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126 in ! öherem Mähe, als es gegenüber dem auf seine be- jonoere Stellung stolzen Bautzen der Fall war, ver band. Die beiden Städte und ihre Umgebung batten sich in verschiedener Weise entwichest. In Görlitz über wog die Tuchmacherei; die Ortschaften der Umgebung blieben infolge der vorherrschenden Landwirtschaft dün ner besiedelt als im Zittauer Bannkreis, wo die über wiegend betriebene Herstellung leinener Waren und die dadurch bedingte ausgedehnte Heimarbeit zu einer starken Industrialisierung der Dörsec führte, sodaß die meisten der letzteren hinsichtlich der Bevöikerungszistern die Ortschaften des Görlitzer Kreises bald erheblich überflügelten. Zahlreiche Zittauer, denen ihre Vater stadt zu eng wurde, verlegten ihr Heim nach dem benach barten Görlitz, und viele Eheschließungen zwischen den Patriziergeschlechtern beiderStädte knüpften die wechsel seitigen Beziehungen noch enger. Von den Zittauer Familien, die sich auch in Görlitz ansässig machten, wurde u. a. der geachtete Name der Demischs genannt. 1720 zog der wohlhabende Zit tauer Christian Am eis nach Görlitz und errichtete dort den stolzen Prachtbau, welcher heute dec Gberlau- sitzischen Gesellschaft der Wissenschaften gehört. Beide Städte hatten frühzeitig schon eine Geltung erlangt, die über ihre Weichbildgrenzen weit hinaus reichte, aber ihr politischer Einfluß wurde durch den be kannten Pönfall vernichtet, und jie wurden gezwungen, ihre Bedeutung mehr und mehr auf das wirtschaftliche Gebiet zu verlegen. In Zittau erreichte die Industrie ihren Höhepunkt in dec Zeit zwischen dem 7 jährigen Kriege und dem ^ahrsl806. Eine einschneidende Wen dung trat ein, als an dem grünen Tische des Wiener Kongresses die Lausitz zwischen Preußen und Sachsen aufgeteilt wurde. Allerdings hatte ein gewisser histori scher Unterschied zwischen der östlichen und der westlichen Lausitz schon von jeher bestanden, der aber durch ein gemeinsames geistiges Band überbrückt wurde. In dieser Hinsicht hat sich auch nach der staatspolitijchen Trennung nicht viel geändert, und in der 1779 begründeten Gber- lausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften bedeuteten die Mitglieder aus der Wsstlausitz noch lange das „sächsische Salz in der preußischen Suppe". Als besondere leuch tende Beispiele erwähnte dec Vortragende den Histo riker Ehr. Adolf Pescheck tf 1859) auf den Zittau vor allen stolz sein müsse, und den 1903 in Dresden verstor benen Hermann Knothe. In der Zittauer Gegend war das Interesse für hei matliche Geschichte besonders rege, und zwar traten in dieser Hinsicht alle Berufsstände fast gleichmäßig hervor, namentlich Pfarrer, Beamte und selbst schlichte Landleute. Aus der langen Äeihe der entsprechend gewürdigten Persönlichkeiten seien der Zittauer Gärtner Morawek, der Hecwigsdorfer Häusler Eckardt, dec Provinzial advokat Knoblauch (f 1753), Pastor Pietschmann (f 1745), Pfarrer Dornig, Traugott Flössel und der Leubaer Pfarrer Kloß (f1789) genannt. Eckardt gab im ^ahce 1731 erstmalig sein „Tagebuch" heraus, das als die erste Lausitzer Zeitschrift gelten kann und sich bis zum ^iuhre 1890 zu behaupten vermochte. Knoblauch ist durch seine „Beiträge" bekannt geworden. Nicht un erwähnt bleiben darf Otto, dessen GberlausitzerSchrift- stelleclexikon noch für unsere zeitgenössischen Geschichts forscher schlechterdings unentbehrlich ist. Der esnä. Nr. 9 tkeol. Kretschmar machte sich durch seine „Nachlese" verdient, ein Mittelding zwischen Zeitung und Zeit schrift, deren erster Band 1762 herauskam. Ferner ist ein in Zittau 1773 erschienenes „Wochenblatt zur Auf nahme des Nahrungszustandes von Stadt und Land" zu erwähnen. Endlich gab 1789 Christian Pes check der Altere eine „Monatsschrift über wirtschaftliche Nach richten" heraus. — Aus dem 19. Jahrhundert hob der Vortragende mit ganz besonderer Wärme ")oh. Gottlieb Korsch eit (f 1901) hervor, der am 16. Mai 1894 an läßlich der in Zittau abgehaltenen 182. Hauptversamm lung der Gberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften zum Ehrenmitglied diejer Körperschaft ernannt wurde. Hierbei sind auch noch Moschkau (f1912) und Neeßs (f 1901) zu nennen. Weiterhin betonte der Äedner die Notwendigkeit einer „Geschichte der Geschichtsschreibung", kam dann auf die sog. cocZices (Urkundenbücher) und die Gber- lausitzec Urkundenabschriften, deren sich in Görlitz eine ganz hervorragende Sammlung befindet, und die Wich tigkeit eines Gberlausitzer Urkunden-Verzeichnisjss zu sprechen, um sich sodann den eigentlichen Chronisten (seriptores) zuzuwenden, die den Äuhm Zittaus als der bevorzugten Stadt heimatlicher Geschichtsschreibung begründet haben. Seiner Bedeutung nach und zeitlich als erster ist Johann vonGuben zu nennen, der von 1363 bis 1375 in Zittau als Stadtschreiber tätig war und einen Zeitraum von 120 fahren Zittauer Geschichte bearbeitete. Seine Chronik, ein unersetzliches Kleinod für die ganze Lausitz, setzt mit der Stadtgründung 1255 ein. Für die Zeit vor seinem Amtsantritt war er natürlich auf dis Berichte von Zeitgenossen und auf mündliche Überlieferung angewiesen. Das Verdienst, dieses funda mentale Werk der breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu haben, gebührt zwei bedeutenden Zittauer Männern. Selbige waren Ernst Friedrich Haupt (1778—1843), Bürgermeister der Stadt, und sein be rühmter Sohn Moritz Haupt (1808-1874), der her vorragende Germanist und Philologe, der sich zuweilen durch herzerfrischende Grobheit auszeichnete. Von eben falls sehr weittragender Bedeutung wurde das Lebens werk eines zweiten Chronisten, nämlich Johann Bene dikt Larpzov, dec aus einer berühmten Dresdener Theologen-Familie stammt. Er war 1675 geboren und wurde 1702 als Syndikus nach Zittau berufen, aber nach 27 jähriger ersprießlicher Tätigkeit mit dem für die gute Stadt so typischen schmählichen Undank seines Amtes enthoben. Er überlebte seine Absetzung noch um ein Jahrzehnt. Seine als „^nslekts" bezeichnete Chro nik, die er selbst „Schauplatz der Stadt Zittau" nannte, fußt auf dem unersetzlichen Urkunden-Material, das mit dem Zittauer Stadtarchiv bei der Beschießung im^jahre 1757 zugrunde ging, und ist dadurch aus einer sekun dären zu einer primären Ouelle von außerordentlichem Wert geworden. Den beiden Werken von Guben und Larpzov gegenüber sind spätere Arbeiten, wie die von Christoph Mönch (1668—1724) und Hoffmann (1692—1732) von untergeordneter Bedeutung. Nament lich des Letzteren dickleibiges Werk von reichlich 1600 Druckseiten entbehrt jedes Wertes für den ernsthaften Geschichtsforscher. Der zu Anfang des 18. Jahrhunderts besonders bewundernswerte Fleiß der Zittauer Histo riker wendete sich später der Wirtschaftsgeschichte zu. Gberlaufltzer Hetmatzettung