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„Wir können die Kinder nach unserem Sinne nicht formen: so wie Gott sie uns gab, so muß man sie haben und lieben, sie er ziehen aufs beste und jeglichen lassen gewäh-ren. Denn der eine hat die, die anderen andere Gaben; jeder braucht sie und jeder ist doch nuraufeigen eWeisegutundglückli ch." Die Rechte, die wir an unsere Kinder haben, sind zugleich auch unsere Pflichten ihnen gegenüber, und zwei Pflichtens die, recht erfüllt, reichen, köstlichen Lohn verheißen: Kindesliebe — Kindesvertrauen. Kinder lieben und vertrauen uns Eltern solange, bis wir es ihnen unmöglich machen, ihre Anhänglich keit uns zu bewahren. Das schönste Ziel aller Hauserziehung ist»es, sie zu unseren Freunden, zu unserenKameraden werden zu lassen, — das ist das unausgesetzt anzubahnende Verhältnis. Und versagen sie es uns einmal später, nun, dann haben wir uns auch hier stille, wenn auch betrübt, zu bescheiden, weil echte Liebe ein freies Geschenk ist. Den Grund zur Eltern-Kinder-Freundschaft müssen wir bereits in den Jahren zarten Alters legen, da sie noch kind lich unbewußt und unbefangen in jenem grenzenlosen Kinder vertrauen uns gegenüberstehen. Nütze die Zeit! Es sind nur wenige Jahre, in denen sie uns als Vater und Mutter so ganz allein angehören, — ein kurzer, selig-schöner Traum, der alle Entsagung und Opfer reichlich lohnt. Wir überlegen weiter: Unsere Kinder und wir Eltern stehen unter dem ewigen Gesetze der Entwicklung und unsere Kinder haben dabei den Vorzug: Sie sind noch im Fortschritt, im Vorwärts. Der Elternkunst muß es gelingen, sich des kindlichen Fort schritts bewußt zu werden, ihn sich recht deutlich zu machen und — ihm zu dienen. Die Eltern haben den Borsprung in Reife und Erfahrung und die Kinder den im Fortschritt. Jedes sein Teil! Fr. Nietzsche sagt im „Zarathustra", daß wir uns nicht fortpflanzen, sondern hinaufpflanzen sollen und das heißt pädagogisch betrachtet: In unseren Kindern unser eigenes Vorwärts, unsere tunlichst ver edelte Verjüngung erblicken. Dann können wir nie selbstüber- hebend aus sie hinabschauen. Vom frühen Morgen bis zum sinkenden Abend nütze jede freie Minute, mit deinen Kindern zusammen zu sein, sie zu studieren, um ihre Entwicklung zu fördeyr ein Schrittchen über dich selbst hinauf! Kinder haben vor sich, was wir hinter uns haben, sie sind Kraft und Ersahrung für ihr Leben sammelnde Wesen. Was sie von uns unterstützt sammeln, das haben wir ja meist. Daraus folgt ganz naturgemäß, daß sie zuerst und zumeist an sich denken und an sich denken müssen, also die Naturgemäßheitdeskindlichen Egoismus, des jugendlichen Eigennutzes und der jugendlichen Selbstsucht. Nimms ihnen nicht übel! Das Kind ist erfüllt vom Ich, und mit der Verlangsamung der Entwickelung vermindert sich der kindliche Ichsinn, die Erziehung aber, muß aus sozialen Gründen beim Überwinden des Eigennutzes behilflich sein, das vermag am besten das gute Beispiel der Eltern, ihre Hingabe, Aufopferung, eigene Hintansetzung, niemals wird es erreicht, durch Moralpredigten gegen den Eigennutz. Was du willst, daß deine Kinder werden, das sei du ihnen zuvor erst selbst, und was du ihnen nicht selbst sein kannst, das verlange erst recht nicht von ihnen. ErziehungIei Selbstzucht. Unsere Kinder führen vom ersten Lebenstage an einen Kampf ums Dasein, und wir sollen ihnen die notwendige Hilfe im Da seinskampf geben, zumal niemand hilfloser ist als das Menschen kind. Ein Wort noch von der Dankbarkeit der Kinder gegen die Eltern. Wenn wir uns emporgerungen haben zur Höhe der christlichen Gesinuungsethik, dann haben wir kein Recht, Dank zu erheischen und darum sollen wir nie reden von der Undankbarkeit unserer Kinder. Den Undank beklagen nur Selbstsüchtige, die für jede ihrer Lei stungen Rückgabe mit Zinsen, am liebsten Wucherzinsen, erwarten. Niemand aber steht Selbstsucht schlechter an, als Vater und Mutter. Daß sich unsere Kinder mit derselben aufopfernden Liebe, die wir ihnen als unsere Pflichterfüllung zuwendeten, nun zeitlebens wieder zurückwenden, durch 40 und vielleicht mehr Jahre zu rückvergüten, was wir ihnen in 20 Jahren taten, können wir nicht erwarten: denn ihre wie die der ganzen Natur Losung heißt: Vor wärts und nicht rückwärts. Der schönste Dank, der höchste Lohn für Ellern ist einmal, daß sie die Ernte heranreifen sehen von einer Saat, die sie auf Hoffnung streuten, und daß sie zum andern seitens ihrer Kinder dauernd einer Freundschaft gewürdigt werden, die dann den Lebensabend vergoldet, und dabei Zeuge sein können, wie sich die anerzogene Liebe und Fürsorge ihrer Kinder auf deren Nachwuchs, auf das dritte Geschlecht, wendete. Wir beschäftigen uns II. mit dem Ziel der Hauserziehung und der Gestaltung der Familie als wirksame Erziehungsstätte. Das große Menschheitsziel muß auch die Familie zu dem von ihr zu verfolgenden Ziele erwählen: den innerlich freien, selbständigen, sittlichen Menschen, der ein brauchbares Glied der Gesellschaft ist. Dieses Erziehungsziel dient der Indioidualkultur wie der Sozialkultur unserer Zeit im gleichen Maße. Schauen wir eine innerlich gesunde Familie als Erziehungs stätte, vergessen wir ganz die persönlichen und allgemeinen Mängel, die vielen Häusern anhasten. Die innerlich gesunde Normalsamilie bietet an sich Gewähr, daß in ihr die Übermittlung des völkischen Kulturgutes in einem Umfange erfolgt wie durch keine andere Erziehungsgemetnschaft. Was in den Eltern lebt und webt — Gutes und Böses — geht in Unmittelbarkeit und Lebendigkeit auf die Kinder über, sowohl der große oder kleine Wissensbesitz als auch die feineren oder gröberen Gemötsregungen und das sittliche oder unsitt liche Wollen und Handeln. Das Haus kennt keine Theorie, in ihm ist alles Praxis. Das Kind sieht im Elternhause seine Vor bilder tagtäglich in allen Lagen vor sich, leider sind sie ost recht unvollkommen. Es schaut seinen Eltern ins Herz hinein, es bewundert ihr Können, auch wenn es bescheiden ist, und es fühlt sich überall veranlaßt zum Mitfühlen, Mitdenken, Mit handeln. An solchen Antriebskräften kommt keine andere erziehende Gemeinschaft der Familie gleich. Wie mannigfach sind alle diese Anregungen dort, wo die Familie nicht nur Tisch gemeinschaft sondern zugleich Arbeitsgemeinschaft ist, in der Bauernwirtschaft und in der Heimindustrie. Das im Fomilienoerbande ausgewachsene Kind hat Gelegen heit zur Teilnahme an jeder Freude wie an jedem Leide des Hauies, cs erlebt darin Zeilen des wirtschaftlichen Aufschwungs und durchbebt mit die Wochen und Monate der Sorge und Kümmernisse — es geht kurzum von Anbeginn durch eine wirk same Lebensschule, die kein Internat, kein Alumnat, kein Pen sionat dauernd ersetzen kann. Wenn cs trotzdem zu allen Zeiten — vom alten Sparta bis zum Marxismus unserer Tage, von Plaio über Fichte zu Bebel — Gegner der Familienerziehung, Verfechte'' der vollständigen körperlichen u.'d geistig-sittlichen Erziehung auf Kosten der Gesamtheit in öffentlichen Anstalten gegeben hat, so stehe ich nicht an, das als sozialpädago- gische Verirrung zu brandmarken. Wie soll die Familie beschaffen sein, damit sie eine wahr hafte, eine wirksame Erziehungsstätte ist? n) Die Familie sei eine Stätte, an der man mehr Liebe empfängt als irgendwo in der weiten Welt und an der man wiederum zum Liebespenden reichlich und täglich Gelegenheit findet. Liebe ist dem Familienleben so not, wie dem Menschen zum physischen Leben Licht, Lust und Brot. Liebe ist das durch die Bande gemeinsamen Bluts gegebene natürliche Grundoer- hältnis im Hause. Die Liebe spinnt lausend feine Fäden zwischen Vaterherz und Mutterherz einerseits, zwischen den Kinderherzen anderer- seits. Der Worte bedarf sie nur wenig, aber eins muß den Herz schlag des andern in ihr fühlen. Wer ein Kind in die Welt setzt und dieses Kind dann nicht liebt mit jeder Faser seines Herzens, der zeigt Unnatur, der steht unter dem Tiere. Die Liebe sei nicht blind. Affenliebe ist keine echte, rechte Liebe. Die Liebe kann auch ernst und streng sein, wenn es und wo es am Platze ist. Die Elternliebe setzt auch ihren Willen im