Volltext Seite (XML)
bilden. Auf dem Heuer noch etwas dürftigen Rasen stehen in Reihen zahlreiche Obstbäume, schlank emporstrebende Bir nen-, kugelförmige Apfel- und Pflaumenbäome, die ihres Wirtes sorgsame Pflege in den nächsten Herbsten schon mit guten Früchten belohnen werden. Nach Osten hin liegt der Gemüsegarten, den ein paar Koniferenreihen abtrennen, und dahinter breitet sich Grundmanns Acker aus. Er hat freilich nur eine Fläche von einem halben Scheffel, er hat ihn aber mit des Bruders Pferden gepflügt und dann Kartoffeln ge legt. Da er in den arbeitsreichsten Zeiten auf des Bruders Gut mit hilft, genügt der Garten und das Feldstück voll kommen. Denn Gottlobs soll nicht etwa eine Bäuerin werden, sie hat ja als Hausfrau und Mutter ihren Pflichtenkreis. Eben hat sie Salat geschnitten. Mit einer vollen Schüssel kommt sie aus dem Gemüsegarten nach vorn zum Tröge. Bom Berge herunter hat Grundmann den frischen Quell nach seinem Garten leiten lassen. Vor einer Gruppe von Birken und Fichten steht der hölzerne Ständer, aus dem das Wasser in klingendem Bogen in den Steintrog springt. Gottlobe schöpft einen Eimer aus dem Tröge und trägt ihn, die Schüssel unterm andern Arm, in die Geißblattlaube daneben, wo sie die grünen Blätter wäscht und schneidet. Suche mich! Suche mich! ruft ein Fink hinter ihr. Do sitz ich, do sitz ich! antwortet einer oben im Garten. Auch der Kuckuck ruft dazwischen noch aus dem Walde. Wie Gottlobe die steinernen Stufen zum Hauseingang emporsteigt, vernimmt sie ein Helles Juhu. Sie erkennt die Stimme, und oben im überdachten, schattigen Vorbau wartet sie. Uber die flammenden Blütendolden der Storchschnäbel in den grünen Kästen hinweg winkt sie und erwidert mit gleichheliem Juhu. Denn den Weg, der an der Seite des Dorfes, an den Bauerngütern vorllberführt und hinter dem letzten Gehöft nach dem Höllengrunde umbiegt, kommen ein Mann in weißen Hemdärmeln, einen großen Strohhut auf dem Kopfe, die blinkende Sense über der Schulter, neben ihm ein Mädchen in leichtem, kurzem Kleidchen, das Köpf chen ebenfalls unter einem breitkrempigen Strohhute ver steckt, dahergeschritten. Gottlobe winkt noch einmal und verschwindet ins Haus. Grundmann ist früh beizeiten hinaus, mit dem alten Bauer und drei Russen hat er den gelben, schweren Roggen gemäht. Anne! ist später mit der Großmutter nachgekommen, beide haben ein kleines Leiterwägelchen hinausgezogen, in dem zwei mächtige Steinkrüge mit Fruchtwasser und der Früh stückskorb gestanden haben. Dann hat sich das Mädel in Feld und Busch getummelt und den bunten Strauß gesam melt, den es jetzt in der Hand trägt. Es ist noch ein gutes Stück zu mähen übrig geblieben Gern hätten sie's heute bis zum letzten Halme gehauen — denn den Bauernregeln nach wird in acht Tagen das Welter umschlagen —, aber heut nachmittag müssen dieMummels- " walder zwei treue Dorfgenossen zur letzten Ruhe begleiten, und die Russen werden allein zur Mahd sein. Müde und matt kommen die beiden an. Annel geht mit dem Strauß ins Haus, sie muß sich sogleich erkundigen, was das Brüderchen macht. Krundmann hängt die Sense andre Laube und wirst den Hut auf den Rasen. Äm Kühlen Brunnen ruht er. * * * In schwarzem Rockanzug und Zylinder schreitet Dr. Grundmann den Weg hinunter nach der Mühle. An dem Berge von Fichten- und Eichenstämmen wartet er. Das Sägewerk steht, nur das Wasserrad dreht sich von Zeit zu Zeit, wenn seine Kästen vollgerieselt sind, dumpf polternd einmal herum. Die Gesellen sind im Kriege, da ruht das Werk, wenn der Müller auf dem Felde zu tun oder eine be sondere Abhaltung hat wie heute. Grundmann will eben in den Hof hineingehen und sich bemerkbar machen, da tritt schon die hohe Gestalt des Müllers aus der Tür. Sie sind sich nicht unähnlich, die beiden Männer, beide hoch und mit kräftigen Gliedern, bartlos, in Mienen und Worten ernst. Der Müller erscheint länger, das macht aber nur der ausgewachsene Bräutigamsrock, der nicht mehr bis zu den Knien reicht und den Rumpf so einengt, daß die Nähte klaffen und die grau gewordenen Fäden sichtbar sind, und der altmodische hohe Röhrenhut. Sie schreiten langsam, mit ernster Würde, der Müller die Schultern stark nach links und rechts senkend, wie der Bauer Hinterm Pfluge geht, den Mühlgrabenweg hinauf. Blaugrün schillernde Libellen tummeln sich über dem stillen Wasser, Forellen springen, und in dem Weiden-, Erlen- und Trauben kirschengesträuch des Ufers zwitschern Mönche! und Grün finken. Aus den Weberhäuschen zu beiden Seiten des Grabens kommen auch schwarzgekleidete Greise und Greisinnen und Kinder mit dicken Gesangbüchern. Man grüßt sich und geht zu zweien und dreien. So wallen die Dörfler Feiertags zur Kirche, heute zum Begräbnis von zweien der besten und geliebtesten unter ihnen. Mit halblauten Stimmen reden sie vom Gotthelf Heinrich und seiner Christiane, was es doch für brave Menschen ge wesen seien, wie sie sich haben mühselig durchs Leben schlagen und zuletzt nock so eine traurige Enttäuschung erleben müssen. Am einzigen Sohne! Grundmann und der Müller haben auch das Gespräch. „Ich hab' ihm rückhaltlos meine Meinung gesagt über die Art Geschäfte, aber ich wußte auch, daß es keinen Erfolg haben würde. Er war nicht schlechter als die anderen Kriegs gewinnler, die sich als gierige Blutegel an den Volkskör'per gesetzt haben, aber auch nicht besser. Und einmal mußte ihn das Schicksal ereilen." „Wie koann a Kindvuniehrlichen.guttsfirchtigen.zifried- nen Leuten su a Betriger, Hochstapler warden? Sie sprechen, schunn oas Junge hoat a garne gemogelt. Aber ich meene, wenn a diheeme geblieben wär' oder ziwingsten a dr Nähe: suweit wär's ni mit'n gekumm. Wenn a sich o aus senn Ahlen nischt gemacht hätte, vo dr Heemt, von Dürfe hält'affich doch amende geschämt. Die Heemt hätt'n behitt. Ich meen', dohie is a kee Fremder, uff dan kee Mensch achtgegibt, mir senn a klenner Staat, wu jeder sei bestimmt Fleckel hoat und sich a jeder aber uff jeden Fleckel auskennt. Ba uns gibt's nog Regel und Gesetz vo alters har, noa dan sich enner wie dr ander richt't. Moancher toappst drnaben, aber ar kimmt ni weit. Mir hoatten o an Kriegsgewinnler, an Bauer, dar die Butter hinrim 's Stickel fr zwee Moark verkoste, dar woar ni vill besser oas Heinerch, aber wie 's rauskoam, hoan mern die Helle heeß gemacht, und wie darBote vun Herrn Birgermeester aus dr Stoadt koam, hoan mrn gestellt und mit schirm Griffen heemgeschickt. 's is nischt mieh zi hieren gewast vr ficken Schwindel. Ni wuhr.su hätten mir Heinriche, wenn a drheeme ficke Dinge gemacht hätte, immer wieder schienen die Boahne gewiesen. Aber ar hätte ja goar ni suvill Gelaigenheetzi senn Schwindeleien gefunn wie durt a dr Stoadt." „Du hast sicher recht, Johann, wenn du seine vollständige Loslösung von der Heimat als die Ursache zu seinersittlichen Verwilderung ansiehst. Ich sage dir, er hatte nicht das geringste mehr mit uns gemein, er hatte alles über Bord geworfen, was ihm noch hätte Halt geben können." „Die ahlen Leute hoan gewoart und gewoart, ar hoat sich ni noa'n imgesahn, dar ournahme Herr! Sie miegen 's