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Ostern im Lausitzer Volke lVgl. die Artikel von O. Flösse! in Nr. 8 und 12 und von I. Frenzel in Nr. 11 der OHZ.) Erwin Wienecke - Leipzig Herr Otto Flösse! gibt in letzt erwähnter Nr. der OHZ. eine Entgegnung auf den Artikel von I. Frenzel. Er spricht hierbei aus, daß dieser „keine Besserstellung" gäbe. Dies ist nun eine Behauptung, die in keiner Weise zutrifft. Flösse! behauptet, daß es sich beim Osterreiten um eiueu echt wendischen Brauch handle, nicht „um einen heutzutage" wend. Brauch. Das gibt bei dem unbefangenen Leser tatsäch lich den Eindruck, daß es sich hier um echt wendische, d. h. alt heidnische, und nunmehr verchristlichte Bräuche, handelt, was noch der Schlußabschnitt bestätigen kann. Eine Um frage bei den Lesern würde dies Ergebnis der Flösselschen Ausdrucksweise bestätigen. In der Tat gibt nun eben hier bereits Frenzel eine Besserstellung, die Flösse! scheinbar entgangen ist, indem er nämlich darauf hinweist, daß es sich hier wirklich nicht um einen echt wendischen Brauch, was so leicht mißverstanden werden kann, handelt, sondern um einen ebenso germanischen. Der Sachverhalt ist nun kurz der: im Mittelalter, der Zeit der Snbstanziierung des christlichen Glaubens, wo man die christlichen Symbole, Heiligenbilder u. dgl. m. als eine Art Zaubermittel be trachtete, wo das gesamte Heilsgut der Kirche als eine Art Materie betrachtet wurde, wollte man diese heilende segenspendende Zauberkraft auch den Fluren Anfuhren und dadurch entstand das Saatretten (NB. auch hier gibt mit diesem Ausdruck Fr. eine Besserstellung!). Es liegt also auf derselben Linie magischer Kräftezuführnng ivie die Be nutzung des Kreuzes zu Heilzwecken u. a. m. Der Brauch des Saatreitens ist ein frühchristlich-mittelalterlicher, deut scher, der dann zu den Wenden kam und sich dank ihrer Konservativität dort länger bewahrt hat, während er in den ursprünglich deutschen vielfach stricht überall!) ver schwunden ist. Der Brauch ist kein echt wendischer, sondern ein spezif. mittelalterl.-katholischer! Daß er nicht echt wendisch ist dazu vgl. man die Arbeiten hervorragender Volks kundler wie Mogk z. B. (german. Neltgionsgeschichte — auch Mogk in Wuttke u. a.). Ferner beanstandet Frenzel die Redewendung „er feiert die Sonne und ihr irdisches Abbild — das Feuer". Auch hier gibt Frenzel bei genauerer Hinsicht eine Besser stellung,' denn der Zusammenhang ist unklar. Zuerst der Ausdruck „feiert". Ja, was soll man sich eigentlich hier unter vorstellen. Der Leser, der durch den ganzen Stil schon auf das Geheimnisvolle eingestellt ist, und den Sach verhalt nicht näher kennt, muß tatsächlich auf Reste alten Heidentums schließen, dies ist nicht „unglaublich", sondern direkt die natürliche Folge der Flösselschen Aus drucksweise, die noch im Schlußabschnitt ausgesprochen wird. Was soll ferner nur das „Feuer" in diesem Zusammen hang? Tatsache ist, daß hier Frenzel nicht etwa in die Flösselschen Sätze hineinlegt, sondern etwas herausliest, was drinsteht. Warum schlägt Flösse! hier einen so feier lichen Ton an, wenn er tatsächlich keine Reminiscenzen an das Heidentum darunter verstanden wissen wollte? Fcnille- tonistisch ist das schon nicht mehr zu nennen! Flösse! behauptet, daß Frenzel beanstande, der wen dische Bauer sähe durch die „Scheiben" nach dem Früh ling! Mir ist unerklärlich, wie er dies aus dem Frenzel- schen Satz „herauslesen" kann?! Seine Erwiderung: „Du lieber Gott, es ist ja möglich, daß er mitunter auch zur Haustür hinausschaut" ist daher so unglücklich wie nur möglich, denn sie ist in der Tat überhaupt keine sachliche Widerlegung, sondern trägt den Charakter der Verlegen- heitsausrede an sich. Frenzel beanstandet doch gar nicht die berühmten „Fensterscheiben", sondern lediglich die Tat sache, daß die wendische Volksseele mit ganz besonderer Sehnsucht deu Lenz erwartet! Ich könnte mich nicht er innern, in dem reichhaltigen Material, das mir selbst über die Wenden vorliegt, etwas zu besitzen, was diese These rechtfertigen könnte. Auch hier gibt Frenzel eine Richtig stellung, indem er die besondere Sehnsucht auf das Maß des allgemein Menschlichen reduziert! In seiner ganzen Entgegnung bietet Flösse! auch nicht eine Tatsache, die gegen Frenzel sprechen könnte. Es stimmt auch nicht, wenn er behauptet, Frenzel gestehe „immerfort" ein, etwas nicht entscheiden zu können. Frenzel gibt dies an einigen Stellen zu, aber g.etchwohl wird man ihm nicht das Recht abstreiten können, etwas zu bezweifeln, zudem stellt er hauptsächlich die Resultate in Frage, zu denen die Flösselsche Arbeit führen kann. Daß Flösse! tatsächlich an heidnische Reminiscenzen denkt, zeigt klar und deutlich sein Schlnßabschnitt. Merkwürdig ist die Behauptung vom „Licht- und Sonnengott" und vor allem vom „Swantevitt", der am „Ostertag die Gefilde Sora- btens segnet". Wie ist es möglich, daß man einen an die Insel Rügen gebundenen Lokalkult in die Lausitz versetzt Ich frage ferner: woher hat Flösse! diese seine Kenntnis vom Sventevitsegen am Ostertag usw.? Diese Behauptung ist völlig aus der Luft gegriffen! Auch in volkstümlichen Artikeln darf man nichts Falsches bieten! Es verwundert mich vor allem, daß Flösse! nicht auf die Aufforderung Fr. hin in seiner Entgegnung angibt, woher er sein Material bezogen hat. Mit einer einzigen klaren Quellenangabe hätte sich die ganze Erwiderung voll ständig erübrigt! Rein methodisch wäre hier zu sagen, daß auch die Volkskunde wissenschaftlich sein kann, indem sie ihren Tat sachen eiue kurze Angabe des Fund- bezw. Beobachtnngs- ortes beifügt, die den feuilletvnistischen Stil absolut nicht beeinträchtigt. Wie ist aber auf dem von Flösse! (NB. nicht von ihm allein!) eingeschlagenen Weg eine Kontrolle mög lich? Das führt lediglich zu einer Verallgemeinerung. Möchte man vielleicht auch das Eierschieben in der Lausitz als überall ausgeübt hinstellen, weil es an einer Stelle beobachtet werden kann? Warum weicht Flösse! seiner Quellenangabe so sorgfältig aus? Er könnte doch mit einer solchen der Wissenschaft einen Dienst leisten? (Vgl. z. B. die Zusammenstellungen von Bräuchen mit Quellenangabe in den volkskundlichen Schriften Willib. v. Schulenburgs.) Mit quellenlosen Arbeiten, wie solche regelmäßig ans verschiedenen Federn zu den üblichen Gelegenheiten wiederkehren, richtet man nur Unheil an. Leider werden so manches Mal Bräuche von anderen Gegenden für unser Heimatland angenommen, lediglich auf Grund der Tat sache, daß es sich vielleicht um allgemeines Volksgut handeln könnte (über diese Art von Artikeln wird in einiger Zett eine Sonderarbeit veröffentlicht werden), oder wie es hier der Fall ist — es wird durch einen feuilletonistischen Stil der Anlaß zu falschen Schlüssen gegeben oder aber es werden einfach unglaubliche Behauptungen auf Grund völlig apokrypher Quellen ausgestellt, die den nichtsahnen den Leser direkt irreführen. Man vgl. z. B., was Flössel am 7. November 1926 im „Kamenzer Tageblatt" über die blutigen Opfer der Frühlingsgöttin Priticza schreibt, was die reinste Phantasie ist, denn eine Göttin dieser Art ist lediglich von dem wissenschaftlich recht zweifelhaften Bö- nisch auf Grund der Bolksethymologie erfunden worden. Vor solchen in das Volk getragenen irrigen Anschau ungen müssen wir uns hüten und auch den Stil und die Redewendung vermeiden, die dazu Anlaß geben könnte, das gebietet uns einmal die Achtung vor unseren Mitbürgern, die auf diesen Gebieten als Laien das glauben müssen, was wir ihnen vorsetzen und das andere Mal die Achtung vor der Volkskunde, die leider so manches Mal gezwungen ist, aus Mangel an einschlägigen Werken zu solchen Ar tikeln zu greifen! Von dem Flösselschen Material kann auch nicht ein Stück als „altheidnisch" bezeichnet werden.