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Spätherbst Vom Turm ertönt der Absndjegsn, Der Lärm des 'Tages klingt nun aus. Da fängt es lsij' sich an zu regen Im Garten hinter dem Armenhaus. Da ruhen unter den hohen Bäumen Dis Alten auf niedrig steinerner Dank, And jüstes Daunen und leises Träumen Weht duftend den Gartenpfad entlang. Sie sind nun müd dis Augen, dis trüben,. Die Kraft zur Arbeit ist längst nun hin» Vorbei ist das laute Hassen und Lieben, And leise nur spricht noch der träumende Sinn. And sie fallen hernieder, die Blätter, dis feuchten. Dom linden Lusthauch stille verweht. And im letzten Scheins des Absndleuchtsn Der späte Herbsttag zu Ende geht. Elijabsth 6 teude. Kirjchau s Erinnerungen a enn verhosten Karin aus dr Aberlausitz lebte in Großschweidnitz bei Löbau um dke UMMuV Milte des vorigen Jahrhunderts. Mein Schwieger» oater, welcher ihn als junger Bursche gekannt hat, mir folgendes von ihm: SÄtzW Der „oer hoste Karle" hieß Noack. Er besaß ein kleines Haus am Dorsabhange, welches heule noch steht. Davor befindet sich eine „Plumpe". An dieser hing sein gan zes Herz. Mit ihr durfte nichts unrechtes geschehen. Sie beob achtete er von seinem „Gezehe" aus mit strengen Mienen, und sobald sich ein Doifjunge am „Plumpenschwengel" zu schaffen machte, pochte er donnernd ans Fenster oder kam wütend heraus und vertrieb ihn mit vielen Schimplworten. Da den Dachungen Noacks Schwäche für die Plumpe bekannt war, ging wohl keiner an dem Hause vorüber, der nicht mindestens einmal den eisernen Schwengel gehoben hätte. An den lustig wirkenden Zornesausbrüchen des alten Noack ergötzte sich eben jeder echte Dorsjunge. Eines Tages war im Winter noch oorhergegangenen großen Schneefällen starkes Tauwetter einqetreten. Bon dem Dorf- abhange lies dos Wasser in einer Mulde wie ein Strom herab und — voller Tücke — gerade aus Noacks Plumpe zu, deren unterer Teil bald vollkommen überschwemmt war. Mein Schwie gervater, der damals ein junger Bursche war, befand sich gerade aus dem Boden seines väterlichen Hauses, um Heu für die Ziegen zu holen. Durch die weilen Ritzen der verrrockneten Bretter- giebelwand des Hauses gewahrte er die Ubeiflutung der Plumpe und wartete voll Spannung, was Noack wohl tun würde. Nach einiger Zeit springt auch diüben wirklich die Haustür aus und Noack kommt mit hochgefchwungener Kartoffelhacke wie ein W'lder fluchend herausgesprungen und hackt, immer vor sich hinschimpiend, einen Graben in den Schnee, daß ihm die Schnijauche ock su tm de Uhrn spritzt. Mein Schwiegervater ersaßt die Gunst des Augenblicks und läßt, um Noack zu ärgern, einen lauten Pfiff durch die Ritzen der Wand ertönen. Noack stutzt auch sofort und hört aus zu hacken. .Da er aber niemand steht, hau! er mit verhaltenem Grimm noch wütender als ooiher in die Schneepanlsche hinein. Der Pfiff ertönt wieder und wieder. Noack stutzt jedesmal und es sammelt sich, weil er doch deutlich fühlte, daß man ihn ärgern will, in seinem Innern ein wütender Groll an, welchen er, da er den Necker nicht steht, nur in der Vchueepantsche auslaffen kann. Endlich über geht? ihm „wider die Natur" wie dem Meister Bö« bei Wllyetm Busch. Nach' einem erneuten Pfiff richtet er sich Kerzengrade in die Höhe, fuchtelt mit seiner Hacke drohend in der Lust herum und brüllt im höchsten Zorn die Worte heraus: „Luder, wu pseffste!" Dann schleudert er die Hacke in de:-: Schneedreck, springt in sein Haus, haut die Türe zu, daß die Fenster klirren und läßt Plumpe Plumps sein. Erst nach einigen Stunden vollendet er — wieder beruhigt und nun unbelästigt — das Werk zum Schutz seines geliebten Wasftrspenders. * * * Eines Tages fand Noack, daß seine Plumpe in allen ihren Teilen der Reinigung und Ausbesserung bedürfe. Deshalb wurde der „Plumpenbauer" mit seinem Gehilfen bestellt. Bald war auch jeder der beiden klingsteinernen Decksteine, die um das senkrecht stehende dicke Holzrohr herum die Brunnenöffnung zudeckteu, auf die Seite gewälzt, die Röhre selbst aus der Tiefe gezogen und über der Öffnung eine Winde mit zwei Kurbeln angebracht. Die Reinigung des Brunnens sollte beginnen. Noack Halle unter vielem Gerede und weiblichem Schimpfen — wie Meister Pfriem in Grimms Märchen — alles selbst mit angeordnet, weil nach seiner Meinung ohne ihn doch nichts richtig gemacht wüide. Jetzt aber erklärte er rundweg, das Reinigen des ver sandeten Brunnens verstehe nur er. Die Andern würden nur Stümperarbeil leisten. So wurde denn Meister Noack im großen Holzeimer in die einsame Tiefe geleiert. Von nun an ging der Eimer fortgefttzt aus und ab; Noack und die Plumpenbauer arbeiteten fleißig. Gegen l 1 Uhr vormittags aber trat ein hemmen des Ereignis ein. Im Hose des dem Noackschen Häusel benach- barten Hentschkeschen Gutes ries man „Feuer!" Die Scheune des Gutes brannte. Auf die Schreckensrufe liefen die Dürsleute eilend herbei, und die Plumpenbauer waren die ersten, die sich zur Brandstelle begaben. Der Ruf „Feuer!" hatte sie aber der maßen in Aufregung versetzt, daß sie von ihrer Arbeit wegltesen und des armen Noack ganz vergaßen. Er saß gottverlassen da unten, und all sein furchtbares Schreien,Rufen, Schimpfen, Drohen, Fluchen in der dunklen Tiefe nützte nichts. Ihtr Höne niemand. Der Lärm an der Brandstelle übenoste sein Toben. Es war eine surchtvare Heimsuchung für unfern Noack. Er, die neugierigste Menschenseele in der ganzen Umgegend, saß da im Schoß der Erde, ohne dabei sein zu können. Er hörte den Lärm der Menge, das Knistern des Feuers, das Stürzen der Balken, das Rusen und Kommandieren der Feuerwehr, das Anrücken der fremden Spritzen und sah doch nichts, rein gar nichts von all dem fiebern den Lebeo, das so nahe, ach so unendlich nahe über ihm wogte und flujtgte. Was in seiner Seele vorging, können wir nur ahnen. Erst lungr nachher hat er in seiner Redseligkeit verraten, was er da unten empfand. Jedes elen' e Geschöpf unter seinen Mitbe wohnern, das nicht wert war, ihm die Schuhriemen zu lösen, konnte dos große Geschehen Zug für Zug in sich ausnehmen, und er, Noack, war verdammt, nur zu hören. Und was das Schlimmste war, er, der immer alles bester wußte, konnte nicht mit befehlen, fluchen, schimpfen. Man kam anscheinend ohne seine Hilfe, seinen Geist aus. Kurz, das Feuer brannte ohne ihn. Das war für seine große Seele zu viel. Er heulte vor Wut über die blödsinnigen Plumpenbauer. Aber da er sah, daß auch dies nichts hals, sondern Stunde um Stunde verrann, versank er zuletzt in ein dumpfes tzinbrüten, in dem er wenigstens mit Hilfe seiner Einbildungskraft an der Hand der Gehörseindrücke von oben die einzelnen Stufen des Brandes durchlebte. Am späten Nachmittage, ungefähr gegen fünf Uhr endlich, nachdem das ganze Gut vollkommen niedcrgebranni war und der Hauptstrom der Zuschauer sich verlaufen hatte, besannen sich die Plumpenbauer auf unfern Noack. Mit einem halb mitleidig, halb schalkhaft klingenden: „O Kretz, was wird dar Karle soin?" zogen sie unfern Gemarterten mit Schelmenmienen aus dem dunklen Schlunde. Ls gab zunächst nur ein stummes Wieder sehen. Die Plumpenbauer schwiegen vor Verlegenheit und Noack vor unbändiger Wut. Erst nach einigen Miauen hatte er ge nügend Lustoorrat eingesogen, um sein übervolles Herz in einem schier unendlichen Strome von Flüchen und Vorwürfen, leer werden zu lasten.