrauch der Kirchen-Music zu wieder, hat herausgegeben, Nach deß Heil. Römischen Reichs-und Chur- fürstl. Sächs. Constitutionen, auch nach dem Ausspruch Ser Rechtsgelehrten, ein höchststraffbahres Pasquill oder Libel- lus famosus sey, welches der Ehren nicht werth ist, daß sich Autor unö Drucker dieses nennen, ob sie sich ihrer gerech ten Sache wegen, sonst nicht scheuen. — Im Jahr Christi 1695." (Milichsche Bibl. B. 7. 48.) Der Verfasser, der nach Ottos Oberlauf. Schriftsteller-Lexikon ein Katholik namens D. Chr. Aug. Pfalz ist, findet es ungehörig, daß sich „ein Spielmann wider einen Mann Gottes, ein Kirchkind wider seinen Seelsorger und Geistlichen Vater, ein Organist wider seinen Herrn Jnspectorum auflehnt". „Denn ob er gleich dies Schrifftletn nicht selber, sondern sonst etwa ein Theo- logaster aus denen Commentarien, Postillen und einem Lexico ohne Verstand und Gehirne boßhafftig zusammen gesudelt . . . Unö weil Hr. Schiff fürm poculieren und Aufwartung an lustigen Orten, da man des meditireus allmählig entwöhnet, sich nicht soviel Zeit dazu nehmen würde,- dennoch so hat er es unter seinem Namen heraus gegeben, damit er den Primarium desto mehr schimpffe." „Herr Schiff weiß wohl, daß er nicht capabel ist, eine Theo logische Schrift zu refusiren, denn er hat wollen Jure stu dieren und hat sich vor einen studiosum juris ausgegeben: weil er aber davon nichts gelernet, daß er sich nähren können, ist er ein Musicante geworden." Diese Proben mögen genügen, um, zu zeigen, daß der Streit sich aufs persönliche Gebiet begeben hatte und also unfruchtbar wer den mußte. Die Angelegenheit war übrigens gleich im ersten Jahre, da der Rat gegen den Primarius stand, zunächst an das Oberamt in Bautzen und von dort nach Dresden gegangen. In Bautzen, wohin der Bürgermeister Scultetus, der Stadt schreiber Günther und der Primarius Muscovius am 30. Sept. 1687 beschieden wurden, ward eine Kommission eingesetzt, die den Streit schlichten sollte. Die hierauf er folgte Verordnung lautet: „Was wegen des in der Kirche zu Lauban bis daher gebräuchlichen und von dem P. prim. Joh. Muscovius daselbst verlangten Abschaffung des latei nischen Singens zwischen euch (dem Rat) und ihm für Differentien entstanden sind, auch wie die Sache gar an Jhro Churf. Durch!, zu Sachsen, unserm gnädigsten Herrn, unterthänigst gebracht worden, des wird euch alles erinner lich beifallen. Gleichwie nun höchstgedachte Jhro Churf. Durch!, aus der Laubanischen Kirchenagende wahrgenom men, daß sonst lauter lateinische Gesänge in der Gemeinde bisher gebraucht worden: Als haben Sie gnädigst befunden, daß dieselben zwar alsofort nicht gänzlich abzustellen, jedennoch dahin zu moderiren wären, daß sonderlich bei den Predigten ein latein. Introitus und Missa nebst dem Gesänge: Allein Gott in der Höh —, zwischen Ablesung der Epistel und des Evangelii ein deutsches Lied, so auf den Sonn- oder Festtag sich schickt, vor dem Glauben eine Motette, jedoch daß man dieselbe so viel als möglich deutsch bestelle, auch zu erbaulicher Andacht der Gemeinde vor dem Vater Unser, wie in vielen Kirchen üblich, ein kurzer pas sender Gesang besonders an hohen Festen und sonst, wie es die Gelegenheit zuläßt, gesungen: unter der Communion aber, wie auch in Betstunden, außer den Vespern, welche