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warmherzige Verständnis des Herrn Bürgermeisters Grünewald gestoßen, durch dessen Vermittelung dem Museum im Dachgeschoß des Gemeindeamtsgebäudes eine Anzahl von Räumen zur Verfügung gestellt wurden. Sie bieten der bereits ziemlich reichhaltigen und vielseitigen Sammlung eine vorläufig noch zweckmäßige und aus reichende Uuterkunftsstättc, die aber doch voraussichtlich in absehbarer Zeit durch eine andere, leichter zugängliche und geräumigere wird ersetzt werden müssen, da sie größeren Besuchermengen ohne Gefährdung der schon einigermaßen eng beisammen nntergebrachten Gegenstände nicht ge wachsen ist. Nichtsdestoweniger ist hoch anzuerkenneu, daß das Gemeindevberhanpt im Rahmen des Möglichen das Unternehmen so weitgehend unterstützt. Bei dieser Ge legenheit sei mit besonderer Genugtuung betont, daß das Zustandekommen der Sammlung namentlich von den Krei sen der Arbeiterschaft und des kleinen Mittel standes gefördert worden ist, ein hocherfreuliches Zeug nis für das Erstarken des Heimatgedankens. In besonderen Abteilungen nntergebracht sind die kirch liche Abteilung und eine vollständig eingerichtete altlau- sitzer Weberstubei das übrige ist ans den Rest des verfüg baren Platzes verteilt. Die gottesdienstlichen Gebrauchs gegenstände entstammen der Reichenauer evangelischen Kirche, sind aber erheblich minder zahlreich vertreten als z. B. in Niedervderwitz. Indessen weist diese Abteilung ein paar sehr bemerkenswerte Stücke auf. Namentlich zu er wähnen ist der alte Taufstein mit seinem hochkünstlcrischen bildhauerischen Schmuck. Ferner sind an dieser Stelle zu nennen eine schöne Kanzelschalldcckc, eine im Gottesdienst verwendete Sanduhr, ein Opferstock von 172t, zwei bei Kirchenmusiken verwendete Kesselpauken von 1763 und ein kurioses Gerät in Gestalt einer „Lichterschere", die aber nichts mit dem „Schneuzen" der Dochte zn tun hatte, sondern ein vielkerziger Handlenchter der ^irchenbcsucher ist, die den Abstand der einzelnen Lichte je nach dem ver fügbaren Raume mittels Hebelkraft verändern konnten. Sehr vollständig und anschaulich ist die Ausstattung des alten Weberstttbels, das uns ein getreues Bild von der anspruchslosen Lebensweise der alten Hausweber liefert. Außer all den hierher gehörigen Dingen, die man in anderen Heimatmuseen ebenfalls vertreten findet, seien die eigenartigen „Klötzellatschen", die einfache Hausmangel und drei alte Ellenstäbe von 1673, 1681 und 1763, darunter ein eiserner, sowie ein außergewöhnlich schöner Christlenchter besonders erwähnt. Wertvolle Stücke enthält auch die Kücheneiurichtung. Eindrucksvoll ist ferner die schöne Wiege mit der sinnigen Vcrsinschrift. Unter den Gebrauchsgegcnständcn der Wohnungsein richtung nnd des täglichen Lebens bemerken wir neben etlichen schönen Schränken und einein „Bruthoisl" von 1807 namentlich eine herrliche Kommode, die aus Eibau stammt, Aus dem alteu Reichenauer Zollhaus haben eine Tür und vier Fensterläden, alles mit allegorischen Darstellungen schön bemalt, hier eine Stätte gefunden. Auf einem ande ren Laden ist ein Kanfmannsladen aus Nrgroßväterzeiten bildlich dargestellt. Auch sehr reichliche Gelegenheit zum Studium der Lausitzer Trachtenkundc bietet sich uns hier. Neben schönen alten Franengewändcrn finden wir Spenser und Nniformstücke aller Art sowie Kopfbedeckungen der verschiedensten Form, prächtige Brautkronen nnd Hauben aller Art. Die letzteren sind zum Teil kulturgeschichtliche Dokumente von hohem künstlerischen Wert. Sollte man es für möglich halten, daß es in Reichenau jemand fertig gebracht hat, alle erreichbaren kostbaren Hauben dieser Art aufzukaufen, zn zerschneiden, — zu modernen Damenhand taschen umzuarbeiten uud dann für diese Barbarei auch noch offiziell belobt zu werden? In diesem Zusammenhänge müssen anch verschiedene höchst kunstvolle Handstickereiarbeiten Erwähnung finden, die in hohem Maße zur Verschöuernug der Trachten bei trugen. An historische Begebenheiten erinnern die soge nannten „Vivattücher", deren mehrere vorhanden sind. Hierher gehören auch die beiden Huldigungsfahnen, die (auch von den evangelischen Vereinen) bei der Weihe einer neuen Äbtissin im Kloster Marienthal mitgeführt wurden. Man erkennt sie wieder auf einer großen bildlichen Dar stellung eines festlichen Aufmarsches der Reichenauer Junggesellen anläßlich der Reichenauer Turmknopfweihe im Jahre 1787. Außerdem finden wir noch eine ganze Menge kulturgeschichtlicher Kuriosa,- so die zwei Fahrräder ältester Konstruktion, die sehr gut ausgcführten Druckstöcke zu den „Bilöermäuneln", die den jugendlichen Grün- dounerstagsgängeru geschenkt wurden, schönes Kinderspiel zeug, eine besonders gefällig wirkende Weihnachtspyra mide, ein altes Schachbrett mit hochkünstlerisch geschnitzten Figuren, der „Grillentopf" (ein altes Lausitzer Gedulds spiel), endlich eine Tabakraspel von 1766, mittels deren man dem Schnupftabakverbvt ein Schnippchen schlug. Hier her gehören auch einige alte Feuerlöschgeräte. In technischer Hinsicht fesseln uns einige Modelle, wie das der alten Knochenmühle uud eines Webstnhls in Mi niatur sowie eine Haarklöppelmaschine mit Arbeitsprobe. Gern weilt das Auge auch auf der Sammlung von Waffen verschiedener Art. Eine Gruppe zeigt Schießprügel zum Teil verwegenster Konstruktion, die auch von den Herren Wilderern benutzt worden sind. Hier hat auch eine 1813 in Reichenau zurückgelassene Kvsakenlanze einen Platz ge funden. Eine andere Gruppe enthält mittelalterliche Nitterwaffen, die allerdings ans schlesischen Burgen stammen. Für eine früh- nnd vorgeschichtliche Abteilung sind als Grundstock vorerst nur einige wenige Belegstücke vorhanden. Wir erwähnen ein Kolonistenbeil aus dem 13. Jahrhundert, einen sehr schönen Malstein in Gestalt einer Kokosnuß, der als Grabbeigabe auf dem Wachberg bei Markersdorf gefunden worden ist, und als wertvollstes Stück eine angebrochene^ Eichenkeule, die mau aus einem Bergwerke der Umgebung aufgestöbert hat. Sie könnte aus der Periode der Pfahlbauten herrühren. Die Sammlung alter Druckwerke ist der Stückzahl nach ziemlich stattlich, bietet aber inhaltlich keine den Durch schnitt übersteigenden Werte. Interessant ist die Dresdner Kleidervrdnung von 1780 und eine Anzahl handschriftlicher Aufzeichnungen, z. B. ein alter Fenersegen. Von den vor handenen Bildern erinnern einige an die fast vergessene Tatsache, daß die Gemeinde Reichenau, die bekanntlich dem deutschen Vaterlan-de eine lange Reihe bedeutender Per sönlichkeiten auf verschiedeuen Betätigungsgebieten ge schenkt hat, in Gottfried Krnsche (1749—1818) einen ganz besonders tatkräftigen und weitblickenden Mann besessen hat, der auf dem Mittelmeer eine eigene Handelsflotte laufen hatte und mithin in der Wirtschaftsgeschichte der Heimat eine Rolle von Belang gespielt hat. Recht stim mungsvoll war übrigens auch, was Herr Schröder über eine in den Museumsräumen beim Lichterglanz der Christ leuchter veranstaltete Weihuachtsbescherung zu berichten wußte. Unzweifelhaft befindet sich in vielen Reichenauer Fa milien noch manches schöne Stück, das eine höchst schätzens werte und wertvolle Bereicherung des schon recht sehens würdigen Heimatmuseums darstellcn würde. Sollte sich der oder jener Reichenauer durch diese Zeilen veranlaßt fühlen, den Hausrat oder das Familienarchiv daraufhin einer Durchsicht zu unterwerfen und sich von diesem oder jenem Gegenstand zugunsten des . Museums zu trennen, sv hätten sie ihren Zweck in vollem Maße erfüllt! Bruno Reichard. Wervt für Vie «veetaufitzer Heimatzeitung! Probenummern werden aus Wunsch kostenlos und portofrei zugcsandt.