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Der Vater Oberlausitzer Erzählung von Oskar Schwär „Ach, warum denn nich! Wer sich rührt und wer sich schickt, der kann's noch immer zu was Rechtem bringen!" sagte der Bäckermeister Ehregott Heidorn jedeSmal, wenn einer über Schwierigkeiten in seinem Handwerke klagte. Dabei strich er sich mit der dicken, stark behaarten Hand über die runde Wange, das ergraute Kotelett bis an den Rand des blütenweißen Käppchens, das, da die starken, buschigen Augenbrauen auch sich hochzogen, einen leichten Sprung machte, als wollte es der weichen Hand ent schlüpfen, ließ die blauen Äugelein ins Weite gehen und die stetig aufwärts steigende Linie seines Lebens über schauen. Mit Stolz auf das Erreichte und Strenge gegen den Jammernden wiederholte er's: „Ja, ja, es is nich schwerer und nicht leichter, als es früher war, nur muß einer sich rühren und schicken, da kann man's noch immer zu was bringen. Nicht wahr, Alwine, uns ts das Glück auch nich immer nachgelaufen wie der Micheln ihr Zickel! Nee, ofte Halls uns genarrt und is in großen Sätzen vor uns hergesprungcn. Aber hinterher sinn wir gewesen, bis wir's beim Schlafittchen hatten! Ja, ja, ja!" Ehregott Heidorn und seine getreue Ehehälfte Alwine hatten mit dem Pfündchen, das sie einst mit bekommen, gewuchert, ihr Gut, ihr Ansehen, ihr Glück gemehrt. Vor dreißig Jahren hatte er sich als erster und einziger Bäcker im Dorfe niedergelassen. Tüchtig war er mit seiner jungen Frau, der schönen, fröhlichen Schulmeisterstochter aus dem Nachbarorte, ins Zeug gegangen; dennoch stand's oft arg ans der Kippe mit dem Geschäft; denn viele Bauern und Häusler aßen nur das hausbackene Brot. Wenn er in der ersten Zeit dreimal backen konnte in der Woche und der Schub zwanzig bis fünfundzwanzig betrug, so war's viel. Da mußte denn der Schulmeister den jungen Leuten oft unter die Arme greifen und nach und nach sein ganzes kleines Ersparnis ins Geschäft stecken. Er tat's aber gern und munterte die Kinder auf, nur tapfer auszuhalten. Das taten sie. Ehregott wollte das Geschäft schon halten und seinem Schwiegervater die geliehenen Gelder mit Zinsen zurückerstatten. Er gab sich die denkbarste Mühe! Sein Brot hatte nie Wasserstreifen, war weder zu dürr, noch kluntschig, es hatte gutes Gewicht. Mit dem Kuchen rich tete er sich nach dem Geschmack der Bauern, er buk ihnen hohe, lockere, runde „Platze". Am Sonnabend aber stellte er im Fenster der Backstube Maulschellen, Sechserkuchen, Hörnchen nnd Brezeln aus, damit lockte er die Kinder, und die zogen schließlich die Eltern nach. Alwine war freundlich gegen die Leute, sie machte es nicht wie die Gast wirtin, die vor kurzem ans der Stadt hcrgckommen war und städtische Manieren mitgebracht hatte: „Guten Tag, was wünscht der Herr? — Dreißig Pfennig. Danke sehr! Adieu!" und die nach zwei Monaten schon wieder abziehen mußte, weil die Dörfler für diese Großartigkeit kein Ver ständnis hatten und ihre Gaststube mieden. Nein, sie sprach mit dem Käufer von dem und jenem und schüttelte ihn nicht ab, auch wenn er sie mit seiner Klatscherei langweilte, war dabei aber auch vorsichtig genug, um niemandem zu nahe zu treten. Knrzum, sie verstand sich mit den Leuten und so wurden der Kunden mehr und mehr. Die Häusler ließen die kleinen schadhaften Lehmbacköfen nicht mehr ausbessern, und den meisten Bauern war es schließlich ganz recht, wenn ihnen zu Zeiten gehäufter Arbeit die Mühe des Brotbereitens genommen wurde. Nnd hatten sie sich einmal ans „Bäckenbrut" gewöhnt,, so schickten sie auch im Winter die Magd mit dem Schubkarren nach Brot zu Heidorns. Aufwärts ging's. Sie hatten das springende Zicklein eingeholt und hielten es fest. Es überraschte sie mit immer neuen Freuden. Eines Sommers trat Alwine eine buntbemalte Wiege, in deren Kissen ein blonder blauäugiger Strampelmann kermelte. Der Junge wuchs fröhlich heran. Ehregott buk die Maulschellen größer, die Semmeln süßer. Sein schmackhaftes Brot begehrten bald auch die Leute aus den Nachbardörfern. Da ließ er den Stellmacher einen Wagen bauen, den er grün anstrich, steckte Biegen darauf und spannte eine Plaue darüber, ein braunes Rößlein kaufte er sich, das spannte er davor. Und nun fuhr er an jedem Mittwoch das duftende, frische Brot in die Dörfer Hinterm Berge, an jedem Freitag in die Dörfer hinter den Teichen. Heimzu trabte das Rößlein; denn der Wagen war leer, und der Kutscher pfiff sich eins. Es wurde noch lustiger, als der lachende Knabe neben ihm auf dem Sitzbrette saß. Johann hatte die Helle, klin gende Stimme seiner Mutter, er sang „Ein Ränzlein auf dem Rücken", „War einst ein Riesegvliath", „Prinz Eugen, der edle Ritter", der Vater knallte zwischenhinein mit der Peitsche und strahlte vor Glück, das Rößlein trabte, die Ohren gespitzt, und wurde nicht müde. Obgleich sie mehr Kunden hatten, kehrten sie rascher zurück; denn Johann sprang, unter jedem Arm einen runden roten Sechs- pfünder, in die Häuser. Unter der Jacke trug er seinen eigenen Lederbeutel am Riemen, er wollte das Geschäft allein abmachen, ohne Hilfe nnd Beaufsichtigung. Das ließ der Vater auch gern zu und er graute sich schmunzelnd dis Koteletts, wenn die Leute etwa sagten: „Euer Bnbe, das ist einer! Ein gar Heller ist der! Wie ein Alter rechnet er, und flott ist er wie ein Wiesel und lachend wie ein Sonnen schein!" Natürlich blieb Johann nach der Schulzeit daheim und lernte das Handwerk seines Vaters. Viel fehlte ihm nicht mehr, er hatte dem Vater schon alles abgeguckt, nur die schweren Verrichtungen hatte er noch nicht getan. Da er aber ein starker Bursche war, untersetzt, rundlich an Leib nnd Kopf wie der Vater, spring-lebendig, und feurig wie ein junges Roß, wollte er in der Backstube selbständig sein. „Geht Vater, ruht Euch aus! Ich würge den Teig!" und drängte den Alten von der These weg. In Hausflur und Brotkammer hatten sie die Leute bedient, das ging nicht mehr, sie mußten einen richtigen Laden haben. Auch die Backstube reichte nicht mehr aus. Johanns Rat, umzubauen, wurde daher sofort ernstlich erwogen. „Ja, siehste, Mutter," sagte Ehregott Heidorn und blinzelte sein treues Ehgespons vergnügt au, „wir sinn nich mehr dieselben wie vor dreißig Jahren! Wir sinn auch mehr, lind, will's Gott," — hier warf er einen schnellen Blick auf Johann — „kriegen wir bald noch mehr Gesell schaft für unsere alten Tage!" Es mußten auch die Wohnränme vergrößert und ver mehrt werden, für zwei Familien. Nnd stand über's Jahr das schmucke, weiße Haus an der Straße. Den Honigbirnbaum davor hatte man unan getastet gelassen, er machte sich gut, trug alljährlich reiche Früchte und seinen Schatten konnte das Haus, das durch viele blanke Fenster das Tageslicht auffing, gern ver tragen. Ein breites Schaufenster zeigte dem Vorüber wandernden, was zu seiner Stärkung und zu seines Gau mens Lust die beiden Meister erzeugten. Dann holten sie den strammen Jüngling zu den Sol daten. Der Alte hielt sich derweil einen Gesellen. Nun waren die zwei Jahre um. Johann war zurück gekehrt. Mit einem Lehrbuben schaffte er, was die große Kundschaft bedurfte. Der Alte hatte höchstens die zwei Ge bäcks zu besorgen, während Johann mit dem Geschirr unterwegs mar. Der neue freundliche Laden war sei» Reich, wo er in schlohweißer Schürze nnd ebensolchem Käppchen, mit zufriedenem Schmunzeln im runden Gesicht, waltete, jedem Kunden zum duftenden Gebäck ein launiges