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Gberlaufltzev Heimatzsttung SSI -Nr. S2 kennen," da ruft er aus: „Es ist erlogen, daß ihn alle Bauern kennen, ich miiste ihn ja auch gesehen haben." Die alte Treu herzigkeit hat er nicht verloren. „Ja nun, Herr Fürst, weil wir so eines Handwerkes miteinander sehn, so wolle ich doch sehen, was Er macht." Als ihn das Gefolge seiner Furcht vor dem Schermesser wegen aufzieht, weiß er nicht recht, ob es Schabernack oder höfische Sitte. Doch wie kann man Fürsten äffen? Es muß schon stimmen — er ist Fürst. Das will er mit Fäusten beschwören. „Wer mich einen Bauer heiset, dem wolt ich in den Nacken schlagen." Der Einladung des Fürsten vermag er nicht zu widerstehen. Das Bewußtsein, geliebt zu werden, macht ihn liebenswürdig: „Nu, lieber Herr Fürste, allerschönster Landesvater, eure Frau läst mir doch nicht vom Halse, bis ich komme; sehet nicht scheel, daß ichwieein Beerenheuter davon lauffe!" Merten ist nicht kleinlich. Nach dem die Fürstin den allzu Aufdringlichen ihren Zofen aus geliefert hat, nimmt er auch mit Zofen vorlieb. Fressen, saufen, lieben — das ist sein Spruch. Und wie verschmitzt der alte Bursche in seinem Fache ist! Als er die beiden am Arme hat, verschweigt er mit seiner Diplomatie, welche ihm am besten gefällt. Ais man ihm bei einem kräftigen Schluck den Fürsten wieder abspülen will, geht die bäuerische Rauflust mit ihm durch. Er zieht den „Degen", einen Fuchsschwanz, um jeden zu durchbohren. Den Fürsten will er ohrfeigen. — Als Bauer Mierten wieder auf der Straße liegt, meint der Fürst in ihm: „Ich bin auch wohl kein Bauer nicht." Die gräflichen Diener ringsum, die ihn versuchten Totschlags zeihen, die sollen ge träumt haben. Und als die schelmischen Zofen des Pudels wahren Kern besehen kommen, da springt sein liebend Herz nochmals auf. Diese Inhaltsübersicht mußte Störungen der dramatischen Architektur, Wiederholungen und Umbiegungen natürlich außer Betracht lassen. Das innere Fürstentum Mertens läuft nicht den sauberen Gang einer Dachlinie (Anstieg, Gipfel, Abstieg), es windet sich als Wellenlinie. Seine beiden Pole, die Liebe zur Gefräßigkeit und die Gefräßigkeit in der Liebe, drehen sich umeinander in endlosem cia cmpo. Die einzige Steigerung beinahe in diesem Fluten ist, daß es erst Marzi pan und dann Pasteten gibt. In humorvollen Einzelheiten aber ist Weise auch hier Meister. Auf Schritt und Tritt läßt er dem „hohen Herrn" das grobe, bäuerliche Sacktuch ein wenig zur Tasche herausschauen. Und auch vor dem Psycho logischen alle Achtung! Das Hangen und Bangen in schwe bender Pein, die Zweifel, die den Ärmsten befallen, als er auf der Grenze der beiden Naturen steht, das ratlose Auf und Nieder der aus ihrem Ich gehobenen Seele weiß er vor trefflich zu schildern. Das frischeste aller Lustspiele Weises ist: „Der bäurische Machiavellus" Den Kern der Handlung bilden dieInteresscn dreier Bur schen, die sich um den freigewordenen Pickeiheringsposten (Narrenposten) zu Querlequitsch und — als Mittel zum Zweck — um die Herzen, besser: um die Hände von Hono- ratiorentöchtern bewerben. Eine ähnliche Sache wie in Kellers „drei gerechten Kammachern". Nur herrscht in diesen straffere Einheit: die drei feindlichen Elemente sind auf dem engen Boden einer Werkstatt zusammengefaßt; die Fäden ihrer Herzen verschlinge» sich in einem Knoten und vor allem: sie sind es selber, die den Knoten knüpfen. Das ist hier nicht der Fall. Werbende und Sich-Bewerbende sind Bälle, die von den Taschenspielerhänden des Schulmeisters, ihrer Schwiegereltern und anderer Ortsgrötzen nach einem jeweilig bestimmten Ziele gestoßen werden — durch mancherlei klein» Bogen, hin und her, wie beim Croquetspiel, bis es dem Gauner der Gauner, dem Schulmeister und Ratskonsulenten, gelingt, das Spiel zu seiner Kinder Gunsten zu beenden. (Die Beispiele! werden mit rasch geschaffenen Amtchen ge tröstet. So wäte der eine beinahe „Inspektor überdie Stadt mauer" geworden, „der oben die Käfer und unten die Gänse wegjaget; denn wo dergleichen Ungeziefer überhand nimmt, da gehet unsere Fortifikation zu Grunde.") Einige der Nebenfiguren sind altes Erbgut. Da ist der kriegerische Bramarbas des antiken Lustspiels, der Querle quitsch zu Grunde richten wird, falls man nicht den wählt, den er zum Pickelhering ausersehen, der die liebt, die „lange Geschenke und kuitze Worte" machen, vorausgesetzt, daß diese Worte nicht ein Lob auf seinen Kriegsruhm sind. Da ist Iuniperus, der Pfaff der alten Schmankbüchcr, der es mit der Frau des Genchtsscholzen— doch ich will schwei gen und nur noch verraten, was schon bekannt, daß er eine rote Nase und einen beträchtlichen Bauch sein eigen nennt, trotzdem er „zwier" in der Woche fastet, dessen Latein aus vierWorten besteht: Lrecio quociLcciesiu creriit (Ich glaube, was dieKircheglaubt),^derzusammenfährt, sobaldeinFrem- dcr naht, aus Furcht, er könne vielleicht Latein, und der zwar nicht mit Geld, wohl aber mit „zehnfachem Segen" jederzeit dienen kann. —Und dann kommen die, die Weise allüberall in deutschen Landen traf und von denen—wie man sagt — der und jener noch heute leben soll: die Väter der Ge meinde, jene unselbständigen, verschlagenen, rachsüchtigen, kleinlichen, feigen, bestechlichen Biedermänner. Wenn ihre Wortführer sich wütend in die Haare fahren, da schweigen die Mitläufer. Doch sobald die Gefürchteten nach Hause sind, lösen sich die Zungen. Und dann die drei Bewerber: Ciacoul, der am wenig sten Energielose; Ziribiziribo, der „Immer-lustik" — der Anwärter aus die grobe, handgreifliche, schmähsüchtige Schul meisterstochter Risibilis. den ein französisches Liedchen allzeit auf der Höhe guter Laune zu erhalten weiß, und endlich Pacifontius, ein seiger, gutmütiger Phrasenheld und die Verkörperung seines Stammes. „Du Lumpenhund," so ruft er dem Schulmeister nach, der ihn und seine Braut sehr un gebührlich behandelt hat, „du Lumpenkerl, warum wartest du nicht, bis meine Schwiegermutter herauskommt?" Die würde es ihm schon zeigen, denn sie ist die Frau des Genchtsscholzen und heißt Substantiv! Sie ist eine der prächtigsten Gestalten Weises. Ihr Thema heißt: Unter die Haube mit ihr! (mit ihrer Tochter nämlich) — wie? anwen? — gleichviel! Dieser Melodie weiß sie jede Art der Beglei tung beizugeben. Bald flötet sie süß : „Ach mein liebes Hertz gen," so spricht sie zum Verwalter, als er das Zünglein der Heiratsmage ist, „wir haben ja wol einander ein bißgen lieb gehabt. Solte die alte Bekanntschaft nicht soviel werth seyn?" Noch besser weiß sie Pauke und Brummbaß zu spielen. Einem Hagel gleich prasselt sie in den Sitzungssaal der widerborstigen Gemeindcräre: „Ha, du schmutzigter Partitenmacher," schnaubt sie den Vorsitzenden an, „was hast Du vor einen oerlauffenen Schelmen, der mich und die Meinen verdrängen sol! O Du kahler Bettelhund, wer wärest Du, wenn Dir mein Mann nicht hätte zur Frau verhalfen? Ich wil euch weisen, was eine Gerichtsscholzin aus den Schau bänken (im Rathaus) zu tun hat! Flugs, ermehlet mir den selben, den mein Herr haben will, oder er sol von mir ermehlet werden." Als Pazifontius, ihr gehätscheltes Schwiegersöhn- lein, alle Aussicht auf Anstellung verloren hat, soll ihm „ein Mlckftopf an den Kopf fliegen," falls er sich nochmals mit ihrer Tochter blicken läßt. Ihr Mann, der schläfrige, zage, ist dieser Naturgewalt gegenüber machtlos. Nur einer ist ihr ebenbürtig, ja überlegen, weil gewandter.