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Nr. 6 Gberlauflhsr Heimatzeitung 55 Bart und fort gings. Langsam schlich der Frühauf die lan gen Gänge dahin bis zur Tür des Thronsaales. Bescheiden klopfte er an und trat ein. Hei, was herrschte hier für eine Lichtfülle. Glitzernde Englein empfingen den Alten und ge leiteten ihn zum stolzen Marmorthrone, aus dem der liebe Herrgott saß. Nikolaus verneigte sich tief und stellte sich vor. „Danke für deinen Besuch," sprach mit gemessener Stimme der hohe Herr, „ziehe hinab in die Unterwelt und besorge deine Weihnachtseinkäufe, hier ist die Geldkassette." Knecht Ruprecht nahm diese in Empfang und entfernte sich aus dem Saale, eilte hinüber in den Hof, schirrte sein Gespann und fuhr hinab auf unsere Erde. — In einem Dorfe sprach der alleweil ganz Überglückliche einen Bauern um Nüsse an und legte einige Geldscheine hin. Der Bauer kam wieder und brachte ein nicht allzugroß Säcklein solcher Früchte herein. Nikolaus fragte erstaunt: „Sind das alle für die Summe?" „Ja," stammelte der Bauer, wurde jedoch etwas rot im Ge sicht, „die kosten jetzt mehr". Knecht Ruprecht kochte: „Du Wucherer, Gott strafe dich," nahm sein Geld und schritt hastig hinaus. In dem nächsten Geschäfte lagen Süßigkeiten aus. Nikolaus ging hinein und verlangte Schokolade. Die Ver käuferin, welche in ihm wohl Einen von der alten Welt ver mutete, meinte kurz: „Ja, Schokolade gibts, aber schrecklich teuer," und nannte ihm die Preise. Armer Ruprecht, wer dich jetzt gesehen hätte, wie sahst du aus. „Bitte, ein paar kleine Täfelchen," stotterte er. — Im Spielwarengeschäfte ergings ihm nicht besser, „'s ist eben alles teurer geworden," meinte der Händler achselzuckend. Bald fand sich Knecht Ruprecht in die neue Zeit. „Die Summe muß reichen," sagte er sich und ging noch alle übrigen Geschäfte durch. Spät am Abend kehrte er heim mit seinem halbvollen Schlitten. Am andern Tage trat der alle Graubart nochmals vor den König hin und erzählte seine Erlebnisse. Majestät machte ein ernstes Gesicht. „Das wird schlimme Weihnacht für manch jungen Erdenbürger, es schmerzt mich wohl, wie die die Sünden der Väter büßen müssen, doch wen trifft die Schuld!?" „Wem nicht zu raten ist, dem ist auch nicht zu helfen," antwortete der Herrgott. Drei Lausitzer Weihnachtsepistelu aus dem Weltkriege 1. Weihnachten 1914. (H^er Ruprecht auf dem Tschorneboh ist trotz der Kricgszcit frisch und froh; doch seine Fran, die gute „olle" Buschgroßmutter, die Frau Holle, hat in der Wirtschaft manche Sorgen und sinnt und bangt von heut aus morgen: Aus Rußland ist nichts mehr zu Kriegen als Kunde von neuen Hindcnburgsiegen. Sic aber bezog aus Sibirien Schnee, ganze Wolkensäcke, von je und ließ dann zu Weihnacht fiir ihre lieben Lausitzer tiichliq die Schncefedern stieben. Schon wollte sie dem Hindenburg schreiben, «r solle vorm Fest noch die Russen vertreiben, damit sie schleunigst an Frieden dächten mnd ihr als Kriegszins Schncefedern brächten. Da brummte der Ruprecht: „Dummes Wesen! Der Hindenburg macht nie Federlesen, besonders nicht mit dem Russcnpack!" Und damit ergriff er seinen Sack und machte so eine Handgebärde, als höbe er suderweis von der Erde böse Buben und steckte sie ein. Da ließ es denn die Frau Holle sein. Sic tröstete sich, so mancher Frau im lieben Deutschland erging es genau so wie ihr in diesen Tagen: Es fehlt in der Wirtschaft—so hörte sic Klagen— bald dies, bald das: jetzt Petroleum: Im Finstern zu sitzen ist gar zu dumm! Auch Erbsen, Linsen, Rosinen sind Heuer geradezu unerschwinglich teuer. Man mutz sich eben schicken und fügen, mit dem, was die Heimat bietet, begnügen. So hals sie mir, Euch ein Bündel zu schnüren von ocm, was wir in der Lausitz noch führen: Gravensteiner Apfel aus Ruprechts Sackl — und haben sic äußerlich manchmal„aFlackl", innerlich sind sie voll würzigem Saft und geben Alten und Jungen Kraft. Bom Lauenturm aus der Bäckerei —*) Ihr kennt sie doch? — bracht sie herbei feine Schokoladcpfefferkuchen und Leckerli — so was muß man sich suchen. Auch eine Wendin — Pomhai Büh. — ") Gemein! ist die Bnutznee Psefferkiichlerei von G. Harnisch am LanenlUkm. Bon Dr. H. St. niedlich und drall, zum Anbeißen! So, die kommt im Kistel oben hin. Ist denn schon was ans derHeidc drin? Ach, die ist sandig, die ist arm. — Doch nährt sie manchen Bienenschwarm und zieht so aus der roten Heide alljährlich süße Zeidelweide. Heuer gibts such davon nicht viel! — Der böse Krieg hat gar kein Ziel — und das tät die fleißigen, friedlichen Immen, die kriegsverwaisten, ernstlich verstimmen! Zudem müssen die Verwundeten viel essen, daß sie über dein Honigden Schmerz vergessen. Grad so ein BUchsel bekam ich noch. Nun hätte das Beste vergessen ich doch bei einem Haar: im Heidejand ich noch die edle Grütze fand. Buchweizen wächst dort ganz allein, muß Weizen und Erbsen und alles sein. Aber den braven Hcidebauern sitzt hinter den dicken Schädelmauern auch ein gut Teil vortrefflicher Grütze. Ich denke, er ist einem jeden nütze; wenn er ihn cinnimmt als Medizin: selbst verlorner Verstand kommt Uber ihn. ! Ich hab es an mir selber erprobt und darum die Grütze stets hochgelobt. Mit Butter und Bratwurst ist sic ein Gericht, ! viel schöner und schmackhafter als dies Gedicht! Nun sei Euch bei aller Kriegs not beschicdcn ein Weihnachten voller Herzensfrieden: denn den kann uns kein Teufel rauben und tät er Gift und Galle schnauben, Lug und Stunk, wie die „Times" bei denBriten und der Grey Nun laßt Euch bitten, nehmt sürliev mit der Lausitzer Gabe, die ich mit Frau Holle beschert Euch habe; der Ruprecht legt noch Tannen reis bei, damit sie recht waldlich-weihnachtlich sei. Nun allen noch Grüße vom Tschorneboh: Feiert am Pöhl**) wie am Mönchswald**) so, betet zum Christfest fürs Vaterland Dankt Golt, dcr uns den Kaiser gesandt und denHindenburg — und inBethlehemsStall den heiligen Christ!— dem sei Ehr überall und zu allen guten und bösen Zeiten! Er wird alles zum besten leiten! ") Die Sendung ging von Bangen noch Anna- berg i. T. 2. Weihnachten 191S. ^um heiligen Christ, der liebreich ist, j kam Ruprecht inmitten ! des Weltkriegs, zu bitten: „Das Mehl ist rar in diesem Jahr und auch die Butter, die Milch — und das Futter. Die Deutschen müssen sparen und zwacken! Keins dars Heuer Stollen backen. Sie wollens entbehren, den Feinden zu wehren, bis ganz sie getroffen, ivic alle hoffen, von deutschen Waffen, die Frieden schaffen. Aber ein ganz klein Wenig, liebreicher Christ-König, von süßen Dingen zum Feste bringen möchl ich für die Leute gerne auch heute! Den Menschenkindern den Kummer zu mindern, damit sie vergessen über dem Esten der Süßigkeiten die bitteren Leiden, die Kriegeszeitcn den Herzen bereiten." Drauf hat dem Alten der Christ gehalten mit beiden Händen das Haupt: „Magst senden deine Zwerge nach Pulsnitz in meiner Lausitz: dort backen noch lecker die Küchler und Bäcker. Dort kannst du noch Kuchen zu kaufen versuchen. Und hast du gefunden, so sei mir verbunden, sie recht zu verteilen. Lebkuchen bisweilrn, wo Lebensmut sank. Aber wo sie trotz Sargen frisch sind und da mögen Makronen jsrank,