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Hberlausitzev Helmatzeitung Är. 32 3SS Der Schulmeister und Konsulent. Es macht ihm reinstes Vergnügen, Teufe! zu sein. Die Intrige ist ihm ge schätzte Erholung seiner Mußestunden. Daß er durch sie zu gleich den Interessen seiner Tochter dient, nun ja, er nimmt das mit, aber Hauptsache ist es ihm nicht. — Aus hundert Verlegenheiten weiß er tausend Ausflüchte. Schade, daß cs kurzen Worten unmöglich ist, eine Probe feiner Fertigkeit zu geben! Ist sein Geist ausnahmsweise einmal nicht recht flüssig und sind seine Natskollegen gar zu widerborstig, so hilft er sich mit Aufschub: „^stru reZunt bomin68, in mei nem Kalender steht heute eine zanksüchtige Konstellation (Sternbild), lasset das Werk etliche Tage anstehen, bis der Mond voll wird!" Oder er läßt sich, hat er vorher Wind be kommen, ans der Sitzung abrusen: „Fanget nur in meiner Abwesenheit keine Händel an!" Und lächelnd windet er sich zur Tür hinaus. Nur ja keine'Blöße zeigen! Er weiß, was Würde heißt. „Was ich tue, das ist getan; was ich schreibe, das ist geschrieben." Natürlich hat er auch kleine Schwächen. Auch irren, oder wie es bei den Gelehrten heißt, Zerstreut sein, ist menschlich: So überhört er bisweilen, wenn jemand um seine Dienste bittet. Doch dann braucht man ihn nur auf merksam zu machen —etwa durch den Klang eines „sieben- köpsigten Ortstyalers". „ul umeris, smsbilck 68tc>"— das heißt auf deutsch: „wer schmehrt, der seyrt." Und jalls man nicht das Pech hat, daß ein Gegner ihm einen „vierundzwan- zigköpfigten" zeigt, so kann man überzeugt sein, daß die Angelegenheit in guten Händen ruht. Doch es wäre ungerecht, ihn habgierig zu nennen: es kann vorkommen, daß kleinem der Pickelheringskandidaten rät, dem Schöppen zwanzig Taler in die Tasche zu stecken — falls es gilt, einen Taler für sein geliebtes „Kümmelwasser" zu gewinnen Ein kluger Realpolitikus, ein wahrer Finanzmann, der nicht nach dem Adler in der Lust greift, kann er die Taube aus dem Dache haben. Wahrhast wütend kann den weltüberlegenen Stoiker nur eines machen: der Versuch' es seinem glänzenden Latein gleickzutun. Pazisontius hat es — zorngereizt — einmal gewagt, auf seine lateinische Frage eine richtige lateinische Antwort zu geben. Das wird ihm schlecht bekommen! „Olim M6mini886 juverbit, ich will» ihm wolgedenken!" Fassen wir zusammen über Weise als Schöpfer von Charakteren! Helden, wirklich ausgeprägte Gebilde, ge lingen ihm nur drei: der verschlagene Scibilis, die resolute Substantia, der viehische Merten. (Schluß folgt.) Ein altes Weihnachtsfestspiel Bon E. Brückner, Schuldirektor i. R., Radebeul /Z^^^^anch liebe Erinnerung an die eigene, weit zurück- liegende, in Reichenau verlebte selige Kinderzeit sM/sM/K M Hal der eigenartige Glanz und Zauber des Weih- nachtsfestes und die unmittelbar darauf folgenden Festtage in mir wachgerufen: wie wir in Gemein- vieler Erwachsener bereits einige Zeil vor dem Feste das sogenannte Rollesche „Krippet" besuchten, ein Er zeugnis schlichter Volkskunst, neben der Geburt des Heilands zugleich auch die Leidenszeit plastisch darstellend, und mit bibli schen Worten kurz erläutert. Neben dem heiligen Abend, den die Christnacht im Gotteshause einleitete, und wo jedes Kind seinen größeren oder kleineren „Wachsstock" mitbrachte und in Andacht und Stille dem Kinder gesang und dem Weihnachtscvangelium lauschte, übte dann neben dem Erscheinen des Christkindleins und des Ruprechts auch das in weihnachtlicher Zeit viel dargestellte „Dreikönigs spiel" auf uns Kinder einen eigenartigen Zauber aus. Daß es mich Alten in schlehweißem Haupt- und Barthaar heute noch einnimmt, erklärt sich daraus, daß ich selbst seinerzeit in der be scheidenen Rolle des 2. Weisen darin mitgemimt, und mit einer Anzahl andrer jugendlicher Kunstjünger in unsrer schlichten Aus staffierung und ohne allen Kulissenzauber weihnachtliche und fest- iiche Stimmung in weitere Kreise getragen habe. Als ich seinerzeit in meinen „Iugenderinnerungcn" darüber berichtete, gab ich meinem Bedauern darüber Ausdruck, daß außer einem bescheidenen Bruchteil mir der Wortlaut des ge nannten Epos ganz entfallen wäre. Zu meiner Freude und an genehmen Überraschung ging mir bald darauf von lieber Seite aus Reichenau der volle Text der volkstümlichen Dichtung zu. Da war 'die Freude des Wiedersehns mit einem so lieben, alten Bekannten aus der goldnen Jugendzeit bei mir groß, und es ist zu verstehen, daß ich die mir freundlichst übersandte Niederschrift „im Schrein, am Ehrenplatz, verwahrte." Wenn ich sie nun am Dreikönigstage wieder daraus entnahm und still für mich durchlas, so war das für mich nicht nur eine liebe Erinnerung, sondern eine Pflicht der Schätzung und Pietät gegen ein zwar schlichtes und naives, aber im Grunde doch edles und wirksames Erzeugnis der Bolkspoesie. Und solche, wo sie vorhanden, zu heben und zu stützen, dahin geht ja jetzt mehr als wie sonst das Bestreben weiterer Kreise. Als Freund'solcher volkskundlichen Bestrebungen glaube ich deshalb recht verstanden zu werden, wenn ich den Lesern der Oberlausitzer Heimatdeilage nachstehend die Dichtung im Wortlaut wiedergebe. Die drei Weisen aus dem Morgenlande. Weihnachtsfestspiel, auszuführen von 5 oder 6 Kindern. Personen: König Herodes, Diener des Königs, genannt Marschall, 1. Weiser, zugleich auch Tod, 2. Weiser, 3. Weiser. Der König trägt eine Krone, einen langen Säbel, ein Zepter und ein buntes Band über der Brust nebst einigen Orden; der Marschall auch einen Säbel, ein buntes Band und eine nach geahmte militärische Kopfbedeckung. Die drei Weisen tragen über der Kleidung ein weißes Hemd, ein buntes Band über der Brust und um den Leib, einen Stab in der Hand und eine ge zackte Krone, der I. Weise außerdem noch eine schwarze Krone und eine nachgeahmte Sense, die sich leicht und schnell an den Stab befestigen läßt. Die drei Weisen stellen sich dem Könige gegenüber. Der Marschall bleibt abseits stehen und der l. Weise beginnt als Einleitung: Gefällt es euch, ihr werten Freunde, Bon dem Herodes, Fesu Feinde, Zu hören, wie er hat getracht Nach Jesu Tod mit List und Macht, Und wie er viele Kindlein töt't, Wie er vor Scham sich selbst verrät, Wie sichs die Weisen lass'n anstehn Und heim auf andern Wegen gehn. Die Weisen knien nieder und singen Gesangbuchlied Nr. SO Vers 3: Ach mein herzliebstes Jesulein usw. - König Herodes: Was hör ich denn jetzt für ein Singen? Wer will mich um die Krone bringen? Herodes werde ich genannt, Das Zepter sühr ich in der Hand, Das blanke Schwert an meiner Seite, Womit ich wider alles streite. Es mag Fürst oder König sein, Es darf nichts in mein Land herein. Wo bist du, Marschall, komm herein, Und frag, was das für Leute sein. Marschall, an die Weisen herantretend: Wo seid ihr her, ihr lieben Leut? Aus welchem Lande kommt ihr heut?