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Jahrzehnte waren in das Meer der Ewigkeit hinab, geflossen, und ich hatte diese schöne Episode meiner ersten Italienfahrt in dem Drange eines arbeitsreichen und bewegten Lebens so gut wie vergessen. Da nahte das Jahr 1903 und mit ihm die Papstwahl. Leo XIII. war dahingegangen. Die grobe Frage, wer sein Nachfolger werden solle, bewegte alle Welt. Auch die protestantische. Und der ehrwürdige, viel gepriesene Patriarchvon Venedig bestieg den Thron Petri und zog in die Hallen des Vatikans. Wer und wie war der neue Papst? Ich befand mich damals durch eine seltsame Schicksalsfügung wieder in Zittau, wo ich einst das Iohan- neum absolviert hatte. Als vereidigter städtischer Beamter im Dienste der Stadt Zittau und zwar als Redakteur der dieser damals reichen und musterhaft verwalteten grössten Stadt der Lausitz gehörenden „Zittauer Nachrichten". Mein Mittags mahl nahm ich mit lieben Freunden und Bekannten, darunter zwei Thüringer Herren, Zittauer Bankdirektoren*); der Eine (Rauch) ein Enkel Rückerts mütterlicherseits, in der gemüt- lichen „Stadt Reichenberg" ein. Eines Tages zeigten mir die Herren eine Zeitschrift, die einen ausführlichen Aufsatz über Pius X., mit zahlreichen Bildern des neuen Papstes, seiner Familie und seiner Geburtsstätte im italienischen Alpengebirgs- lande, auch Iugendbilder von ihm, brachte. Und da stand er plötzlich wieder vor mir, leibhaft und lebendig, wie er mir einst in der Eisenbahnfahrt in Oberitalien gegenüber saß, mein liebens würdiger und gütiger Priester. Und auch sein eigentlicher Name stand da: Giuseppe Sarto. Es war der neue Pontifex Maxi- mus, von dem man soviel Gutes und Großes erwartete und von dem die Geschichte jetzt rühmend verzeichnet, daß er im Gegensatz zu seinen beiden unmittelbaren Vorgängern Pius IX. und Leo XIII. seine Regierung mehr durch kirchlich religiöse, als durch politische Grundsätze bestimmen ließ. Selten erschien mir mein Leben so bedeutungsvoll, wie im Augenblicke dieser Erkenntnis. Ich war freudigst bewegt. Und meine Freunde, die vieles Merkwürdige aus meinem Leben kannten, lächelten und stießen mit mir an auf mein Wohl und auf dasjenige des neuen Hauptes der katholischen Christenheit, meines alten und lieben Fahrtgenossen in goldener Jugendzeit. *) Es waren dies die Herren Seitzin gcr, jetzt in Elsurt, und Rauch, noch heute in Zittau tätig. Eine sächsische Anstalt gewinnt deutsche Bedeutung uf historischem Boden, eine kleine Wegstunde von Hochkirch, wo Friedrich der Große 1758 überfallen wurde, entfernt und unweit der Kreckwitzer Höhen, wo die erste sächsische reitende Batterie (Probsthannj gegen Blücher Stellungen anritt, die er räumte, um sich dann erst wieder an der Katzbach zu stellen, liegt hügeleingebettet, vom Bergzug Hochstein-Czorneboh und Hromadnik gegrüßt, das kleine Lausitzdorf Pommritz, dessen Rittergut seit Jahr zehnten im Besitze der Landstände des alten Markgrafentums der Oberlausitz ist, die hier ihre bereits 1857 gegründete land- wirtschaftliche Versuchsanstalt einrichteten. Die Anstalt hat sich in den letzten Jahren außerordentlich entwickelt, und da man in Sachsen jeder der bestehenden Versuchsanstalten ein beson- deres Arbeits- und Forschungsgebiet zuwies (Möckern-Tier zucht, Dresden-Pflanzensorschung, Pommritz-Landarbeitslehre), konnte jede für sich besondere Bedeutung gewinnen, und bei Pommritz mußte das umsomehr der Fall sein, als das Gebiet der Landarbeitslehre wissenschaftliches Iungland ist, dem man aber bald Aufmerksamkeit in ganz Deutschland schenkte. So kam es, daß in Pommritz unter der Leitung von Prof. Dr. Derlitzki bald Kurse für Landarbeitslehre eingerichtet wurden, die ernsthafte Beachtung der ganzen deutschen Landwirtschaft fanden, so kam es auch, daß Bersuchsräume, Betätigungsfeld, Lehr- und Hörsaal bald nicht mehr ausreichten. Dem Gute wurde das der Fürstin Hanau gehörige Rittergut Drehsa zu gepachtet, und in einem künstlerisch gestalteten, schön gelunge nen Um- und Erweiterungsbau wurde ein großer, prächtiger Lehrsaal, Unterrichts- und Erfrischungsräume geschaffen. Welche Bedeutung man der Bestimmung dieser Anstalt beimißt, geht daraus hervor, daß l ei der am 4. März erfolgten Einweihung zahlreiche Vertreter ''es Reiches und der Länder Sacksen, Preußen, Mecklenburg, Thüringen und Bagern, sowie Ver treter der deutschen landwirtschaftlichen W ss'nschaft zugegen waren. Der Landesälteste Kammerherr a. D. Dr. von Nosiitz- Wallwitz begrüßte die ansehnliche Festoersammlung, gab ein B ld der geschichtlichen Entwicklung und hob die volkswirt schaftliche Bedeutung der erweiterten Anstalt, die er ihren Zweck übergab, hervor. Minister Dr. Wilhelm entbot den Gruß der sächsischen Landesregierung in warmherzigen Worten. Er bezeichnete Pommritz als die geistige Waffenschmiede, deren theoretischen und praktischen Ergebnisse vor allem aber auch der mittel- und kleinbäuerlichen Siedlung zu Gute kommen sollen. Aus diesem Grunde habe das Wirtschastsministerium 10000 Mark zur Verwendung in diesem Sinne gestiftet. Staats- sekretär Dr. Hoffmann sprach in Vertretung des Reichsministers Schiele, im Auftrag der Reichsregierung und im Namen der Ländervertreter und sicherte die weitere ideelle und materielle Unterstützung des Reiches, das die hohe Bedeutung der Anstalt würdige, zu. Hierauf sprach Prof. Dr. Derlitzki über die Be deutung der Landarbeitsforschung, die sich an den Betriebs führer sowohl als auch an den Arbeiter richte und beiden im Sinne einer richtigverstandenen Gerechtigkeit helfen wolle: Durch Arbeitsersparnis und -Verteilung, durch betriebswirt schaftliche Einrichtungen, durch Betriebsmittel, durch Stärkung des Arbeitswi ens und zuletzt durch Verbreitung der For schungsergebnisse. In kurzen Referaten gaben darauf die Assistenten der Anstalt Einblicke in ihre Sondergebiete. Es spra chen: Fräulein Friedrich über Arbeitslehre im Landhaushalt, Dr. Schmidt über die Arbeitsorganisation im landwirtschaft lichen Betrieb, Dr. Weber über Entlöhnungsfragen, Dr. Rein hardt über die Mechanisierung in der Landwirtschaft, Dr. Hux- dorff über arbeitphystologische Ausgaben der Landwirtschaft. Dr. Seebaß schilderte die betriebswirtschaftlichen Verhältnisse der Rittergüter Pommritz und Drehsa, woran sich eine Füh rung durch die Wirtschaftsräume anschloß, von denen man einen glänzenden Eindruck mit fortnahm. Der Hörsaal ver wandelte sich In der Mittagspause in kürzester Zeit zum Speisesaal und vereinte die Festteilnehmer beim fröhlichen Mahl. Anschließend wurde der Raum in ein Theater und Dorfkino verwandelt-, denn es sollte „ein Unterhaltungsabend im Gutsb-lrieb" gezeigt werden; denn der die Landflucht bannende Gedanke der Wohlfahrt und Heimatpflege gehört als seelisches Moment mit in den Betrieb der Landarbeitslehre und hat in Pommritz von jeher eine gute Pflegestätte gesunden. So konnten denn auch Kinderreigen, Theaterspiel und Film vorführung etwas von dem guten Hausgeist andcuten, der sich hier vorbildlich au^wirkt. Der von Prof. Dr. Derlitzki glänzend organisierte Tag sand seinen Abschluß in einem geselligen Bei sammensein im schönen Haus der Landstände in Bautzen. Die Lausitzer: Fichte (Rammenau), Lessing (Kamenz), Zinzendorf (Herrnhut), Haven ihrer Zeit und ihrem Volke keinen schleckten Geist gegeben. Es steht zu hoffen, daß Pommritz der über lieferten Tradition folgen und im Dienst um Landwirtschaft, Volk und Vaterland vorbildlich und segensreich wirken wird! Max Zei big, Bautzen. Ein Oberlausitzer Abend in Ebersbach este erfreuen Herz und Gemüt jedes empfindsamen Menschei-. Heimatfeste bilden in der Kelle der fest lichen Veranstaltungen Höhepunkte der Freude. Darum war es auch selbstverständlich, daß der „Aberlausitzer Oobd", den der Ebersbacher Turnverein am 20. Februar im Kretscham Ebersbach abhielt, ein wahres Volksfest wurde. Angelockt durch die mundartliche Einladung