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O du fröhlichem du selige,gnadenbringendc Weihnachtszeit! Aber ja, jetzt hör ich es auch. Mit den Tönen schwingt ein sehnender Klang, und es zittert darin von bösem Krieg und herbem Leid. Ja, du mein Herz, ich kann dich verstehen. Wir suchen Weihnachten. Um es zu finden, so lieb, so schön wie einst, müssen wir nach der deutschen Heimat wandern gehen ... Heute ist heiliger Abend. Der Herr Leutnant und der Herr Wachtmeister werden uns bescheren, uns, ihren großen Kindern. In der Kirche sind wir am Nachmittag dazu ver sammelt. Mit vollen Registern spiel ich in Andacht und seliger Lust den schönsten Adventschoral: Macht hoch die Tür, Die Tor macht weit, Es kommt der Herr der Herrlichkeit! Meine Kameraden singen alle tapfer mit. Sie schauen nach dem Lichterbaum, und die Gedanken verlieren sich weit, weit — Und dann sage ich ihnen die festlichen Worte Wildenbruchs: Me.- das weite, ferne Meer, Wo keine Brücke und wo kein Steg, Wandelt schweigend die Weihnacht, Hat zu wandeln gar weiten Weg . . . ' Tausend Gedanken aus Hütte und Haus, Alle in Liebe und Sorge gehegt, Sind ihr zu tragen auserlcgt. . . Da überkommt es uns alle wie Weinen und Weh. Weihnachten! was bist du ohne Heimat, ohne Vater und Mutter, ohne Weib und Kind! Wir nehmen mit dankbarer Freude die schönen Geschenke, aber wir suchen vergebens, ob wir darunter wahre Weih nachten finden ... Lhristvesper! Da sang einst meine liebe Kinderschar auf dem weiten Altäre mit den beiden stillen, ernsten Wächtern, den dunkelgrünen Zypressen, vor der Dorfschule ein innig süßes Lied: Vom Himmel kommt, O Engel kommt, Eia, susani, Kommt, singt und klingt, Kommt, pfeift und trommt! Alleluja! O singet von Maria! O ihr friedevollen Zeiten! Am Abend ging ich dann mit dem Freund Arm in Arm über den Berg, hinab in das Tal, da Licht an Lichtlein leuchtete. Hinter den verhangenen Fenstern huschten Schatten und erzählten von letzten tausendsllßen Heimlichkeiten, die um das Fest sich spinnen. So wanderten wir gemeinsam in die Weihnacht hinein, manch herzlich Kinderlied voll In brunst auf den Lippen. Irgend ein geschäftig pustender, schneebereifter Zug trug uns dann zur Vaterstadt, wo wir hinwollten, vor allem, um in der Hoskirche des Landes die heilige Messe zu hören. Da klang es in beseligten Harmonien von Stimmen der Männer und Frauen, und die Geigen waren süß wie Engelstimmen, ach, und bei Glanz und Gloria des lichtüberschütteten Altars, bei Weihrauch und hochseligen Liedern ward uns im Herzen himmlischer Weihnachts frieden ... Nun sitze ich in einer Dorfkirche an der Somme, deren Glocken nicht mehr tönen, weil der Donner der Kanonen sie stumm gemacht. Um mich sind viele hundert graue Krieger, Männer und Jünglinge, die vom Kampf kommen und die Weihnacht und Frieden suchen. Ein Chor von vollen Männerstimmen erklingt. Heilige Ruhe schwebt über dem Raum. Die Lichter am grünen Baume lachen und tanzen und leuchten. Trompeten und Posaunen, Hörner und Helikon ertönen. Dann braust es, geschwellt von dem Jauchzen der Orgel, mächtig, erhaben und seltsam feierlich durch die hohen Hallen: „Dies ist der Tag, den Gott gemacht, Sein werd in aller Welt gedacht! Ihn preise, was durch Iesnm Christ Im Himmel und ans Erden ist!" Der Pfarrer aber, der liebe, blonde Mann, blickt sinnend von der Kanzel nieder zu der Gemeinde von Männern. Fest hält er die Bibel in der Hand. Dann schlägt er sie be dachtsam auf und liest — liest die liebe, alte Weihnachts geschichte: Es begab sich aber zu der Zeit, daß ein Gebot vom Kaiser Augustus ausging, daß alle Welt geschähet würde... Und, als wäre ein frommes Wunder geschehen, sitzen wir und lauschen und hören die Worte der Geschichte mit all der Andacht, wie je als Kind, da wir sie zum ersten Male vernahmen mit Staunen und Verwundern. Da ist es plötzlich, als fielen Schleier von der Seele, als wichen Schatten aus dem Herzen; und Sonne scheint darein, strahlende Weihnachtssonne. Mit den Worten des Evan geliums klingt es aus uns: Ehre sei Gott in der Höhe, Frieden auf Erden Und Len Menschen ein Wohlgefallen! So lassen wir uns Schönes sagen, vom Frieden mit Gott und Menschen und wissen in diesem Stündelein, daß wir Frieden und Weihnacht gefunden haben. Als wir aus der Kirche gehen, steht über uns der dunkel blaue Himmel mit Goldsternen prächtig angetan. Die Sterne tragen unsere Weihnachtsgrüße nach Deutschland hin. Wie einst die Hirten auf dem Felde, kommen auch die grauen Hüter in Scheunen und Ställen und ärmlichen Woh nungen zusammen. Sie sitzen nm ein bescheiden geschmücktes, brennendes Bäumlein und feiern mit Andacht und Fröhlich keit Christkindleins Krippenfest.... Als ich um Mitternacht noch einmal aufhorche in Dorf und Stille, kommt es wie auf weichen Flügeln und klingt, Gram und Krieg vergessen lassend, wundersam und feierlich: .... und hat ein Blümlein bracht mitten im kalten Winter, wohl zu der halben Nacht. Um dieselbe Stunde aber schlugen in Deutschland die Uhren zwölf dumpfe Schlüge und die Glocken läuteten Weih nachten ein. Zwischen Herbst und Winter Symbole von OttoFlösscl- Bautzen ja, das war sonst eine frisch, fröhliche Zeit, wenn UMN der erste Schnee kam. Wir preßten unsere Stirnen an die Scheiben und sahen, wie lustig die Flocken nicderwirbelten, lange, lange. — Wir hatten ja Zeit, goldene Zeit. Ganz weihnachtlich wurde uns dabei. Ein feiner Geruch von Kuchen und Zucker zog durch unser Ahnen, ein heimliches Duften von Tannen und Lichtern. Leise stimmte es — wer weiß wo — „Sti—i—lle Nacht, hei—lige Nacht." Schnell wars wieder weg. Vorsichtig mach ten wir erste Versuche: „O du fröhliche, o du selige, gnaden-