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vagierender Künstler, vder einer der ungezählten deutschen Duodezfürsten, der sein Inkognito wahren will, vielleicht gar ein Vvlksbeglttcker und Revolutionär, und Sie eine verwunschene Prinzessin aus dem Märchenlande . . ." „Halten Sie ein," unterbrach sie ihn lachend, „und lassen Sie Ihre Phantasie nicht zu tolle Sprünge machen. Es ist immer gut, festen Boden unter de» Füßen zu be halten, sonst verirrt man sich im Leben —." „Eine Binsenwahrheit," murmelte er. „Die ich eben gelesen habe in einem Roman, der mein höchstes Interesse weckt. Das Werk eines jungen, mir bis her unbekannten Schriftstellers, Ernst Willkomm." *) „Und woraus schließen Sie, daß der Autor jung ist? . . Aus mangelnder Menschenkenntnis, jugendlicher Unreife?" „Durchaus nicht!" wehrte sie entrüstet ab. „Aber es weht ein so frischer Zug darin, ein so gesunder Haß auf alles Alte, Verrottete in Staat und Gesellschaft — so viel Zukunftsmöglichkeiten und Lichtblicke tauchen vor dem Leser auf, daß mau selbst froher uud mutiger dem Lebe» ins Auge sieht." Sie hatte sich ganz warm geredet, ihre Wangen röteten sich und ein ernster Schein leuchtete in den grauen Augen auf. „Es fehlt ihm aber doch die Abgeklärheit des reifen Manuesaltcrs," wandte er ein. „Dafür ist er ein Seelenkundiger der Jugend," fiel sic ihm lebhaft ins Wort, „ein gottbegnadeter Dichter — —" „Sie sind ein guter Anwalt — schade, daß Sie nicht Rezensent sind! Sie hätten das Zeug dazu, manchem von der strengen Kritik unterdrückten Talent zu einer fröh lichen Auferstehung zu verhelfen —." Sie wehrte ab. „Ich versuche nur, mich in jedes Dichter werk eiuzufühlen. Das hängt wohl mit meinem Lehre rin »enbernf zusammen." „Also Lehrerin," murmelte er — „ich hätte cs beinahe vermutet. Es würde mich interessieren," fuhr er fort, „ob auch Sie meiuen Beruf erraten haben —." Sie sah ihn prüfend an: „Vielleicht," sagte sie zögernd, „Schriftsteller — Journalist —." „Oh ahnungsvoller Engel Du," zitierte er halblaut. Sie runzelte die Stirn. „Bitte um Verzeihung, das Goethesche Wort kam mir unwillkürlich ans die Zunge. — Übrigens zolle ich Ihrem Scharfsinn alle Anerkennung! Ich kann es nicht ableugncu, daß ich zur Zunft gehöre —." Aus dem Hofklangen die lustigen Klänge des Posthorns. Er erhob sich. „Nun trennen sich unsere Wege. Lassen Sie mich nun doch noch die versäumte Vorstellung nachholen: Ernst Willkomm, der Verfasser des von Ihnen mit so viel Interesse gelesenen Romans." Mit einem Lächeln der in tiefster Verwirrung ihm Nachblickenden zunickend, öffnete er die Tür und verließ den Raum. Das scherzhafte Reiseerlebnis sollte bedeutungsvoll für den jungen Schriftsteller werden. Ein reger Briefwechsel zwischen ihm und der jungen Lehrerin führte zu innigeren Beziehungen und aus der flüchtigen Reisebekanntschaft ward ei» Bund fürs Leben. Martha Willkomm-Schneider. * ... Ernst Willkomm, einer der fruchtbarsten Romanschrift steller nm die Mitte des vorigen Jahrhunderts, wurde am 16. Februar 1810 zu Herwigsdors als zweiter Sohn des durch theologische Schriften bekannten Pfarrers, Magister Karl Gottlob Willkomm, geboren, bei dem er auch mit seinem älteren Bruder Karl den ersten Unterricht genoß. In seine ersten Kinderjahre drang noch der Lärm der *) Um die Mitte des 19. Jahrhunderts viel gelesener Romanschriftsteller, von 49—52 Redakteur der Lübecker Zeitung. Freiheitskriege. Durchziehende russische Truppen — Ko saken und andere fremde Völkerschaften — sowie franzö sische Marodeure, die in das Pfarrhaus eindrangen und das Leben des Vaters bedrohten, waren die ersten Kind- heitseindrttcke des leicht erregbaren nervösen Knaben, dessen Nervosität sich später, während seiner Studenten jahre, zeitweise bis zum Somnambulismus steigerte. 1822 trat E. W. in die Untertertia des Zittauer Gym nasiums ein und bezog nach bestandenem Abitur 1880 die Universität Leipzig, um nach dem Willen des Vaters die Rechte zu studieren. Doch befriedigte ihn dies trockene Studium nicht, und er wandte sich der Philosophie und Ästhetik zu, trat in engeren Verkehr mit den Schriftstellern des „Jungen Deutschland": Gutzkow, Herlossohu u. a. und veröffentlichte 1833 seine erste, zweibändige Novelle, sowie das Trauerspiel „Bernhard, Herzog von Weimar", dem 1834 die großaugclegte Trilogie „Erich der Vierzehnte" folgte. Nach beendigtem Studium blieb er zunächst in Leipzig, wo er mit Ä. Fischer die Jahrbücher für Drama turgie herausgab. Nach zweijährigem Aufenthalt in Ita lien ging er nach Norddeutschland, nahm 1849 als Bericht erstatter am Schleswig - Holsteiuschen Feldzug teil und übersiedelte im selben Jahr nach Lübeck, wo er bis 1852 die Redaktion der „Lübecker Zeitung" übernahm. Nach seiner Verheiratung ließ er sich in Hamburg nieder. Peku niäre Sorgen und Heimweh veranlaßten ihn, in die Hei mat znrttckzukehren, doch trieb es ihn bald schon aus der Enge der Kleinstadt (Bernstadt) zurück in die freie Hansa- stadt, wo er eine reiche schriftstellerische Tätigkeit ent faltete. Nach dem Tode seiner Fran 1880 kehrte er in die oberlausitzcr Heimat zurück und verbrachte die letzten Lebensjahre in Zittau voll geistiger und körperlicher Frische. Am 24. Mai 1886 erlag er einem akuten Leiden. Auf dem Herwigsdorfer Friedhof, an der Mauer des alten Pfarrhauses, in dem er das Licht der Welt erblickte, hat er an der Seite seiner Eltern die letzte Ruhestätte gefunden. Ernst Willkomms literarische Werke umfassen über 100 Bände — Romane, Novellen, Dramen und Reiseschilde- rungen —. Am bedeutendsten sind die zwei Hamburger Romane: „Familie Ammer" uud „Rheder und Matrosen". Der letztere wurde von den Zeitgenossen neben Freitags „Soll und Haben" gestellt. Unter den Novellensammlungen ist der Band „Grenzer, Narren und Lotsen" hervorzu heben. Von unvergänglichem Wert sind die „Sagen uud Märchen der Oberlausitz", die mehrere Auflagen erlebt haben. Vgl. Dr. phil. Fritz Hinnah „Ernst Willkomm. Ein Beitrag zur Geschichte des „Juugeu Deutschland". Jnau- gnral-Dissertation 19l5." SZe OrutzsrsEeN sprLMt Nn scblippercks >! Stroh leelt quar dorcbs Land, IZot Kiew ond driem an oabsckissgn Nand Ond längskie zwes tiefe üroam?), Drön krecksn scbwoarzs Noam^). Ss krecksn keescksr ond sckoadnkruk Ond stürzen Lriber Kar en Nu, Wenn ees es Nutsckn kömmt, 'n Wajg en Oroam nömmt. 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