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Nr- Gberlaufltzer Hslmaizsltung 215 er wurde förmlich verbittert, weil die neugegründete Ge sellschaft für Anthropologie und Urgeschichte, so hoch sie sonst seine Mitarbeit schätzte, doch seine Hypothese nicht annahm, und er, der sonst so freundliche, gutmütige Mensch konnte dann sehr erregt werden und die spitzesten Worte brauchen, wenn man ihm nicht zustimmte. Das Verdienst Heinos auf diesem Gebiete bestand also weniger in eige nem geistigen Schaffen und Entwickeln neuer Gedanken, als im Aufspüren von Altertümern und Sammeln von Berichten über solche, die er dann an jüngere Forscher weitergab, ferner aber in seinen sauberen, genauen, mit seinem Blick für das wissenschaftlich Wichtige angefertigten zahlreichen Zeichnungen vorgeschichtlicher Gegenstände, die noch jetzt für die „Gesellschaft für Vorgeschichte und Ge schichte" hohen Wert haben. Der Geschichtsfvrschnng hat Heino durch Abschriften sonst schwer zu erreichender Urkunden und Aktenstücke ge dient, die ebenfalls noch jetzt teilweise brauchbar sind,- zu selbständigen Arbeiten ist er hier nicht gekommen. Als Mensch >var August Heino aufs höchste zu schätzen, eine anima candida, allem Gemeinen abhold, selbstlos und uneigennützig, gegen Freunde rührend treu uud hilfreich. Freilich brachte es seine Uneigennützigkeit und ideale Ge sinnung mit sich, daß er wenig praktisch und, aus wohl habender alter Patrizierfamilie stammend, nicht genug auf den nötigen Erwerb bedacht war und nach und nach ver armte, wozu freilich auch Unglücksfälle und die Fehler ihm Nahestehender, besonders seiner Brüder, beitrngen. Auch Eigensinn und wunderliche Gewohnheiten traten bei ihm, je älter er wurde, immer mehr hervor und erschwerten es Freunden und Verwandten, ihm zu helfen. Viel Leid war ihm in späteren Jahren beschieden. Seine Brüder starben alle ziemlich früh,- der am längsten Lebende bereitete ihm durch schweren Fehltritt bittersten stummer nnd Gram nnd endete, als er ihn durch treue Bruderliebe wieder auf bessere Bahn gebracht hatte, durch Unglücksfall. — Vor dem Schicksal des völligen Erblindens, dem August Heino nahe war, bewahrte ihn der Tod, der ihn im Krankenhause erlöste, wohin man ihn, der in seinem Stübchen auf der Nordstraße, mit dem herrlichen Blick auf die alte Stadt, sterben wollte, wegen hochgradiger Wasser sucht zuletzt hatte bringen müssen. Geboren am 22. Juli >847, erreichte er nicht ganz das siebzigste Lebensjahr. Das Grab August Heinos ist durch kein Denkmal be zeichnet. Es wäre wohl angebracht, sein Andenken durch einen schlichten Stein darauf zu erhalten. Sollte jemand einen Beitrag zu diesem Zwecke übrig haben, so wäre der Verfasser dieses Aufsatzes gern bereit, ihn entgcgenzuueh- meu. D r. N. Needo n. Gornnreravenv Nun kommt die linde Sommer-nackt, Und kommt wie eins Mutier sackt Zu ikrem müden Kinde. Vie Srillen zirpen sckon im Korn. Lin letzter Vogel klagt im vorn, Leis flüstert nock die Linde. Vie Wälder werden sckwarz und weit. Vie Welt stekl still im §sierkleid, Vie Stern' sind angezündet. ver Simmel raunt in Lwigkeit. Langsam, den Stundenscklag der Zeit Vie kerne vorkukr kündet. Ick denk' der keilen kinderzeit, Und wie das alles nun so weit, Verrausckt — dakingegangen. va wird das Seimwek in mir laut, Und knabsnwünscke, keitz, vertraut, Crküllen mick mit Sangen. Martin W «i >«, Dr«»d«n. Land und Leiste des nordböhmischen Niederlandes Vvu A. I. Mars ch uer, Warnsdorf Sobald man — hinter Zittau, vou Reichenberg kom mend — die böhmische Grenze wieder erreicht hat und in die Nähe Warnsdorfs gekommen ist, überkommt einem das Gefühl, unter ganz anderen, eigenartigen Menschen zu sein. In tausenderlei Äußerlichkeiten, in anderem Ge haben und in merkwürdigen, akten Sitten tut sich dies kund. Die Mundarten — in verschiedenen Stufen und Tönen — erscheinen anders, besonders, ich könnte wohl sagen härter und gröber, wenn die niederländischen Leute nicht im Innern ein so guter braver Menschenschlag wären. Wohl ein wenig zugeknöpft und mißtrauisch, ein wenig konservativ und ahnenstolz, doch aber hilfsbereit, aufrichtig und gnt. Fremden, die über ihre Felder gehen, mögen die bodenständigen Bauern hart und stolz erscheinen. Sie übersehen sie gern, mit einem Blick, der verloren und leer über sie hinweggeht, wie über Dinge, die einem nichts kümmern. Der junge Bauer, mit leuchtenden, kühnen Augen und festem gedrungenem Körperbau arbeitet gern und unver drossen auf seiner ererbten Scholle. In gleichmäßigen, be dächtigen Schritten geht er neben seinem Ochsenpaare da her mit einem beständigen „Hüe-Hott" auf den Lippen. Dabet liebt er es, vom nahen Walde die Bäume rauschen zu hören und ab und zu wirst er einen verstohlenen Blick ins Dorf hinein, um die Scheiben seines Bauernhauses blinken zu sehen. Manchmal — im Herbst und im zeitigen Frühjahr — weht ein eisiger Nord über die Hänge und Felder. Dann schlüpfen die Ackersleute und die Mägde in alte abgetra gene Kittel und schleichen so frierend und schweigend von Furche zu Furche, in tiefe Gedanken versunken, die ent weder daheim oder aber beim Liebsten sind, beim Liebsten, der nicht selten als Soldat in der fernen Slowakei weilt uud dort, getreu seiner Pflicht, dem Vaterlande dient, dem neuen Vaterlands, das nicht mehr in Wien, sondern in Prag seine Negierung hat. Die Alten, wenn man die 40- und die 50 jährigen als alt bezeichnen darf, die einem da und dort begegnen, sind meist schon gebückt und abgearbeitet, mit grauen, schütteren Haaren nnd harten, schwieligen Händen, die schwer und knochig über ihrer Arbeit liegen. Trotzdem stellen sich auch diese gern, wie die Tannen und Fichten ihrer tiefen Wälder, gerade und eigensinnig gegen den Sturm, oder gegen die Sonne, wenn sie, am Pfluge, die steinigen Hänge hinaufklettern. Außer den Bauern hat die hier ansässige Bevölkerung — meist Industriearbeiter — an der Bürde ihres Exi stenz- und Lebenskampfes nicht minder schwer zu tragen, wie ihre Brüder tiefer im Lande drin, und dieser schwere Lebenskampf drückt ihrem Äußeren den Stempel auf: magere, blasse und hohlwangige Gesichter, die kurze herab baumelnde Pfeife im oft zahnlosen Munde hängen, um den sich tiefe Falten zeichnen, so begegnen wir ihnen auf der Landstraße, auf den Wegen zu ihren Fabriken und Werk stätten. Dies Völkchen, oft geschmäht und verkannt, doch aber viel studiert und oft besungen, heimatltebend, senti mental und 'schollentreu, hat eine reiche Zahl großer Den ker, Dichter und Künstler geboren, die, in alle Welt zer streut, ihrer Heimat alle Ehre machen. Sind wir über Oybin, Jonsdorf, Waltersdorf in Sachsen gekommen, jenem allbekannten Zipfel Ostsachsens, der alljährlich das Ziel tausender Wanderer und Sommer frischler ist, und wandern wir weiter gegen Niedergrund und Warnsdorf zu, so blickt links die Lausche mit ihrer freundlichen Gaststätte auf die beiden benachbarten Grenz völker herab, verständnisvoll und einigend. In ihren viel-