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284 Gberlauflher HeimaLzsitung Ar. 2Z so lieblich war der Ausdruck ihres Gesichts. Solche ähnliche Be trachtungen mochte wohl der Fremde anstellen. „Fa, gute Reden," erwiderte Guste, „ließ ich mir scyun gefoalln, aber siche dumme Neckerei, die em ock bei dr Ortzeit stiert, die kann ich ne gebrauchen. Wie Sie soiten, sein Sie a dr Welt viel rimgekumm, do kennten Sie schon wos drvun drzähln, dos wär besser." Das ließ sich der Fremde nicht zweimal sagen. Er fing an, vom Erntefest zu sprechen, und wie schön er es an anderen Orten mit gefeiert hätte. Er verstand so recht die Sehnsucht in Guste zu wecken, das Fest auch einmal so begehen zu können. Vor allem gefiel Guste die Beschreibung eines Festzuges. So einer könnte ihr auch gefallen, dachte sie, und gab es unverhohlen zum Aus druck. Sie ließ ihre Arme nach Beendigung ihrer Arbeit sinken und hörte nur noch zu. Dabei strahlten ihre guten, aufrichtigen Augen so, daß sich Wilhelm, der auf den Erzähler schon ganz eifer süchtig geworden war, fürchterlich ärgerte. Als sie nun aber auch noch sagte, daß nächstes Jahr auf alle Fälle auch in ihrem Dorf so ein Festzug stattfinden müsse, wurde er ganz zornig und sagte: „Doas sellt enne schiene Bettelfuhre warn, wenn mr zu allen Bauern müßten drzu eisammeln giehn." Wilhelms Dickköpfigkeit ärgerte Guste immer und reizte sie nur noch mehr zum Widerstand. Sie wußte ganz genau, daß Wil helm ein Auge auf sie geworfen hatte. Sie war auch garnicht so abgeneigt, aber den Dickkopf wollte sie ihm doch beizeiten abge wöhnen, denn ihre Mutter hatte immer gesagt, man dürfe das Zuschneiden nicht verpassen. Das nächste Fahr war ein besonders von Gott gesegnetes, und man konnte mit Recht von einem Erntedankfest sprechen, als der Tag herangekommen war. Am Tag vorher war noch mit großer Mühe das letzte Fuder Hafer hereingebracht worden, denn es hatte in der letzten Woche gerade schlecht getrocknet. Viel Schweiß hatte es wieder in der letzten Ernte gekostet, aber nun dachte niemand mehr daran. Selbst das ermüdete Gesinde dachte am Sonntag früh nicht an ein Ausschlafen, denn zum Erntefest durste niemand beim Kirchgang fehlen. Wer nur irgend im Haushalt abkommen konnte, ging mit. Es war allemal die reine Völkerwanderung. Der Pastor wußte an diesem Tage so ganz besonders zu Herzen zu sprechen, und ein besonders schön geübter Gesang stimmte die Gemüter so feierlich und hob die Seele einmal über das Irdische und Ver gängliche empor. Nach dem Gottesdienst wurde der geschmückte Altar besichtigt, an dem jeder eines seiner schönsten Erzeugnisse niedergelegt hatte. „O, seht amol die Riesenkartoffeln, die großen Krautköppe, sichen Prachtblumenkohl, war Hot nur die Zwibbeln gestiftet," und so fort konnte man da durch die Reihen der Zuschauer tönen hören. Nachdem nun zu Mittag das liebe Vieh gut beschickt worden war, ging es an den Erntefestschmaus, bei dem der Schweinebraten die Hauptsache war. Während an gewöhnlichen Sonntagen das Gesinde sein Fleisch zugeteilt bekam, so durfte zum Erntefest jeder soviel essen als er wollte. Viel guter Kuchen wurde dann noch aus geteilt und ein Erntegeschenk, das entweder in Geld oder in Klei dungsstücken bestand, bekam auch jeder. Dieses Mal sollte aber das Fest noch ganz besonders gefeiert werden. Guste hatte ihren Wunsch in die Tat umgesetzt, sie hatte schon lange einen Festzug vorbereitet. Zuerst war es für die Hausier frauen eine reiche Ernte gewesen, welche die Stoffe verkauften, denn die ganze Dorfjugend schaffte die alte Bauerntracht wieder an. Die Mädchen einen roten Rock, schwarzes Mieder, weiße Bluse, weiße Schürze mit hübschen Spitzen und weiße Strümpfe. Die Burschen, wie sie damals noch genannt wurden, jetzt müßte man wohl „Herren" sagen, kurze schwarze Hose, lange weiße Strümpfe, rote Kniebänder, weißes Hemd, rote Hosenträger, Hellen Strohhut mit buntem Band. Musik sollte im Festzuge auch vertreten sein, aber die kostete viel Geld, deshalb wurde im Dorfe dazu eingesammelt. Endlich war alles so weit. Nachmittags um zwei Uhr setzte sich am Ende des Dorfes ein langer bunter Zug in Bewegung. Voran ritt ein Herold, dann kam die Musikkapelle, welche lustige Weisen spielte, und daran schloß sich die Fugend in ihrer malerischen Tracht. Mitten drin einige Leiterwagen, mit grünen Reisern und Laub gewinde geschmückt, die man dazu aus dem Busche geholt hatte, die von jedem Getreide eine Garbe und dann noch verschiedene landwirtschaftliche Geräte, als Pflüge,Egge und dergleichen mehr zur Schau herumfuhren. Auch Marketenderinnen waren im Zuge vertreten, die wohl kaum so nötig gewesen wären, denn für das nötige Naß sorgten die Bauern. Hof für Hof wurde angehalten, und überall wurden sie mit Kuchen, Kaffee und Schnaps bewirtet. Soviel nur im Hausflur und in der großen Gesindestube Platz finden konnten, wurden drin gestärkt, die andern draußen. Zum Schluß ging es vor den Gasthof, dort hielt der Lehrer des Ortes eine kurze Ansprache an die Jugend und an das Gesinde über das Verhältnis zwischen Herrschaft und Dienstboten. Er gedachte der schweren Erntearbeit und vergaß nicht, Gott, dem Geber aller Gaben, zu danken, der alles so wunderbar und herrlich bereitet. Nach dem gemeinsamen Gesang des Liedes: „Nun danket alle Gott" löste sich der Zug auf. — Alle hatten sich beteiligt, nur Wilhelm nicht. Er hatte dem Leben und Treiben von ferne zugesehen. Er konnte es nicht vergessen, daß Guste damals mit dem Fremden so schön getan hatte. Fm Stillen hatte er aber doch Guste bewundert, daß sie alles so durch gesetzt hatte, und er sagte sich, daß die Frauen sich nicht nur mehr für eine schöne Sache begeistern können, sondern auch mehr auf opfern als die Männer. Mit Hochachtung betrachtete er daher seine Geliebte, der Festzug hatte ihm doch recht gut gefallen. Er hätte zu gern mitgemacht, aber sein Eigensinn ließ es ihm nicht zu. Es drängte ihn aber doch, Guste allein zu sehen und zu sprechen. Nach Beendigung des Festzuges gingen alle heim. Nicht etwa vom Hunger geplagt, denn der Magen hatte genug bekommen, aber das liebe Vieh mußte ja bis zum Abend auch sein Teil er halten. Gar manche Dorfschöne mußte ihren schmucken Schnitter anzug ans eine gute Stunde mit dem alltäglichen Stallanzug ver tauschen. Sobald als möglich wurde dieser aber wieder abgelegt, der Magen noch einmal gestärkt, nun ging es wieder in den Gast hof zu frohem Tanz bis Mitternacht. — Als Guste bei ihrer Heimkehr in den Hof trat, wurde sie von ihremFedervieh freudig gackernd begrüßt, es umkreiste seinetzerrin, mit langen Hälsen bewundernd, als ob sie verstünden, daß Guste heute einen ganz besonders schönen Festanzug anhatte. Während des Fütterns nahm Wilhelm die Gelegenheit wahr, sein Vorhaben auszuführen. Schüchtern stand er in einer Ecke und getraute sich garnicht hervor. Endlich begann er zu sprechen: „Nu, Guste, dr Zug wor wirklich recht schiene, er Hot mr o gefoalln." „Su, hat er dr wirklich gefoalln?" antwortete Guste, freudig aufblickend. „Nu abr mächtg," entfuhr es ihm, während eine Kuh dieses mit einem starken „Muh" bekräftigte. „Mich magste wull aber a den Oazuge ni garne sahn?" frug Guste, während ihre Wangen vor Aufregung glühten. „Du warscht aber doch die Schinste von allen," gab Wilhelm zu und trieb Guste an, daß sie sich etwas beeilte, um den Schnitter anzug wieder anzulegen, damit er der erste sein konnte, der sie zum Tanz führte, denn unter keinen Umständen wollte er sie einem anderen überlassen. Den ganzen Abend haben sie sich so gut ver gnügt, daß sie erst beim Morgengrauen auseinander gingen. — Zm nächsten Fahre, als wieder Erntefest gefeiert wurde, dachte Wilhelm nicht mehr an die „Bettelfuhre", sondern beteiligte sich, indem er hoch zu Rotz dem Zuge voranritt. Guste und Wilhelm waren Brautleute geworden, und es war das letzte Mal, daß sie den Zug als Ledige mitmachten. Schon zu Weihnachten wollten sie vor den Traualtar treten. — Noch in vielen Dörfern der Lausitz hatte diese Sitte der neuen Erntefestfeier große Beliebtheit und Nachahmung gefunden. Der unheilvolle Krieg mag wohl hier und da in diesen Bräuchen eine Unterbrechung gebracht haben, es wäre aber zu wünschen, daß die alten Gewohnheiten wieder ausgenommen würden, so schloß unsre gute Muhme. Thekla Wenzel. Sammelt Hausinfchriften Kinderverfe s»s Auszählreims olkslieder! Sendet sie an die (Kber- lausitzerHeimatzeitung Vergleiche die Aufrufe in Nr. S u. 19 der „Dberlaufitzer Heimatzettung".