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360 Vberlausitzev Heimatzeitung Nr. 30 Lieder erinnern und mit dem vorherrschenden Moll, insbeson. dere dem dorischen Moll eine weiche, eigentümlich sentimentale Stimmung schaffen. Alt sind die Lieder, teilweise ein halbes Jahrtausend alt. Man kann nicht behaupten, dak die Wenden viele Komponisten haben. M t den Namen Cocor, Seiler, Fiedler, Ftik und Sckneider sind sie fast restlos ausgezählt. Eben der Bernhard Schneider, der Dresdner Musikdirektor, war es, der an s^nem Tage kräftige Bauernbiirschen und buntbe. bänderte Mädchen von den wendischen Dörfern zu einem Chore zusammengestellt hatte und mit ihnen dem wendischen Volks- liede zu tiefster Wirkung verhalf. Ihm wurde dafür ein gol- dener Lorbeer mit den wendischen Nationalfarben (blau-rot- weiß) überreicht. Natürlich fehlte es auch an wendischen Na- tionoliänzen nicht. Dos ist der neue Hauch des Wendentums, der durch die Lausitzer Gaue geht und keinen wehe tut. Jenes aber war der heiße Atem erhitzter Gemüter, der die Völker aus den Kampsp'an ries und den Rassenhaß schürte. MMllIUI>MIIIIU>iaUII>I!IIIIIIIII>IIIIIIIIIIIIIIIII>III>IIIIIIIIIIIII>IIIIIII>!IIIIIIII>IIIIIII>IIttIIII!!IIIII Hochzeitsgeheimnisse der Oberlausitz Von FritzCrimmann Hochzeitsfest ist schön, besonders schön für die geladenen Gäste. Darum kam es ja noch zu Zeiten unsrer Väter vor, daß man hier in der Oberlausitz die Feier 3 Tage lang ausdehnte, während derer Essen und Trinken nur durch ein paar Stunden liefen Schlafes unterbrochen wurden. Doch das war einmal. Und gerade in der jetzigen Zeit hört sich so etwas an wie das schöne Märchen vom Schlaraffen- lande. Aber auch noch heute, in der Zeit der Knappheit und Ärm lichkeit auf allen Gebieten, bekommt dieser Tag ein festliches Ge wand, so daß jedermann erkennen kann: es ist ein besonderer, ein hoher Tag, dem man seiner Wichtigkeit wegen mit pochendem Herzen, mit Freude aber auch mit Angst, entgegengeht: denn das Hochzeitsfest ist umgeben von einem fast undurchdringlichen Aber glaubengespenst, das auch heute im aufgeklärten und ungläubigen 20. Jahrhundert noch keineswegs zerrissen ist. Man muß aber in die echten Lausitzer Holzhäuser gehen und sich mit der Hochzeits mutter und Braut auf die Ofenbank setzen, um die Hochzeits geheimnisse zu erfahren. Man muß sie wissen; denn ein einziges Versehen kann das junge Paar von Anfang an zum Unglück be stimmen. Und das will doch niemand! Um eine glück'iche Frau zu werden, must man vor allen Dingen gesund sein. Darum macht sich das Lausitzer Mädchen am I.Oster- feiertage frühzeitig nach einem fließenden Wässerlein auf und schöpft sich daraus mit den ersten Strahlen der ausgehenden Sonne eine Flasche voll. Auf dem ganzen Wege darf es sich nicht umschauen und auch kein Wort reden. Das ist zwar bitter hart für ein Mädchen, doch dafür hat das geschöpfte „Osterwasser" ungeahnte Kraft: es wird nie schlecht und Hilst gegen Krankheiten jeglicher Art, indem man das Wasser trinkt, sich damit einreibt oder wäscht. Gleichzeitig aber wird man vom „Osterwasser" schön. Die Ungeduld nach dem künftigen Freier ist in jedem heirats lustigen Äkädchen groß. Kein Mittel wird darum unbenutzt ge lassen, mit Gewalt in das Geheimnis der Zukunft einzudringen. Wann wird der Freier kommen? Wie mag er heißen ? Ist er groß oder klein, blond oder schwarz? Diese und noch 1000 andere Fragen brennen aus der Seele. Antworten auf diese Frage gibt das Schicksal zu Sylvester, gerade wenn das alte Jahr vom neuen in die Vergangenheit gejagt wird. Dann darf man Kälte und Schnee nicht scheuen, sondern muß eiligst an ein noch erleuchtetes Fenster eilen, sich selbst eine Frage stellen, die man gern beant wortet haben möchte, und dann lauschen, was drin in der Stube augenblicklich gesprochen wird. Das ist dann die heißersehnte Antwort. In einigen Gegenden der Oberlausitz findet dieses „Fensterhorchen" auch nach der Christmette statt. Der Liebhaber ist wirklich gekommen. Die Verlobung hat statt gefunden. Der Hochzeitstag soll festgesetzt werden. Das denkt sich der Bräutigam in seinem jugendlichen Leichtsinn sehr einfach. Er ahnt nicht, was alles bedacht werden muß, damit der Tag seiner Lage nach auch wirklich ein Glückstag ist. Bor allem muß der Hochzeitstag stets in den zunehmenden Mond fallen, bei ganz Gewissenhaften sogar ins zweite Viertel. Es darf kein Mittwoch sein und ja nicht der I. August. Das ist der größle Unglückstag im Jahre. An dem soll man sich überhaupt nichts Wichtiges vor nehmen, da dies mit Sicherheit mißglückt (siehe Weltkrieg 1914). Ist nach langem Suchen endlich der passende Tag gefunden, so ist noch die große Frage, ob die Trauung an dem Tage auch die erste sein kann; denn an zweiter Stelle läßt sich ein Lausitzer Mädel nicht trauen. Es will den ersten Segen haben, da dieser der beste ist. Doch das Glück meint es mit uns gut. Alles läßt sich einrichten, wie wir wünschen. Wenn nur der Weltergolt gnädig wäre! Denn die künftige» Ehejahre werden ein Abbild des Welters am Hoch zeitstage. Isis trüb und regnerisch, so wird auch die Eye trüb, und die Braut muß künftig viel weinen; ist's veränderlich, so werden auch im Eheleben sonnige Tage mit trüben abwechseln. Darum wünscht sich jede Brant am Hochzeitstage sonniges, klares Wetter; denn dann wird es auch sonnig schön im ferneren Leben werden. Schneit es der Braut in den Brautkranz, so wird sie reich. Reich tum ist eine nicht zu osrach ende Gabe des Schicksals. Darum ver sucht man, sich diese noch durch ein anderes Mittel zu sichern: Braut und Bräutigam legen sich Geld in die Schuhe. Das mag früher in der Zeit des Hartgeldes beschwerlicher gewesen sein, als jetzt im Zeichen der „Scheine"! Noch jetzt soll cs alte Lausitzer geben, die täglich „auf Geld gehen". Immer noch nicht sollen wir frei aufatmen und uns ungestört des Tages freuen können. Es heißt noch weiter aufpassen. Sobald wir das Haus verlassen, um nach der Kirche zu fahren, kommt es sehr darauf an, wem wir als erster Person begegnen. Ein kleiner Junge soll es sein. Der bringt Glück. Eine alte Frau dagegen, wenn sie gar noch ohne einen vollen Korb kommt, kann uns das ganze Leben verderben. Auch der Hebamme begegnet man nicht gern! Wen man auch trifft, umkehren darf man nicht;>denn dann würde die Ehe von kurzer Dauer sein. Darum sofort nach der Kutsche, die das Brautpaar zum Standesamt bringt, so, daß sie während der ganzen Fahrt nicht umzulenken braucht. Selbst ein großer Umweg wird aus diesem Grunde nicht gescheut. An der Kirche beginnt ganz im Geheimen und nur für Wissende bemerkbar ein Wettlauf zwischen Brant und Bräutigami, denn hier kommt der Augenblick, in dem entschieden wird, wer künftig das Regiment im Hause führt. Wer nämlich zuerst die Kirche be tritt, wird künftig den Hausschlüssel haben. Auf diesen Augenblick passen sehr genau die neugierigen Zaungäste auf. Aus demselben Grunde wollen sie alle gern sehen, wer von beiden vor dem Altar den Fuß am weitesten vorgeschoben hat. Der ist dann Herr, Ge schlecht spielt gar keine Rolle. Alle künftigen Ehemänner mögen sich das recht wohl merken und die beiden Gelegenheiten ja nicht vergessen, sonst sind sie un rettbar verloren. Außerdem wird wohl jeder Junggeselle gemerkt haben, daß es gar nicht so einfach ist, ein Lausitzer Mädel zu freien und mit ihr glücklich zu werden. iiiiiiiimimiiiiiiiiiiiiiiiimiiiiiimiiiniiiiiiaittuiiiiiiiiiummuimimiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiuiiii Spuk it dem Spuk ist es eine eigene Sache. Trotz aller Aus klärung spukt es immer noch in den Köpfen verschie dener Leute. Man braucht nur beispielsweise in einer Abendgesellschaft davon anzufangen, so ist sofort das Stellbrett gezogen, und das Redeschisflein des Aberglaubens hält seine Fahrt auf den ihm heimischen Gewässern. „Aberglaube? Was Aberglaube!" ruft darob entrüstet der und jener im Brustton seiner Überzeugung aus. „Ich weiß doch, was ich gesehen und gehört, und das laß ich mir nicht ausreden." „Aber Ohr und Auge sind doch so oft Täuschungen unterworfen ?" „Das mag sein, ich habe mich aber damals, als ich das erlebte, nicht getäuscht," so sagte auch der alte Sch. zu mir, der nun schon lange das Zeitliche gesegnet, als wir eines Abends am früheren M.jchen Gute vorübergingen. „Was ich hier drinnen in jungen Jahren einmal gehört, das ist nichts Eingebildetes, weil es nicht