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3H2 Gbsrlauflher Heimatzeitung Ar. 32 Brüdern geheimnisvoll zu. Die schauen mit glänzenden Augen und heißen Wangen nach den noch verborgenen Herrlichkeiten. Heller strahlen die Lichter vom Rande des Korbes. In Tannen grün gebettet liegen fünf Päckchen. Alle mit Seidenpapier umhüllt und einem bunten Band geschmückt. Sogar der Name steht auf jedem Päckchen. Soviel Arbeit hat der liebe Goit. Die Namen aller Kinder auf der ganzen weiten Welt muß er wissen und be halten. Auch das Christkind hat ein schweres Amt in der Advents zeit. Es muß ja genau achtgeben, daß die himmlische Sendung gerade vor dem Pfarrhause an der Marienkirche niederschwebt. „Trude — Hanni — Hans — Hermann —Gotthold." Mit fast ehrfürchtiger Scheu nimmt jedes Kind seine Gabe in Empfang. Sollen die Eltern leer ausgehen? Die Kerzen sind verloschen. Langsam gleitet das leere Körbchen in den sternklaren Abend hinaus. Bonn Fenster tanzen die weißen Flocken. Eben kommt Vater zurück. Seine Kinderschar umringt ihn. „Vater, wo warst du denn so lange? Das Himmelskörbchen ist dagcwesen, Vater. Guck mal, was ich hab. Für dich und Mutter hat der liebe Gott nichts geschickt." Gotthold liebkoste ein schnee weißes Kaninchen. Es trägt ein rotes Band um den Hals und läuft auf Rädern. Unter lautem Trompetengeschmetter lassen Hans und Hermann ihre Soldaten aufziehen. Wir beiden Schwestern decken für unsere Puppen den Tisch mit dem niedlichen blanken Tongeschirr. Jur Feier des Tages gibts Schokolade und Pudding sür die Puppenkinder. Das mögen wir selbst fürs Leben gern. Vater lächelt vor sich hin bei den verschiedenen Ausrufen. „Das Himmelskörbchen kommt nur für euch Kinder, nicht für die großen Leute." . Kinderland, selig Land. Durch die Seele klingts wie einst: Heilige Nacht, aus Engelsschwingen nahst du leise dich der Welt. H. Steu de. Revolutionäre Spielsachen Bon Otto Flösse!, Bautzen pielzeug ist die Welt der Kleinen. Unsere täglichen Gewohnheiten und Hantierungen, erhebende Festlich keiten, hervorstechende Züge unseres Bolkscharakters, einschneidende Geschehnisse freudiger wie ernster Art spiegeln sich — im Lichte des Kindlichen — im Kinder spiel wieder. Puppenküche, Puppenstube, Kaufmannsladen, Dampfmaschine, Pferdestall und Festung gehören in diese Reihe. Was dem Mädchen die Puppe, das ist dem Knaben der Soldat. Keine Frau, die nicht als Mädchen mit der Puppe, kein Mann, der nicht als Knabe Soldaten gespielt hätte. Und wenn es ein Stück Hvlz gewesen wäre, das Kind sah darin seine Puppe. Und wenn es ein aus der Aschs gekramtes Stück Blei gewesen wäre, das — einstiger Husar — weder Arme noch Beine besaß, die kindliche Phantasie verwandelte es in einen Soldaten. Hier offenbaren sich zwei markante Züge unseres Bolkscharakters: das Mütterlich-Seelenvolle und das Männlich-Harte. „Der Mann muß hinaus ins feindliche Leben. — Und drinnen waltet die züchtige Hausfrau, die Mutter der Kinder." Der deutsche Schiller: Das Soldatenspiel ist durchaus nicht international. International aber ist der Fingerzeig auf das Soldaten spielende deutsche Kind. Es ist kein Zufall, daß gerade die Kinder Preußen- Deutschlands im Spiel unzertrennlich verbunden sind mit dem Soldaten, Soldat im weitesten Sinne und mit allem Zubehör als Festung, Bilderbogen, Schiffe, Kanonen, Helm u. a. m. Oder muß man heute sagen: unzertrennlich mit dem Soldaten verbunden waren? Denn heute, wo nicht nur der deutsche Militarismus selbst, sondern auch die Vorstellung von ihm in den deutschen Köpfen und Herzen eine gründliche Wandlung er fahren hat, tut sich die Frage auf, inwieweit die Revolution auch im Kinderspiel Wandel geschaffen hat. Der Krieg hat starken Einfluß auf das kindliche Spiel aus geübt. Er gab dem Spiel als solches besonderes Gepräge, indem er es in eigene, zeitgemäße Bahnen lenkte, und rief eine eigene Kriegs-Epielwarenindustrie auf den Markt. Wir erinnern uns an die Kriegs-Weihnachtsläden mit den U-Booten, Minen, Bomben, schweren Mörsern, Krankenautos, Flammenwerfern, Schützengräben, Unterständen, Drahtverhauen und was sonst noch die moderne Kriegstechnik hervorgerufen hat. Denn es gab tatsächlich fast kein Erzeugnis der Weltkriegstechnik, vom Koch geschirr und Stahlhelm an bis zur ausgebauten Siegfriedstekung, das nicht irgendwie in der Spielwarenindustrie sich wieder gespiegelt hätte. Alle diese Dinge sind, so begehrt sie einmal waren, heute verschwunden ebenso wie die feldgraue Knaben uniform mit dem Eisernen Kreuze I. Klasse und den Achsel stücken oder die Schwesterntracht für Kinder. Es waren Mode artikel, die sich überlebt haben. Das Abflauen des Interesses an derartigen Spielsachen war zu erwarten, man vermutete sogar, daß die „Abrüstung" soweit gehen und das Soldatenspiel überhaupt in Mißkredit bringen und Bleisoldaten, Festungen, Säbel u. dergl. verschwinden lassen würde. Selbst in Kreisen der Spielwarenindustrie hegte man zunächst die Befürchtung und ging nur zaghaft an die Erzeugung von derlei Waren heran. Heute zeigt sich, daß das Soldatenspiel nichts von seinem alten Zauber eingebüßt hat, im Gegenteil, es sind zu keiner Zeit soviel Spielsachen gekauft worden, wie es in den Wochen des Revolutions-Weihnachten 1919 geschehen ist. Die Nachfrage ist so groß, daß ihr nur zu einem kleinen Teile entsprochen werden kann. Das kindliche Spiel ist von der Revo lution nicht berührt worden. Das Soldatenspiel, so alt wie unser Volk selbst, ist zu eng mit den Kindern unseres Volkes und den Gruudzügen unseres Bolkscharakters verbunden, als daß es sich durch Novemberstürme von der Straße fegen ließe. Der deutsche Junge will seine Bleisoldaten, seineFestung, will Helm, Säbel und Gewehr, hängt an ihnen und versteht mit ihnen umzugehen, so wie ehedem, als wir noch nach ihnen verlangten. Die Politik hat unser Volksleben heute anders gestaltet, ins Kinderland vermochte sie nicht einzudringen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß die oder jene Spielwarenfabrik Kinder fahnen statt mit schwarz-weiß-roten mit schwarz-rot-goldenen Far ben herstellt. Unser Verkehrswesen siegt darnieder, unsere Kinder schreiben auf ihre Wunschzettel Eisenbahn, Automobil, Pferde wagen und spielen mit ihnen eifrig wie vor Krieg und Revolution. Unsere Industrie geht lahm auf allen Beinen, unsere Kinder wünschen sich sehnlichst Dampfmaschinen mit Schleifstein, Säge werk, Mühlenbetrieb und was nur irgend dran zu hängen geht, soviel die Maschine treibt und noch mehr. Unsere Arbeit schwankt und stockt, unsere Buben greifen lustig zu Rechen und Spaten und Hammer und Säge. Man könnte Trost finden im kindlichen Spiel in trostarmer Zeit. Die Revolution drang nicht in den Kindergarten, vielleicht wachsen darin Werte, die heute unserem Volke fehlen, vielleicht durchdringt der tiefe Sinn, der immer im kindlichen Spiel liegt, „wenn die Zeit erfüllet ist", unser Volksleben. Der deutsche Junge wächst mit seiner Liebe zum Soldaten, daß der deutsche Mann einst weiß in Stärke sein Mutter- und Vaterland gen feindliche Willkür zu schützen. Der deutsche Junge behält Liebe zu Eisenbahn und Dampfmaschine, und es erkennt der deutsche Mann, daß Handel und Wandel unserm Dasein goldenen Boden schaffen. Der deutsche Junge wahrt sich seine Treue zu Hammer und Spaten und weiß als deutscher Mann, welch Kräfte Arbeit seinem Volke bringt. In solchem Weihnachtslichte erscheint das Spielzeug unserer Kinder unterm Christbaum symbolisch. Wir Alten erhoffen in ihm eine neue Zeit. Ein klingendes Dreigestirn Beethoven /Lin Titan klopft mit starkem Finger an den Himmel: aufmachen! aufmachsn l — Er wird nicht erhört. — Schmerz, Trotz, Hoff nung lassen ihn stärker, vernehmlicher klopfen. — Endlich hört Petrus. Die Himmslstür öffnet sich und der Titan erschaut Gottes Herrlichkeit. Absrwältigt, selig sieht er den Himmel offen. Da sinkt er in dis Knie, ein leises, fnsdsatmsndes Kindsrgebet verklingt: „Lieber Gott, mach' mich fromm, das) ich in den Himmel komm". -