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Gbsrlaujitzer Hsimatzeitung Nr. 7 74 Bon den Herbst-Tag- und Nachtgleichen (24. Sept.) an siegt die Nacht über den Tag, die Finsternis über das Licht, der Tod über das Leben in der Natur. Kalt und kahl wird die Erde, und das Laub der Bäume wird vom Winde ver weht. Allein die Tanne, Kiefer, Fichte und noch einige andere Nadelbäume bleiben den Winterriesen zum Trotze grün und frisch. Das war für unsere Vorfahren ein Zeichen, daß die guten Gottheiten noch walteten. Daher waren jene Bäume den Germanen heilig. Dem germanischen Geiste würde nicht entsprochen, Weih nachten in der warmen Stube zu feiern, sondern im Walde. Und so ging man auch am Sonnenwcndseste hinaus unter die schönsten, grünen Bäume im Walde zu der Zeit, da die Sonne wieder zu steigen begann. Es war ein Fest, das man Zu Ehren Baldurs, des Sonnengottes, beging. M m gedachte aller Gaben der guten Gottheiten und war bestrebt, sich diesen dankbar zu erweisen. Deshalb brachte jeder Germane das ihm mögliche Opferdar, z.B. Pferde,Fische Aepfel, Nüsse usw. Das Pferd war Wotans bevorzugtes Tier. Fische waren heilig, weil sie dem Planeten angehören, ohne welches die Sonne nichts hervorbringen kann. Aepfel galten als aus dauernde Früchte. Sie wurden als eins der bedeutendsten Erzeugnisse der durch die Sonne bewirkten Erdfrnchtbar- keit angesehen. Die Nuß schließlich war das Symbol des Sonncnkerns, aus dem die erstorbene Pflanzenwelt alljähr lich wieder aufgrüne. All diese Opfer waren von brennenden Lichtern begleitet. So selbstverständlich scheint die Verbin dung von Opfer und Licht gewesen zu sein, daß man sich ge- ivvhnte, jede Gabe, jedes Geschenk ein Licht oder eine Kerze zu nennen. Walther von der Vogelwcide z. B. gebraucht beide Ausdrücke. Er singt:' „Mir hat ein Licht von Franken Der stolze Meißner mitgebracht. Das gibt mir Ludwig eigen." Ein andermal: „Eure Kerze habt ihr gnädiglich mir zugcsendct, Deren Licht die Brau'n versengt hat allen, die sie sahen." Ein Fest der Freude war die Winter-Sonncnwendfeicr bei den Germanen; denn bald kam das Licht, die Sonne, wieder, um die Erde zu beleuchten und zu erwärmen. Unser Weihnachtsfest ist auch eine Begrüßungsfeier des Lichts, nämlich des geistigen Lichts Christus. Er erhellt das geistige Dunkel der Menschheit und erwärmt sie wie die Sonne die Erde nach der Sonnenwende. Die Grundgedanken beider Feste sind ähnlich und ihre Sitten und Gebräuche stehen in engster Verbindung miteinander. Denn auch wir feiern das Weihnachtsfest wie unsere Vor fahren mitten in der Zeit, da die Natur abgestorben zu sein scheint. Unter allen Gebräuchen am Christfest knüpft sich an den Lichterbaum die schönste Poesie. Weder in der Hütte, noch im Palaste darf er fehlen. Dieser Brauch ist ein Beweis dafür, daß die Liebe unserer Vorfahren zur Natur in uns noch utcht erkaltet ist. Da mir nicht hinaus in den Wald gehen können, um dort unter den Bäumen zu feiern, so holen wir uns zum Ersatz dafür ein Bäumchen in unsere Stube und zwar einen Tannenbaum, der schon bei den Germanen heilig war. Wie bei unfern Vorfahren die Kerzen nicht fehlen durften, so auch bei uns nicht; denn dann erst gefällt uns der Tannenbaum, wenn er zum Lichterbaum ge worden ist und mit seinem Glanze das Zimmer durchstrahlt. Tannenreißig schmückt die Bilder, und der im Mittelalter allgemein verbreitete Glaube, daß „ze wlhen nahten" die Bäume blühten, wird dadurch versinnbildlicht, daß man Zweige von Obstbäumen pflückt und ins Wasser steckt, da mit sie zu Weihnachten blühen. Die vielen schönen Gaben unter dem Lichterbaume sind an Stelle der germanischen Opfer getreten, denn die Weihnachtsgeschenke sind auch Liebes- und Dankopfer. Was in den Kräften der Eltern steht, wenden sie an, um ihre Lieblinge zu entzücken. Und ein dank bares Kind wird seinerseits noch ein paar Sparpfennige haben, die es seinen Eltern gern opfert, um sie durch ein kleines Geschenk zu erfreuen. Äberzu all den schönen Dingen gehört noch zweierlei, wenn das Weihnachtsfest echt sein soll: das sind Aepfel und Nüsse. Doch auch diesen Brauch haben wir der Sonnenwendfeicr entnommen, wo nämlich arme Germanen sie den Göttern opferten. Leider feiern aber die meisten Deutschen Weihnachten nur, weil die Sitte es verlangt. Sie sind sich nicht bewußt, welchen tiefen Sinn dieses Fest hat. Weihnachten ist erstens ein christliches Fest; denn wir feiern den Geburtstag des Hei lands, der Licht in dasgeistige Dunkel der Menschen gebracht hat. Zweitens ist es aber auch ein echt deutsches Fest, da es viele Sitten von dem Sonnenwendfest der Germanen über nommen hat, und da besonders der Hintergrund beiderFeste ganz ähnlich ist. Beide sind Begrüßungsfeiern e nes Lichts, jedoch mit dem Unterschiede, daß die Germanen die Sonnen wendfeier zu Ehren des natürlichen Lichts, der Sonne, ab hielten, und daß wir das Weihnachtsfest zur Verherrlichung des geistigen Lichts, Christi, feiern. Deshalb laßt uns fest halten am deutschen Weihnachten und seinen Gebräuchen! Die Poesie der Gasse vor Weihnachten von Max Zeibig, Bautzen u der Zeit, wenn der Winter auch bald kalendermäßig seinen Einzug hält, wenn es friert und schneit und reiche Leute mit schönen Pelzen aus der Straße gehen, wenn es so zwischen vier und fünf Uhr dunkel wird, dann hebt sie wieder an, wie aus tiefverborgenen Gründen empor gestiegen: die Poesie der Gaffe vor Weihnachten. Es gibt Menschen, die kommen das ganze Jahr vor lauter Hast und Sorgen nicht einmal zur Besinnung, sie rattern ihr Leben herunter wie ewigbcwegte Maschinen; vor Weihnachten aber, da stockt auch manchmal ihr immergleicher Lauf. Da macht das Herz nicht mehr mit, wird mild und weich und gut und bringt aus versteckten Truhen liebe, goldene Erinnerungen, Erinnerun gen aus fast vergessener Kinderzeit. Die Welt um uns hat dann ein ganz andres Bild und ist trotz der trüben Tage sonniger und verklärter. Wir schauen mit Märchenaugen in die Welt, werden andächtig und fromm und sind wieder wie die Kinder. Ja, die Kinder! Gestern ging ich zwischen vier und fünf Uhr durch meiner Stadt verwinkelte Gassen. — Da war ein Schaufenster mit richtigen Männern und Frauen — aus Pfefferkuchen. Da worein lustiger Kerl, der hob den Arm, klopfte an das Fenster, drehte den Kops und zeigte mit Augenzwinkern auf eine Scheibe, die sich drehte und einmal „Feine Ware" und dann „Billige Ware" schrieb. Hinter ihm stand ein Christbaum mit Geleucht von Gold- und Silberhaar, mit brennenden Lichtern und einem wcißglitzernden Engel auf der Spitze. „Oh!" hörte ich da plötzlich, „e Lhristboom (oh! dreimal unter strichen), Koarle, e Lhristboom! Wie der brennt!" Und wie auf Kommando knieten drei kleine Knirpse auf dem Steinsims vor dem Schaufenster und quetschten ihre Stupsnasen an die Scheiben, nm die ausgelegten Herrlichkeiten besser bewun dern zu können. „Du, Baulchen, mir Ham och en Boom!" ging es weiter. „Aber unsrer is viel scheener un greeßer. Der hat vier Mark gekostl Meine Mutier sachte: 's is ne Affenschande!"