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sie nach der Tuchmacherbastei zurück. Hier blieb sie über Mb Jahre, bis zum Jahre 1867, wo sie ein neues Schul gebäude bezog, das sie heute noch inne hat. Bewußt hatte man ihr diese« Namen gegegen: der alten D o m schule war die neue Rats schule gcgenübergestellt, und auch die neue Lehre Luthers klaug in dem Namen wieder. Dem kirchlichen Geiste des Mittelalters entsprechend, bildete auch bei ihr die Religion die Grundlage der Unter weisung. Bibel und Katechismus waren die Angeln, in denen sich der Unterricht bewegte. Um 6 Uhr früh begann der Unterricht, und trotz des frühen Beginns hatten Lehrer und Schüler Zeit, vorher — an einem Tage der Woche wenigstens — gemeinsam zur Kirche zu gehen. Auch das Leben der Schüler war durchaus kirchlich' gemeinsame An dachten, Abendmahls- und sonntägliche Kirchgänge waren durch die Schulordnung festgelegt, und die Kurrendaner sangen „propter panem" kirchliche Lieder vor den Türen. Sic waren auf die Mildtätigkeit guter Menschen, zum Teil wenigstens, angewiesen. Viele der Schüler waren von aus wärts,' sie wohnten bei den Lehrern und hatten auch Frei tische. Denn der Ruhm der Bautzener Schule drang bald weit über die Mauern der Stadt hinaus, dank der hervor ragenden Lehrer dieser Anstalt. Der erste Rektor war Joachim Knemiander, der ein sehr unstetes Leben führte, abwechselnd Lehrer, Stadtsyndikus und Super intendent war und bald in Bantzen, bald in Lauban, bald in Lübben und Cottbus seines Amtes waltete. Rektor Faber wirkte 88 Jahre an der Schule. Rektor Ger lach führte sie zu hoher Blüte. Rektor Rosenberg war Er zieher der Söhne Herzog Ernsts und des schwedischen Reichskanzlers de la Garde gewesen. Rektor Theill war einer der tüchtigsten, die je diese Anstalt geleitet haben. Gar Melanchton, dessen Tochter mit dem vornehmen Bautzener Bürger Peucer verheiratet war, kehrte in der Schule ein: am 28. Juli 1559 hielt er in ihr eine Vor lesung, nachdem man ihm vorher einen geradezu fürst lichen Empfang bereitet hatte. Er hatte auch sonst durch Empfehlungen von Lehrkräften, durch Gutachten und dergl. einen gewissen Einfluß auf die Anstalt. Neven Religion war Latein das Hauptfach. Es berührt uns heute fast fremd, wenn wir hören, daß es den Schü lern unter Androhung von Strafen verboten war, deutsch zu reden. Umso stärker klopfte die Zeit der Aufklärung an die Schulpforten zu Bautzen. Sie hat sich dem neuen Geiste nicht verschlossen: Philosophie, Geschichte, Naturwissen schaften, auch Französisch zogen ein. Der Rektor vermochte es gar über sich, in Ermangelung des Werkunterrichts mit den Schülern zu den Handwerkern in die Werkstätten zu gehen, übte also eine Unterrichtsmethode, die durchaus modern zu nennen ist. Modern berührt übrigens die Tat sache, daß es schon in früheren Jahrhunderten am Bautze ner Gymnasium eine Art Schülerrat gab. Verstärkt wird dieser Zug noch durch die Ausstrahlungen der französischen Revolution: das Wendische wird gepflegt und neben Zeich nen auch der Tanz. Und trotzdem: moderne Sprachen und das deutsche blieben im Hintergrund. Die Schule war eben aus antike Sprachen eingestellt, und in gewissem Sinne war sie Standesschnle. Den Kindern des ärmeren Teiles der Bevölkerung konnte ihr Lateinunterricht nicht frommen. So kam es, daß die Stadt mehrere „deutsche Schnlen" begünstigte: daß es zahlreiche Winkelschnlen in der Stadt gab,' daß schließlich Seminar und Realschule entstanden. Aber es ist bezeichnend für die dominierende Stellung des Gymnasiums im Bautzener und Lausitzer Schulwesen, daß die Gründung auch der Realschulen vom Rektor des Gymna siums mit betrieben wurde. Es war Rektor Ge dicke, der 1795 den „Gedanken eines Schulmannes über eine dem Schulwesen in Kursachsen bevorstehende Veränderung, mit besonderer Beziehung auf die Oberlausitz" verfolgte und der 1799 ein „Programm über das Schulwesen der Ober lausitz" aufstellte. Er empfahl auch, ein Seminar für die Lausitz zu errichten und in den drei kleineren Sechsstädten, ferner in Hoyerswerda, Pulsnitz, Sohland, Königsbrück und Weißenberg die Lateinschulen in höhere Bürgerschulen umzuwandeln. Insofern hat das Bautzener Gymnasium eben Bedeutung für das gesamte Schulwesen der Oberlausitz. Was das innere Leben in der Schule angeht, so sind im Laufe der Jahrhunderte Freud und Leid darin ein- und ausgegangen. Die Schüler feierten alljährlich ihr Gregoriusfest mit Mummenschanz und Maskerade. Sie führten auf dem Markte öffentliche Spiele auf, sehr zum Ergötzen der ganzen Bürgerschaft. Dann kamen Krieg und Pestilenz und fegten Lehrer wie Schüler in alle vier Winde breit. War die Not vorbei, zogen sie wieder ein ins ver waiste Haus. Nicht verstummen wollen die Klagen über das „Sauffen" der Schüler, auch andere Untugenden sagt man ihnen nach, das war in Zeiten allgemeinen Nieder gangs, zumeist nach Kriegen. Dann hört man auch von „denen Magistern" sonderliche Dinge. Unstreitig, sie haben mitunter schwer zu kämpfen gehabt. Der Rat war ihnen, da die städtischen Kassen die Feinde geleert hatten, das Gehalt auf Monate hinaus schuldig. Selbst das Holz für die Beheizung mußten sie sich oft einmahnen. Wie traurig muß es aber damals gestanden haben, als der Rat einem Lehrer, der sein rückständiges Gehalt anforderte, weil er wegzog, antwortete, er werde ihm das Gehalt ratenweise nachzahlen! Und doch, über alle Zeiten hinweg, auch über die Schwere des Weltkrieges hinweg, hat sich die Anstalt immer wieder zu schönerer Blüte entfaltet. Vier Jahrhunderte hindurch war sie ein bedeutsamer Faktor im kulturellen Leben der Lausitz und hat die besten Güter unseres Volkes gepflegt: ckoatrinaa — rmpientis — pietoti, wie die goldenen Lettern an ihren Mauern verkünden. Eine Studienfahrt nach Görlitz „Als ob es in Görlitz was zu studieren gäbe!" wirb mancher Lausitzer beim Lesen dieser Überschrift denken. Wir glauben alle, die größte der alten Sschsstädte mehr oder weniger genau zu kennen, denn die meisten von uns sind schon wer weiß wie oft drüben gewesen. Daß es aber dort noch sehr viele Sehenswürdigkeiten gibt, an denen man im Gedränge des Alltagsstraßenlebens achtlos vorüber zu jagen pflegt, davon haben sich die Mitglieder des Zittauer Geschichts- und Museumsvereins überzeugen können, die am 15. Mai an der ersten Studienfahrt dieses Sommers teilnahmen. Das sogenannte Mailüfterl wehte so verdächtig kühl, daß mancher vor die Erwägung gestellt wurde, ob er nicht den Pelz aus dem Winterquartier hervorholen sollte, und, um dieser Eventualität aus dem Wege zu gehen, schließlich lieber von der Beteiligung absah. Nu- einige 30 Personen hatten sich zu dem Wagnis entschließen können. Und das war gut so. Denn je größer die Gesellschaft geworden wäre, um so weniger hätte der Einzelne zu sehen und zu hören bekommen. Es war ein zeitiger Sonntagsmorgen, als wir bereits gegen 8 Uhr drüben landeten. Ziemlich menschen leer träumten noch die Straßen, die wir nur von pulsieren dem Leben durchflutet kennen, und wir durften es wagen, in beschaulicher Ruhe dies und jenes zu betrachten, ohne uns der Gefahr auszusetzen, im wogenden Menschengewühl überrannt oder überfahren zu werden. Auf dem durchgängig von neueren Bauten umrahmten Postplatz, den der schöne Zierbrunnen von Robert Toberentz schmückt (der Volksmnnd heißt ihn die „Muschelmtnna"), erwartete der greise Görlitzer Ratsarchivar und Sekretär der Oberlausttzischen Gesellschaft der Wissenschaften, Herr Professor Dr. Jecht, die Zittauer Gäste, um sich ihnen als sachkundiger und getreuer Mentor für den ganzen