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stums stammten. Er stand unter Leitung des Kantors und in dessen Stellvertretung des Präfekten, eines Primaners, der oft ein sehr ehrwürdiges Alter erreicht und in der Musik ganz bedeutendes zu leisten hatte. Der Singechor, der uns in der Görlitzer Kirchen- und Schulgcschichte unter den Namen Okorus ^lu8iou8, 6koru8 8^mplroniacu8, Cantorey be gegnet und dessen Mitglieder auch Lkorul68 heißen, besorgte den Gesang bei den Haupt- und Fest-Gottesdiensten, bei feierlichen Begräbnissen und den mannigfachen städtischen und Schulfeiern; er scheint von der Mitte des 18. Jahrhun derts ab auch am Kurrendesingen beteiligt gewesen zu sein. Sicher wissen wir, daß er am Martinsumgange des Kantors teilzunehmen hatte. Eine besondere Blüte erreichte dieser Chor zur Zeit des schon erwähnten Kantors Döring, wo er sich bis zur künstlerischen Bewältigung der berühmten Bach- schen Motetten aufschwanq. Ebenso ist aus Blühers Zeit im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts bekannt, daß der Singe chor vor den Häusern derjenigen Bürger sang, die ihn durch regelmäßige Zahlung dazu verpflichteten. Das Bild stellt sich um 1800 also etwa so dar: Der Armenschülerchor sang bei seinem dreimal in der Woche stattfindenden Umgänge im langsamen Schreiten einfache Choräle, der Singechor trug vor bestimmten Häusern kunstvollere, mehrstimmige Gesänge vor. Die jetzt von dem Gemeindekirchenrat ins Leben gerufene Kurrende ist keine Wohltätigkeitsanstalt, die Jungen sind keine Almosenempfänger, sondern sie erhalten für ihre Mühe eine angemessene Bezahlung. Lehrer Pinquart hat die Ein übung des etwa 20—25 Stimmen starken Chors übernom men: die Leitung beim Singen in der Stadt, das am Sonn abend-Nachmittag um 4 und Sonntag-Morgen um 8 Uhr stattfindet, besorgt ein Stadtmissionar. Die Kurrende hat sich in der kurzen Zeit ihres Bestehens schon sehr zahlreiche Freundeund Gönner erworben, sie ist auch schon zum Gesang bei Begräbnissen, Hochzeiten, Taufen und andern Familien feiern herangezogen morden. Das ist kein Wunder, denn gerade die heutige Zeit ist besonders geeignet, dem alten schönen, geistlichen und weltlichen Liede, diesem Jungbrunnen deutschen Geistes und Gemüts, neue Freunde zu erwerben, gerade jetzt ist es eine dankbare Aufgabe, bedrückte und niedergebeugte Menschenherzen durch frischen und frohen Kindergesang zu erheben und aufzurichten. Eine meißnisch-lausitzische Heimatdichtung * Von Dr. HansStiibler- Bautzen hat einst seiner schwäbischen Heimat den Balladen- Kranz von Eberhard dem Rauschebart geschenkt. Unser Sachsenland, reich an Sage und Geschichte, hat jetzt in Oskar Ludwig Richter einen Sänger gefunden, ein Ähnliches für unsere Heimat schuf. Über dem Ganzen liegt nach Inhalt und Form auch tatsächlich etwas Säch sisches, etwas Heimatechtes, etwas wie der Hauch der Heimat liebe, der sonnigen, gemütvollen Weichheit, die aus des Namens vetters Ludwig Richters Zeichnungen uns so anmutvoll anweht. Und wenn die Kaiserin Editha, Ottos I. Gemahlin, den Namen der Stadt Oschatz, mit veränderter Betonung zwar, die aber in den Trochäus der Dichtung eingeschmolzen wird, zu einer Liebes erklärung im Wortspiel an ihren hohen Gemahl verwendet, so kling' so echt sächsisch-harmlos — wie blutig-ernst-schwäbisch ck Ühlands: ' I ch u von Meißen uIId das Beilch en vom Cz orne- . i Lied aus dem Sachsenlande von Oskar Ludwig Richtcr- n, Verlag von Louis Mosche. 98 Seiten. Preis 3,40 Mark. „Achalm — stöhnt einst ein Ritter, Ihn traf des Mörders Stoß. „Allmächt'ger! wollt er rufen. Man hieß davon das Schloß." Richters Lied von Martin von Meißen und dem Veilchen vom Czorneboh schlingt einen Kranz von zwölf Balladen vom Meißner Elbgau mit Schloß Siebeneichen über Briesnitz, den alten Burg wart», das damalige Fischerdörfchen Dresden mit seiner alten Liebfrauenkirche, in deren wunderbarem Kuppelbau von George Bährs Meisterhand der Dichter des Liedes wirken darf, über Bischofswerda, die alte Werderstadt an der Wesenitz, über Stadt und Feste Budissin bis zum Missions-Kirchlein am Rande des Lausitzer Granitberglandes, den wendische Neuromantik im neun zehnten Jahrhundert mit Namen wie Hromadnik, Czorneboh u. a. m. schmückte, die die alten deutschen Bergnamen heutzutage völlig verdrängt haben. Es ist das Recht des Dichters, wenn er es zu seinem epischen Gewebe braucht, Altes und Neues durch einander zu flechten. Und wahrlich, es ist vielleicht das Reizvollste au dieser Dichtung, zu verfolgen mit aufmerksamem Ohr, wie hier etwa eine volkstümliche Redensart „vom dummen Jungen von Meißen", dort eine halbsagenhafte Überlieferung von einem Ein siedler Ramfvld in Dresden in die gobelinartige Bilderreihe mit eingewoben, wie fast farblose geschichtliche oder gar neuerfundene Namen zu Gestalten geschaffen werden von Fleisch und Blut; wie selbst kleinste Züge zur Belebung mit verwendet werden, z. B. die berühmte „aufgeblasene" Meißner Fummel: bis man sich satt geschaut an den innerlich entstandenen Bildern aus der Missions- nnd Kolouisationszeit unseres Sachsenlandes ums Jahr 1000. Martin von Siebeneichen, der jüngste Sohn des gewalttätigen Burggrafen Bolko, wird unter der Leitung des Meißner Bischofs Eid (992—1015) Missionar des Wendenvolkes und findet im Kampfe mit den heidnischen Göttergewalten bei der Weihe seiner Missionskapelle Hochkirch durch den Blitz des erzürnten „Lzorne-- boh" den Märtyrertod. Um diesen Hauptfaden des Liedes schlingt sich ein buntes Ge webe von Nebenzügen und Gestalten: vom Kaiserpaar an über den Meißner Markgrafen und Bischof, den Siebeneichener Burg grafen, den Wendenhäuptling und den Polenfürsten, bis herab zum schlichten Zimmermann und der Dienstmagd und dem armen Betteljungen. Die schiichten Verse, vierfüßige Trochäen, werden geschickt unter, brachen von rhythmisch anders bewegten Liedern eines Meißner Sängers, die nach einem dem Dichter geistesverwandten Musiker verlangen, besonders das Lied von der Elbe. Ja, man könnte wün schen, daß das Ganze melodramatisch untermalt würde. Denn für einen Heimatabend als lebensvollen Vortrag wüßte ich kaum in einem sächsischen Verein einen edleren Stoff, so voller Hei matliebe, so voller Sinnigkeit und Humor echt sächsischer Art — und so wahrhaft frommen Sinnes als eben Oskar Ludwig Richters Sang von Martin von Meißen und dem Veilchen vom Czorneboh. Das Büchlein bereitet aber auch dem stillen Leser in seiner beschaulichen Weise edle Freude und ich möchte wünschen, daß es zum kommenden Weihnachtsfest auch in vielen Lausitzer Häusern unter dem Lhristbaum läge. Der Verlag hat cs äußerlich hübsch ausgcstattet: auf dem Titel grüßen uns hübsche Federzeich nungen von Altmeißen und vom sagenhaften „Götterberge Czorne boh , der Druck auf den farbig umrahmten Blättern ist klar und deutlich.Die „Anmerkung" am Schluffe gibtAufschluß über„Wahr- heit und Dichtung" — beim Vortrage des Liedes könnte man sie gut als Einleitung auch vorausschicken. MllllMIIIIIIMIIIIIIIIIIMMMIIIIIIIMIIIIIIIIMMIIIIIIMIUNMIUIMMIIIIMMMIllllllllMMIII glauben keine Fehlbitte W »;u tun,wenn wir imIntsr- ehe der Vertiefung der Liebe zur Heimat in allen Kreisen unsere Abonnenten bitten, die „Gberlausitzer Heimat zeitung" in allen Freundes- und Bekanntenkreisen zu empfahlen Dio Geschäftsstelle der „Gberlausitzer Heimatzeitung" ::