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Anspruch aus unser Interesse. Er ist in Görlitz geboren, seine Eltern besaßen jedoch das Rittergut Kuhna, bis sie 1814 nach Heidersdorf übersiedelten. Nach bestandener Reifeprüfung auf dem Görlitzer Gymnasium bezog der junge Uchtritz 1818 die Leipziger Hochschule zum Studium der Rechte. Er wirkte später als Assessor in Trier und Düsseldorf. Dort erfolgte seine Beförde rung zum Oberlandcsgcrichtsrat und später zum Appellations gerichtsrat. Bei seinem Ausscheiden aus dem Dienst wurde er zum Geheimen Iustizrat ernannt und lebte dann bis zu seinem am 15. Februar 1875 erfolgten Tode wieder in seiner Vater stadt Görlitz. Persönliche Beziehungen verknüpften ihn mit Hein rich Heine, Grabbe, Hebbel, Geibel, Roquette und Kinkel. Bon seinen dramatischen Schöpfungen ist die erste, die 1827 erschie nene Tragödie „Alexander und Darius", am bekanntesten ge- worden. Nach einer Angabe Holteis hatte das Buch sogar Goethe sehr liebgewonnen. Seine späteren Dramen und Romane konnten sich jedoch nicht behaupten, und so ist der an sich nicht unbedeu tende Verfasser der Vergessenheit anheimgefallen. Eingehend gedachte der Vortragende dann des Lustspiel dichters Gustav von Moser, der 1825 in Spandau geboren war, aber in seinen späteren Lebensjahren die engsten Beziehungen zu Görlitz unterhielt. Er starb hier am 22. Oktober 1903. Von seinen mehr als 100 Bühnenstücken, die fast alle vom Görlitzer Stadttheater aus ihren Siegeszug durch Deutschland antraten, sind etliche trotz ihres keineswegs welterschütternden Gehalts noch heute lebenskräftig. Der Redner ging dann zur Görlitzer Heimatdichtung über und nannte hier den erfolgreichen Dramatiker Waller Nithack-Stahn, Emmy von Pannewitz, Bruno Hain, Kari Winderlich und mehrere Werke ungenannter Verfasser. Unter den Mundartdichtern kommen Wilhelm Kirchner und ganz besonders Emil Barber in Betracht, welcher auch als Sammler und Ordner des Stoffes für das 1903 erschienene „Görlitzer Dichterheim" zu nennen ist. Diese ziemlich wertvolle Anthologie bringt zum Teil recht beachtliche Proben tüchtigen Könnens von 59 verschiedenen Verfassern. Der Vortragende be zeichnete dieses Buch als ein nachahmenswertes Beispiel für andere Städte, z. B. Bautzen und Zittau. Am Schluffe seines Vortrages erwähnte O. Schöne noch mit besonderer Würdigung Elsbeth Ebertin, Otto Reinhold Brade, Margarete Reichel- Karsten, die übrigens der Tagung persönlich beiwohnte, und Paul Mühsam, dessen Märchendrama „Waldkönigs Hochzeit" — unseres Erinnerns im Jahre 1912 — auf der Oybiner Wald- bühne seine Uraufführung erlebte. Der fesselnde Vortrag, welcher den umfangreichen Stoff mit bemerkenswerter Sachlichkeit meisterte, fand ungeteilte Aufmerk, samkeit und berechtigtermaßen herzlichen Beifall. Es schloß sich eine Aussprache an, in der zunächst Prof. Dr. Iecht auf Grund seiner umfassenden eigenen Forschungen und mit Hilfe seines bewundernswert frischen Gedächtnisses noch zahlreiche Mittel- lungen zur Sache machte. Der Unterzeichnete vermißte unter den zahlreichen Namen die unlängst verstorbene Carola von Roon und einen noch lebenden Görlitzer von trotz seines hohen Alters noch beneidenswerter Frische, nämlich Benno Zeiske, der unter dem Decknamen Benno von der Klodwitz eine ganze Anzahl recht beachtenswerter Dichtungen verfaßt hat und seit mehr als 35 Jahren in Görlitz lebt. Auch die Herren Gondo- latsch-Görlitz und Fritz Bertram beteiligten sich an der Aussprache. Den zweiten Teil des Abends sollten die Mitglieder mit dem Dortrage eigener Dichtungen ausfüllen. Eine erfreuliche Überraschung bot Herr Studienrat Hille-Bautzen, der sich als gediegener Lyriker schweren Kalibers einführte und eine lange Reihe gleichmäßig packender Abschnitte aus einem Buchmanu skript zu Gehör brachte. Sie zeichnen sich ebensosehr durch tiefen Gedankengehalt wie durch vollendete Form aus und legen den Wunsch nahe, das Werk recht bald im Buchhandel er werben zu können. Der Unterzeichnete steuerte fünf kleinere ernste Stimmungsbilder bei und Martin W e i se - Dresden be schloß die Reihender Darbietungen mit vier eindrucksvollen lyrischen Bildern. Es folgten dann noch Mitteilungen und Anregungen verschiedener Art, bei denen die Herren Fritz Bertram, Georg Sch warz und Herbert Henkner beteiligt waren. Die eigentliche Hauptversammlung begann am Sonntag ziemlich pünktlich. An Teilnehmern waren inzwischen noch eingetroffen die Herren Schriftleiter Bülow-Görlitz und Gründ er-Markliffa sowie als Gast Herr Hans Irmler, der Direktor des Bautzener Stadttheaters. Nach kurzer Be grüßung der Erschienenen durch den zweiten Vorsitzenden Fritz Bertram erstattete Herbert Henkner den Jahres- und den Kassenbericht. Beide schlossen befriedigend ab. Auf Antrag der Rechnungsprüfer Gondolatsch und Gründer wurde dem Kassenführer Entlastung erteilt. Georg Schwarz berichtete über die mit Unterstützung der Bautzener Frauenhilfe ver anstaltete Weihnachtsmesse, mit der eine umfangreiche Aus stellung heimatlicher Literatur verbunden war. Der ideelle Erfolg war gut, der materielle litt jedoch unter der Ungunst der schlechten allgemeinen Wirtschaftslage. Es empfiehlt sich, den Gedanken festzuhasten und auch für andere Städte nutzbar zu machen. Die Neuwahlen wurden in einfachster Form erledigt und er gaben unveränderte Zusammensetzung des bisherigen Vorstandes. Ein Aufnahmegesuch und die Frage der Werbung fördernder Mitglieder wurden aus Zweckmäßigkeitsgründen auf eine der nächsten Zusammenkünfte vertagt. Fritz Bertram betonte unter allseitiger Zustimmung, daß an die Leistungen der Mit glieder, namentlich hinsichtlich der Ausgestaltung von Heimat abenden, die schärfsten Anforderungen gestellt werden müßten. Bei der Beratung über die Orte der nächsten Tagungen bat der Unterzeichnete, Großschönau und Dresden zu berück sichtigen. Ersteres auf Grund einer Anregung der dortigen „Saxonia", die Landeshauptstadt aber, um eine engere Fühlung mit der dortigen starken Landsmannschaft Oberlausitzer her- zustellen. Beide Vorschläge begegneten einhelliger Zustimmung. Der Berichterstatter und Martin Weise-Dresden wurden mit der alsbaldigen Einleitung der notwendigen Vorarbeiten be auftragt. (Gegebenen Falles könnte die Dresdener Tagung außerdem mit dem vom Landesverein Heimatschutz erwogenen Gastspiel der Reichenauer „Thalia" in Dresden ver bunden oder an dieses angeschlossen werden!) Da Anträge nicht vorlagen, war der geschäftliche Teil der Tagesordnung erledigt und es folgte ein ganz ausgezeichneter Vortrag Fritz Bertrams über „Die Theaternöte der Gegenwart". In sehr sorgfältig abgewogenen, aber höchst temperamentvollen, zum Teil von heiligem Zorn und ätzender Satire getragenen Darlegungen behandelte der Redner den ganzen Rattenkönig der mannigfachen Ursachen, auf denen der schwere Daseinskampf unserer Bühnen beruht. Zunächst haben wir behufs Beurteilung der einschlägigen Fragen vier Hauptgesichts punkte ins Auge zu fassen: vor allem die ungünstigen zeitlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, dann die seit dem Zusammen bruch eingetretenen Wandlungen der Volkspsyche, endlich die Einstellung der Dichter und der Kritik zum Theater. Mit ein dringlichen Worten streifte der Redner die Bolksverrohung als Kriegsfolge, den Verfall des Mittelstandes, die fehlende Vor- bildung und innere Anteilnahme der Neureichen, den angeblichen „Bildungshunger" der Arbeiterschaft, die sich im allgemeinen bis auf wenige Ausnahmen von den Veranstaltungen der Volkshochschulen aus Parieidisziplin grundsätzlich fe nhält, die Bestrebungen, den Klassenkampf und die Politik auf Kunst und Wissenschaft zu übertragen, die Einsckränkungen in der Lebens- führung, die sich in Wirklichkeit fast nur auf die Befriedigung des Kunstbedürfnisses erstrecken. Beim Kino, der Schundliteratur, den Tanzdielen, dem Bar- und Kaffeehausbetrieb, dem Rund funk, den Sommer- und Wintersportreisen, der Vereinsmeierei usw. ist keine Spur von diesem Einschränkungsbedürfnis zu bemerken, aber alle diese Faktoren lassen Tausenden und Aber tausende» einfach keine Zeit mehr für den Theaterbesuch. Sehr problematisch ist der Anteil unserer Jugend an dem notwendigen Wiederaufbau: ein Krebsschaden ist die systematische Politisierung