Volltext Seite (XML)
Nach dem Prinz-Friedrich-August-Turme bei Sohland an der Spree Skizze von Oberlehrer Fr. Beruh. Störzner lieber Leser, begleite mich im Geiste! Unser Wanderziel soll heute die turmgekrönte Prinz WAM Friedrich August-Höhe bei Sohland an der Spree sein. Bon Schirgiswalde aus, wohin wir mit der Eisenbahn auf schnellstem Wege kommen, beginnen wir die Wanderung. Noch ists früh am Morgen, da wir aus dem Bahnhose traten. Wir steigen hinab zum trauten Städtchen mit seinen malerischen Häusern. Am Marktplatze zeigen einige Häuser noch jene charakteristischen Lauben, wie wir sie in Hirschberg in Schlesien und in Schönlinde in Böhmen finden. Weißt du es, daß Schirgiswalde einst eine kleine Republik bildete, einen Freistaat mit besonderen Rechten und Gesetzen ?UnserWeg führt überdieSpreebrücke. Wir gehen eine Strecke am rechten Ufer der Spree dahin. Der Weg berührt den Südabhang der Kälbersteine. Da, wo er den Waldessaum erreicht, Haven wir einen herrlichen Blick auf Schirgiswalde, wenn wir uns umschauen. Goethe empfiehlt, das auf Wanderungen recht ost zu tun, denn sonst würden einem die reizvollsten Bilder verloren gehen. Und das wäre doch schade! Der Blick von da auf Schirgiswalde, Sachsens Bischossstadt, ist so anziehend, daß wir es stunden lang betrachten könnten! Bor uns erhebt sich, hoch alle anderen Gebäude der Stadt überragend, die doppeitllrmige katholische Pfarrkirche. Rechts unten liegt Kirschau mit seiner romantischen und sagenumrahmten Bergruine. Bon links grüßt die im Ziegelrohbau vom Gustav-Adols-Vereine ausgebaute evangelische Kirche. — Vom Wege biegt links ein Pfad ab, der uns nach einer halbstündigen Wanderung durch stattlichen Hochwald hinauf zu den Kälbersteinen bringen würde, einer burgartigen Felsenpartie, der mir später einmal einen besonderen Besuch abstatten wollen. Darum setzen wir unsere Wanderung im Spreetale aufwärts fort und überschreiten nach fünf Minuten auf einer Brücke die Spree. 3ns Tal herein, das wie eine liebliche Aue sich vor uns ausbreitet, ragt ein Bergvorsprung, der Kiesernberg genannt. Zierliche Häuschen lehnen sich an seine Abhänge und steigen ihm da und dort sogar aus den Rücken. Auf fallend ist die Form dieses Bergvorsprunges. 3n früheren Zeiten dürfte er, wohl eine Kultusstätte der ehemaligen Be wohner dieser Gegend gewesen sein. Dafür spricht auch die Nähe der Kälbersteine, die, wie Archäologen behaupten, einst eine altheidnische Kultusstätte waren. Aufgebaut ist der Kiefernberg aus Lehm, und man darf darum annehmen, daß dieser Hügel der Spree, die vor Jahrtausenden als ge waltiger Strom das ganze Tal in seiner vollen Breite und Höhe aussllllte, seine Entstehung verdankt. Der Kiefernberg ist auch geologisch interessant. Er ist ganz wahrscheinlich eine Anschwemmung der Spree. Am oberen Ende des Kiefernberges befindet sich eine große Ziegelei, welche die Lehmmassen verwertet. Die Straße führt auswärts. Bon der Höhe aus schweift der Blick auf das vor uns liegende Dörfchen Petersbach, über das herein der sargähnliche Botzen bei Schluckenan in Böhmen freundlich grüßt. — Ein alter Mann passiert die vtraße. Wir bieten ihm einen Gruß und lassen uns mit ihm in ein Gespräch ein. Bald erfahren wir, daß er nach Lnne- walde will und zwar zum Begräbnis seiner Schwester. Schon drei Stunden ist er gewandert, und noch ein zwei stündiger Weg liegt vor ihm. — 3n wenigen Minuten er reichen wir Scheidebach, die Grenze von Sohland a.d. Spree. Links drüben liegt der Bahnhof von Sohland. Wir bleiben aber auf der Landstraße. Wie uns die Wegemarken sagen, beträgt die Wanderung bis zum Dorfe 2 km. — Die Straße führt über eine Hochebene, die eine schöne Fernsicht bietet. Bon derHöhe rechts grüßt derPrinz-Friedrich-August-Turm, den wir auf unserer Wanderung zum ersten Male erblicken. Bor uns liegt die Kirche von Sohland. Wo die Landstraße ins Dorf mündet, steht die Schule, über deren Portale die Inschrift: Psalm 34, 12. Kommt her, Kinder, hört mir zu, ich will Euch die Furcht des Herrn lehren. Erbaut 1886. Auf dem Platze unterhalb der Kirche, die sich an den Berg abhang lehnt, steht ein Denkstein zur Erinnerung an die Reformation. Am Wege hinaus zur Kirche sehen mir zwei alte Kreuzsteine. — Eine kurze Strecke oberhalb des Denk steines ist eine Wegeteilung. Links führt die Straße über die nahe Landesgrenze nach Rosenhain und Schluckenau. Rechts geht der Weg durchs Dorf aufwärts, dem folgen wir. Die Wegetafel sagt uns, daß wir auf ihm nach dem Prinz- Friedrich-August-Turm kommen, ferner nach Schönau, Hainspach, Mölmsdors und Nixdorf in Böhmen. Zwanzig Schritt von dieser Wegeteilung steht auf einem Zierplatze ein Granitstein mit der Inschrift: Zum Gedächtnis des großen Dichters Friedrich v. Schiller. Daneben eine Linde, die Schillerlinde, gepflanzt am 100- jährigen Todestage Schillers. Heiß brennt die Sonne. Wir mäßigen unsere Schritte. Es geht bergan. — Lausitzer Dialekt klingt uns entgegen, und wir werden unwillkürlich an des Dichters Renatus „Allerlee aus der Aeberlausitz" erinnert. Zwei Frauen be gegnen uns. Die eine hat Wasser geholt, und die andere fragt sie, warum sie gar nicht einmal zum Besuche komme. Da erwidert die Angeredete: „Kumm ok du och mol.— Heile is sihre worin." — Die andere erwidert: „Io, dos is woahr!" — Unser Augenmerk richten wir auch auf die Bauart der Häuser, die uns ganz besonders fesselt. Der Oberlausitzer Heimatstil tritt uns in seinen schönsten Formen entgegen. Wir sehen an den meist einstöckigen Häusern allgemein die geraden Säulen an der Außenwand, die sich nach oben zu in einem Bogen vereinigen. Recht malerische Häuser finden wir aber am oberen Ausgange Sohlands. — Wir kommen am schön gelegenen Gasthose „Zum Peterhof" vorüber. — Der Weg windet sich von hier ab steiler empor, und wir müssen unsere Schritte noch mehr müßigen. Die Häuser ziehen sich an den Berglehnen hin, und einzelne steigen diesen bis auf den Rücken. Unser Weg führt am Schulhause von Obersohland vorbei. Es zeigt die Inschrift: „Gott zur Ehre, der Jugend zur Lehre!" Im freundlichen und gutgepflegten Schulgarten plätschert ein Springbrunnen, der Leben dem lieblichen Bilde gibt. Die Sonnenstrahlen brechen sich im niedersallenden Wasser staube, der nun in allen Regenbogenfarben glitzert. — Aus der Schulstube dringt der Kindergesang: „In der Heimat, in der Heimat, da gibts ein Wiedersehn!" Am Schulhause zu Obersohland biegt links der Weg nach Schluckenau und Schönau in Böhmen ab. Wir wenden uns rechts und kommen an einigen malerischen Häusern vorüber, die unser Auge auf längere Zeit fesseln. — Nach fünf Minuten erreichen wir die „Sohland-Berliner Knopffabrik" von Alexander Prier. Bald kommen wir zu den letzten Häusern von Obersohland. Rechts zeigt sich unser Wander-