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Jagden in den Zeiten der Leibeigenschaft, Erbuntertänigkeit und Fronden dem düstern, dunklen Zeitalter der Leibeigenschaft bilden die Jagden ein besonderes Kapitel unter den bedeutenden Lasten, die den Herren geleistet werden mußten: denn die Iagddicnste waren für die Bewohner aller Ämter und Bezirke unseres Heimatlandes eine fast unerträgliche Bürde. Lassen wir unsere Gedanken zurückschweifen in das 15. und 16. Jahrhundert, und sehen wir unsere Wälder im Geist in größerem Umfange als heute. Viele Waldungen mit großer Fläche sind inzwischen derKultur gewichen. Sehen wir das Wild an. .Da lebten nicht nur die heutigen Wald tiere, sondern sie waren noch außerdem mit beutelüsternen Wölfen, Luchsen, Wildkatzen und Bären reichlich bevölkert. In dem Jahr hundert nach dem 30 jährigen Kriege boten unsere Wälder das selbe wilde Bild. Bedeutend erschwerte die Jahreszeit, in der man die Jagden hielt, die Iagddienste. Die Wolf- und Luchsjagden fanden in den strengsten Wintermonaten statt. Städte und Dörfer mußten die Treiber stellen. Bei vielen Jagden betätigten sich mehr als 500 Treiber. Da diese Dienste keiner Regelung und Begrenzung unterlagen, mußten die Untertanen erscheinen, „so oft sie erfordert" wurden, und nicht nur zu den Jagden im eigenen Mut, sondern auch in ferneren Gegenden. Die Bauern mußten die Iagdgeräte dahin bringen und auch zurückfahren. Nicht selten kam es vor, daß die Treiber mehr als eine Woche von ihrer Behausung fern blieben. Nicht selten wurden sie bei dieser Last und Bürde von rohen Forstbeamten mit Schimpf behandelt oder sogar mit Miß handlungen traktiert. Gar oft lagen die Treiber des Nachts unter dem freien Himmel oder in einem schmutzigen Stalle. Als Lohn sür-alle Entbehrungen, Mühen und Gefahren erhielten sie täglich 2 Groschen, ein paar Haferbrote und. einen Käse, dazu ein „Kändel mit Bier". Diesen beschwerlichsten allerDienste erleichterte sich im Iahrel619 die Stadt Radeberg und 9 Dörfer der Umgegend durch eine Bitt schriftanden damaligen Kurfürsten, sie unter gewissenBedingungen von den drückendsten derselben zu befreien. Gegen eine Ab lösungssumme von insgesamt etwa 1150 Gulden wurde diese Bittschrift genehmigt. Unter allen Jagden bildeten die Wolfsjagden die größte Last. Sie wurden namentlich im Stolpner und Hohnsteiner Amte ab gehalten. Mancher Treiber kehrte von einer solchen Jagd nicht mehr in die Heimat zurück: mancher blieb in Schnee und Kälte liegen und kam elend um, andere zerrissen die wilden Bestien. Bei hoher Geldstrafe durste niemand fernbleiben: Bauern, Häusler und Mietslcute waren dazu gleich verpflichtet. Nach den Radeberger Amtsakten wurde auch in diesem Amte noch im Jahre 1740 eine Wolfsjagd abgchalten. Vom Januar des Jahres 1644 ist in den Stolpner Gerichts- amtsattten eine Wolf- und Luchsjagd erwähnt. Zu dieser Jagd sollte „die halbe Mannschaft" kommen. Dies waren 250 Mann. Durch folgende Amtsverordnung wurden die Treiber zum Dienst befohlen: „Demnach gleich dieser Churfstl. Sr. gestrengen Be schlich ankommen, daß die Amtsuutertanen morgendes Tages auf der Wolfsjagd sich einstellen sollen, als: die Richter, Bauern, Heusler, Hausleute, daß ein Jeder morgen, Montags frühe mit dem Tage zu Lohmen beim Förster sich einstellen, auf 8 Tage Essen mit sich nehmen und bei der angeordneten Iagdstrafe nicht ausblciben soll." Diese Amtsverordnung spricht für sich, so daß jede weitere Bemerkung überflüssig ist. Erscheint uns heute schon eine solche Leben und Gesundheit gefährdende Jagd alp eine fast unerträgliche Bürde und als ein grober Eingriff in die Freiheit des einzelnen Menschen, so wiederholten sich diese Jagden im Winter mehrmals. So währten die Wolfs- und Luchsjagden im Winter des Jahres 1687 im Amte Stolpen vom 10. Januar bis zum 5. März mit nur 5—71ägigen Unterbrechungen. Infolge der Ungunst des Wetters — der Winter war sehr kalt und schneereich — blieben so viele Treiber zurück, daß die Ortschaften im Amte Stolpen insgesamt 1400 Gulden Strafe zu zahlen hatten. Die davon betroffenen Dörfer baten wehmütig um Erlaß der hohen Summe, sagten: daß sie bei ihrer Armut und Blöße sich nicht in die Winterkälte hätten wagen können, zudem Weib und Kinder daheim in Sorge und Angst um den Vater vergangen sein würden. Ihnen wurde die Hälfte der Strafe gnädig erlassen. Noch am Ausgang des 17. Jahrhunderts hat es hier Luchse gegeben. In einem kurfürstlichen Befehl vom 7. April 1696, das Amt Stolpen betreffend, heißt es: „Es sollen die Untertanen unseres Amts Stolpen sich sehr ungehorsam bezeiget haben und dadurch, daß viele Wölfe und Lüchse entkommen und durch gegangen, verursacht haben." Im Jahre 1653 wurde bei einer kurfürstlichen Jagd die letzte Bärin erschossen, nachdem sie 6 Jäger, darunter 2 tödlich, ver wundet hatte. Wölfe wurden auch gefangen und zwar nachrichtlich in Fisch bach, in der Massenei, in der Waldhufe des Bretniger Ritter gutes. Zu diesem Zwecke grub mau tiefe Gruben und verdeckte sie leicht mit Fichtenzweigen, so daß die darauf tretenden Wölfe in die Tiefe stürzten. Im Winter des Jahres 1698 ertrank in der Bretniger Hufe ein Mann in einer solchen Grube. Da der artige Unglücksfälle auch anderwärts vorkamen, so wurden die Wild- und Wolfsgruben durch kurfürstliche Erlasse vom Jahre 1720 und 1721 verboten. Das Wild wurde sorgsam gepflegt. Schreckliche Strafe drohte dem, welcher ein Stück unberufenerweise tötete. Darum vermehrte es sich in das Unendliche und wurde so dreist und furchtlos, daß es dem Landmanne die Saaten und das Kraut vor den Augen wegfraß und im Winter ungescheut in die Dörfer und Städte kam. Sogenannte Wildner bewachten den Forst und beaufsichtigten das Wild. Jeden Wilddieb oder den sie dafür hielten, erschossen sie ohne weitere Umstände oder hingen ihn an einen Baum und nagelten ein Hirschgeweih darüber. Wurde ein Wilddieb lebendig eingebracht, so band man ihn auf einen Hirsch und ließ diesen so in den Wald laufen. Hatte es trotzdem jemand gewagt, ein Stück Wild zu töten, ohne daß dessen Name bekannt wurde, so mußte die Gemeinde den Zorn des mächtigen Forstbeamten und der empörten Jägerei lauge fühlen. Der Landbau wurde der Jagd geopfert. Beschwerden des geplagten Landmannes, der auf seine Grundstücke hohe Steuern geben und schwere Dienste leisten mußte und seinen Ruin vor Äugen sah, wurden nicht gehört oder nur mit Schimpf und Hohn erwidert. An Schadenvergütung war nicht zu denken. Viel Schaden richteten oft die Forstbeamten au, wenn sie zur Sommerszeit das Hochwild in den Getreidefeldern der Bauern aufsuchten. Neuen Kummer brachten im Herbst die Treibjagden, die in zahlreichem Trosse über die Spätfrüchte ging. Selbst im Winter kamen die Saaten nicht zur Ruhe. Bei mildem Wetter und schneefreier Erde wühlte das Schwarzwild die Wurzeln auf. Marder, Iltisse und andere Raubtiere gefährdeten das Federvieh, oyne daß au Zinshiihnern und Zinseiern auch nur wenig nach gelassen wurde. Herden von Wölfen brachen in die Ställe ein und zerrissen manches Stück Vieh. Bekümmert und bedrückt schaute der Landmann hilf- und wehrlos auf sein Elend. Vor allem war in der Dresdner Heide das Wild unglaublich zahlreich geworden, so daß sich die Bauern gezwungen sahen, Wächter in das Feld zu stellen. Diese kamen oft in Lebensgefahr, durften aber trotzdem bei strenger Ähndung kein Gewehr bei sich führen. August der Starke war der erste sächsische Fürst, der die Wild schäden vergütete und den allzugroßen Wildstand durch große Jagden beträchtlich verminderte. Wie ungeheuer groß der Wildstand in unseren Wäldern war, beweist und veranschaulicht die Tatsache, daß Kurfürst Georg 1. während seiner Regierungszeit von 1611—1656 allein 113481 Stück Wildpret erlegte, darunter 17800 Hirsche, 29000 Wild schweine, 19000 Füchse, 12000 Hasen, 203 Bären, 3543 Wölfe, 900 Dachse und 200 Luchse. Johann Georg II. schoß in 2 Jagden allein 2500 Stück Wild pret, darunter einen 22-Ender im Gewicht von 10 Zentnern. Wenngleich der Wildstand im 18.Iahrhundert verringert wurde, so war er doch noch so groß, daß er die Hauptursache zu dem