Volltext Seite (XML)
856 Oberlaufltzer HeimaizeituNZ Är. sö süße Speise kosten" — zumalesnichtnurLeckerspeise,sondern auch nährende Kost ist. Er weiß, „daß Gelehrte und adeligen Qualitäten zugelhaue Personen dieses Werk allerdings nicht verwerfen können, darbey die Adliche Jugend zu einer ge ziemenden Kuräi6886 (Kühnheit) aufsgemuntert, hiernebenst auch zu einer curieu86n Betrachtung Menschlicher und Poli tischer Begebenheiten angeführt werde .... Das Studieren könne bet manchen Gemllthern einen Eckel erwecken, wenn die Bücher selbst mit dergleichen gelehrter Annehmlichkeit nicht reeommenäiret werden." Und wie könnte er einen „zukünftigen Caoalier" aus seiner Schule entlassen, „wenn er zwar das Gemüthe mit lateinischen Gedanken, hingegen aber die Zunge mit keiner anständigen Beredsamkeit, viel weniger das Gesichte und den Leib zu keiner leutseligen Mine üwponiret hätte? Ja weil das menschliche Leden an sich selbst einer immerwährenden Lomödie verglichen wird", so ist's das Beste, wenn er die „Partheyen bet guter Zeit ab zuschreiben gibt, welche sie unitzo in Kurzwelle versuchen, bald aber im Ernst vor die Hand nehmen sollen." Bered samkeit, gewandtes, sicheres Auftreten, Be kanntschaft mitLeben,Geschichte und Politik, das sind ihm die Ziele seiner Schulaufführungen. Es gibt ästhetische Fanatiker, die nach dem Grundsatz urteilen: I'urt vour l'urtl das Schöne darf nur dem Schönen dienen! Man mutz zugeben, daß Weise ost in Gefahr war, den pädagogischen Nutzen zu setzen, wo nur Schönheit wohnen soUie. Aber man darf den Künstler nicht von vornherein ab lehnen, weil er aus dem Schulmetsterrocke spricht. Weise will zwar in erster Lrnie Pädagog sein, ist aber, ohne es selbst recht zu wissen, in erster Linie Künstler. Und das Werk ent scheidet, ntchi die Avjicht. Es wirkt mitunter recht drollig, zu sehen, wie der Künstler mit dem Pädagogen durchgeht, wie der iustige Sprötzling des Volkes sich als wll> diger Präzeptor die Drille auf die Nase und die Perücke aufs Haupt jetzt, wie er aas den hohen Kothurnen erhabener Dialoge die Bühne beschreitet und mit der ernstesten Miene den hölzernen Zeige stab des moralisierenden Schulmeisters über die Tafel gletlen läßt! Und pardautz — da liegt der Stab, da liegen Brille und Perücke! Und blaue Augen lachen hervor und lustig flatternde Locken. Doch der Begeisterte merkt es nicht — als Schulmeister verläßt er die Bühne, ernst und gemessen, auf hohen Kothurnen. Und alles applaudiert: welch amüsanter Spaßvogel! Zu den 2 Aufgaben, die bei der Wertung eines jeden Lust- spieidlchters zu beachten sind, zu der Frage, wie es um das „Spiel", d. h. um die dramatische Technik, und wie es um das „Lustspiel", d. h. um den Humor in Witz, Charakter und Situation bestellt ist, gesellt sich bei Weise eine dritte Aufgabe. Wo wir auf ästhetische Härten stoßen, gilt es zu fragen: Warum ist er hier abgestürzt? War Ser Künstler zu schwach? oder hatte ihm der Padugog einen Rucksack auf gedunsen? oder lag gar nicht die Absicht vor, auf der Höhe der Kunst zu bleiben? Weise wurde 1642 in Zittau geboren, mitten hinein also in das Elend des dreißigjährigen Krieges. Sein Vaterhaus ist die enge Stille eines Lehrerheims. Beide Eltern, böhmische Exulanten, sind außerordentlich strenggläubig. Der kleine, blasse, kränkliche Knabe muß fleißig die alten Sprachen studieren. Der Wille seines Vaters bestimmt ihn, der gerne Jurist geworden wäre, zur Theologie. Von den 67 Jahren seines Lebens verbringt er 30 als Gymnasialrektor in sstner Vaterstadt. Auf das tägliche Einerlei seines Berufs häuft die peinliche Gewissenhaftigkeit des Pädagogen eine un geheure Arbeitsslllle. Die Slube wird seine Welt. Gesell schaften hält er sich fern. Jahrelang erwägt sein Zeitgeiz, ob eine Zusammenkunft mit seinem besten Freunde,.einem Prager Professor, zu den Dingen,die erlaubt, gehören. Allzeit entzündete Augen erschweren ihm den Umgang mit Buch und Feber. Seine Frau stirbt nach siebenjähriger Ehe. Von ihren Kindern und von denen einerzweiten Ehe muß er alle — bis auf eins — begraben. Zwar bringt der Gang seines Werdens auch manches, was geeignet ist, die angeborene Begabung zum Dichter zu fördern. Sein Vater ermahnt ihn, neben dem Latein nicht die deutsche Muttersprache zu vergessen. Sein Lehrer schrieb Schauspiele. In Leipzig fertigt der schwächliche Student im Schweiße seines Angesichts Gedichte, mit denen er sich dann bei seinen älteren Kommilitonen loskauft von der barbarischen Folter akade mischen Pennäiertums. An mehreren Adelssitzen Kommt er in Berührung mit dem lebensfreudigen Humor fürstlicher Tafelrunden. Mehrere Jahre ist er Professor für Poesie und „Eloquenz" (Beredsamkeit). Er sieht die Stücke englischer Komödianten, die oerbalhornte Werke Shakespeares bringen, lernt — ebenfalls durch reisende Trupps — den großen fran zösischen Lustspieldichter Molare und die volkstümlichen rustfpiele des Schlesiers Gryphius kennen. Dazu sein steter Umgang mit der Jugend, der jugendlich erhält, was sonst Gesahr läuft, grillig zu werden! Von Weises Luftspielen, die alle Früchte des reiferen Mannesolters, sind dem heutigen Leser nur zwei ohne Mühe zugänglich: „Von Tobias und derSchwalbe" —veröffentlicht in Reclams Universalbllcherei — und „Der bäurische Machia- oellus" in Kürschners Nationalliteratur (die „Komödie von der bösen Catharina" in derselben Ausgabe ist ein Schau spiel, kein Lustspiel). „Von Tobias und derSchwalbe".Inhaltsangabe: Ein Graf feiert Geburtstag. Ihn zu ehren, wollen seine Räte eine Komödie aussühren lassen. Auf ihr Preisausschreiben bringen 12 ärmliche Gesellen ihre Stücke. Da es schwierig ist, ein bestes herauszufinden, so läßt man sich von einem Hunde die Qual der Wahl erleichtern. Ein verschmitzter Höf ling hat dem einem der Hefte heimlich ein Stück Fleisch an gebunden. Und so wird dem Kirchschreiber zu Bettelrode, Bonifatius Lautensack, der Ruhm, daß seine biblische Komödie „Von Tobias und der Schwalbe" als die erste und deshalb beste erschnappt wird. Dem gekränkten Ehrgeiz der übrigen elf wird ein Pflaster, freilich ein Senfpflaster: Sie dürfen dem Stücke ihres Rivalen zur Aufführung verhelfen. Die Rollen werden verteilt. Bald aber kommt ein „bärenhäute rischer Kerl" nach dem andern, um wieder abzusagen; so findet der Darsteller des Leuchters, der Kantor zu Quelle- quitsch, daß seine Hose keineswegs zu den Leuchten ihrer Gat- tung zählt. Ja, wenn es sich bloß darum handeln würde, bei Tisch zu sitzen! Da hat sein Vorgänger die sinnreiche Mode aufgebracht, durch einen langen Mantel über etwaige Hosen schäden die Decke taktvoller Verschwiegenheit zu breiten. Aber aus der Bühne, wo die Bl cke Unberufener unter den Mantel kriechen können? Zwei „böse Weiber" versuchen, an Boni fatius handgreiflich zu werden, derweil er sich weigert, ihren Bengeln, die lüstern nach dem Lohn in Bier, Rollen zu geben. Selbst die Musikanten wollen ihm eins pfeifen. Endlich ge lingt es gräflichen Dienern unter Androhungdes Einiperrens, die erloschene Neigung zur Bühne wieder zu entflammen. Ader auch mit der Ausführung, deren Inhalt übrigens ganz dunkel bleibt, hat Bonifatius kein Glück. Das gräfliche Ge folge macht sich über die Spieler lustig. Die geraten aus der Rolle. Worte von Gegenspielern werden als persönliche Be leidigung ausgenommen. Es kommt zu den ärgsten Prüge leien. Da sich die Spieler nach diesem Ende mit Schrecken um ihren Lohn gebracht glauben, „saufen sie sich auf ihre