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Friedel setzte sich an den Tisch ihr gegenüber, und fuhr mit dem Blechlöffel recht mißmutig in die Kartoffeln. „Nanu!" kreischte die Alte auf. „Is doas menschmeeglich? Junge, itz vergißte wull goar noa's Batn? Su, su, drno is kee Wundr! Wu's Batn uffhirt, do Hirt o di christliche Zucht uff, do is Unzucht, Sinde, Unglick, Murd und Tudschlag! Kumm, Herr Jesu, sei unser Gast und segne, was du uns bescheret hast! Amen!" Die Löffel schabten in derPfanne. Friedel legte den seinen gleich wieder hin. „Itz wird gassn!" „'s schmeckt nimieh!" „'s schmeckt nimieh? Nee, satt ok ees dan Haiglsjung oa. Neundreißg Fuhre hoate ar Obd fr Obd gewärmte Adern gassn, und uff eemol schmeckn s' 'n nimieh!" „Abn doastrwaign! Neundreißg Fuhre, Obd fr Obd!" „Woas soll denn doas Hessin?" „Ich hoas'n soat, solls Hessin! Fch hal's nimieh aus su!" „Wenn doas dei Boatr Hirte! Woas is denn englch a dich gefoahrn? Du bist uff'm bestn Waige zi vsrdarbn. Du willst wull assn wie die Grußn? Dir is doas wull zi geringe, woas deine Mutter ißt? O jemrsch, jemrsch, woas war ich ok noa a dir drlabn?" Fürchte Gott, fürchte Gott! rief die Wachtel dazu. Aber Friedel hörte beide nicht. Er antwortete nicht und ging zu Bett. Die Lettenhanne aber nahm die Postille vom Balkenbrett, setzte sich die große stählerne Brille auf die Nase und las ein Kapitel vom kindlichen Gehorsani und einen Psalm vom allgemeinen Verderben der Menschen, „eine Unterweisung Davids, im Chor um einander vorzu singen". Dann flehte sie inständig für das Seelenheil ihres Fungen: denn sie merkte gar gut, daß das erst der Anlauf war zu dem Wege ins Verderben. Am andern Morgen, gerade zu der Zeit, da der Letten- friedel in den Wald zu gehen pflegte, geschah es, daß der Gärtnerbauer am Bache heraufkam. Als er dieTür des Letten häusels öffnen hörte, trat er hinter einen Erlenstrauch. Er war ein großer starker Mann mit strammem Schnurrbart und blitzenden blauen Augen, seine Beine steckten bis an die Knie in blanken Stulpenstiefeln, so daß er sehr unternehmend aus sah und ihm die Flucht hinter den Strauch recht komisch stand. Der, auf den er wartete, kam heran, wandte sich ein paarmal um und versicherte sich, daß die Spähaugen der Mutier ihn hier nicht erreichen konnten. Der Gärtnerbauer räusperte sich und spuckte unternehmungsmutig in den Bach. Aber er kam Friedeln mit seinem Gruße zuvor und verleugnete von diesem Augenblicke an sein protzenbäuerisches Wesen. Nun schritten die beiden Männer — will sagen, der alte Junge und der etwas jüngere Mann — selbander den ver grasten Weg auswärts dem Wald zu. Der Bauer redete eifrig, machte aber ab und zu eine kurze Pause, um seinem Begleiter Gelegenheit zu einem Kopfnicken und brummender Zustim mung zu geben. Oben am Waldrande blieben sie stehen und wandten sich um. Der Gärtnerbauer schien Friedeln etwas zu erklären: denn er zeigt eifrig nach verschiedenen Punkten im Tale, einmal nach seinem Gute, dann nach dem Letten häusel, dann nach einer anderen Stelle; dann zeichnete er mit beiden Händen einen großen Bogen in die Lust, schnitt einen Zwickel in diesen Bogen und rundete ihn wieder ab. Die Lettenhanne fütterte derweil die Wachtel, welche schon wieder vergessen worden war, und ahnt nicht, was der miß ratene Junge trieb. Aber das Häuschen selber schien es zu wissen. Seine kleinen Fensterlein blickten so traurig, das Schobendach hing so trübselig hernieder und die Haferhalme darauf neigten so schwermütig ihre Köpfe. Und cs war doch ein so taufrischer, fröhlicher Morgen. Als die Lettenhanne vor dieTür trat, um den klaren Quell, der aus einer bemoosten Holzrinne in einen Graben plätscherte, in ihren Kannen aufzufangen, klang das Spottgelächter eines Spechts herüber. „Halts Maul!" brummte sie und schlürfte mit den gefüllten Kannen hinein. Aber der Specht flog auf einen näheren Baum und ließ sein Gelächter noch lauter er schallen. Die Lettenhanne schlug zornig die Türe zu. Abends tat Friedel die Axt wieder mit einem Seufzer an ihren Ort. Die Hanne stellte ihn wieder zur Rede. „Ich hoa's 'n soat. Ich will nimieh ok a Hulzer senn!" Die Lettenhanne fuhr in der Stube umher wie eine gereizte Wildkatze im Käfige. „Nimieh ok a Hulzer! OK a Hulzer! SeiVoatr is a Hulzer gewast. Hoat a iehrliches Brut gassn! Oka Hulzer! Oka Hulzer! Gott widerstehet dem Hoffärtigen, aber dem Demütigen gibt er Gnade! Herr Gott, ziehe nicht ins Gerichte mit diesen Hoffärtigen!" Plötzlich blieb sie sau- chendvorFriedelnstehen: „Junge,woaswillste denn oasang? Woas fr an sindhoaftnPloanheckstedenn aus? Is denn ba Dir do hubm nimieh richtg!" „Ich denke abm groade, itzs fängt darduiche Seeger do oarscht oa, richtg zi giehn," antwortete Friedel, sich mit dem Zeigefinger derb auf die Stirne tunkend. Dr Boatr is a Hul zer gewast sei Labm lang. War spricht denne, daß ich o mei Labm laug mit dr Axt au Busch lofn full! Koann ich ni woas andrfch drgreifn? Koann ich ni noa woas larn und mich an Stuffn hicheroarbeitn?" „O Gutt! Hier uff! Du Hochmitiger! Hicher »arbeiten! War vrlangt denn doas? Woar Dei Boatr ni a geachter Moan? Du sollst Deinen Vater und Deine Mutter —" „Ich iehre wenn Boatr. Aber ich denke, a Minsch wie ich muß falber woas larn und vrfuchn. Ich denk mr, ane kleene Wirtschoaft mit anrKuhn und zwee Ziegn und a poar Schef feln Feld! Iu, doas wär schunn woas!" „Junge!" Friedel, der diesen hochfliegenden Plan beinahe schwär merisch vortrug, taumelte jetzt vor der knochigen Faust der Alten zurück, daß selbst die Wachtel erschrak, in einen Winkel ihres Bauers flatterte und ihren frommen Mahnruf nicht mehr vernehmen ließ. Es war eine Stille in der Stube, wie in einer Nachtstunde auf dem Bahnhofe, wenn die Leute sich verlaufen haben und nur die Lokomotive noch faucht und zischt, wie wenn sie zerspringen wollte. Die Lettenhanne langte nach der Postille und laut las sie: „Ein Lied Davids im höhern Chor. Herr, mein Herz ist nicht hoffärtig und meine Augen sind nicht stolz; ich wandle nicht in großen Dingen, die mir zu hoch sind. Ja, ich habe meine Seele gesetzet und gestillet; so ist meine Seele in mir wie ein entwöhnet Kind bei seiner Mutter. Israel, hoffe auf den Herrn von nun an bis in Ewigkeit! Amen." Sie nahm den Blech leuchter mit dem Lichtstumpf und ging hinaus. Friedels Herz war verstockt. Er schlug das Lied im höhern Chor in den Wind und wollte noch in dieser Nacht großen Dingen nachgehen. Er löschte die Lampe aus und horchte öfter die Treppen hinauf, um sich zu überzeugen, ob die Mutter schlief. Dann schob er leise den großen Holzriegel der Haus tür zurück und schlich sich fort. Am folgenden Vormittage bekam das Lettenhäusel Besuch. Der Gärtnerbauer war es. Heute ließ er seine Macht und Würde zur Geltung kommen. Er schlug die Türen zu, daß die Fensterscheiben klirrten. „Morgen, Hanne!" „Herrjemersch, dr Gartnerbauer! Woas treibt denn dan har?" (Fortsetzung folgt.)