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Sonntag, 22. August 1920 1. Jahrgang Ersch<->'n< allen 14 Aay? FneiVags' Schristleitung unö Geschäftsstelle m^Neichenau, Sa. I^ennspnecher Nr. 21S llndenechttyter' NacHKruok^ venbo^en Blatten für 'M -§?elmatfunöe, D Gefcf)iek)te, F^unft^ltepatul^ Drucf u.Venlag:Älwin MaiL- (Inh. Otto Manz') Südlaufttzen Nachrichten, Reichenau^Sa. Nr. 24 Bautzen in neuen Bildern Bon Otto Flösset-Bautzen autzen gehört dank seiner Bauwerke aus ver- gangenen Zeiten mit zu den bevorzugtesten Städten Deutschlands. Hinzu kommt seine malerische Umgebung. Beides, seine Altertüm ¬ lichkeiten wie seine Naturschönheiten zieht die Künstler an, und namentlich ist es der Maler, der einen alten Torbogen, einen stillen, fltederdurchdusteten Winkel, einen trotzigen Turm im Bilde festhalten will. Wie oft schon sind die Schönheiten Bautzens gerühmt worden, in Wort und Bild, und doch noch kaum genug. Trotz des guten Rufes, den die Stadt genießt, muß man doch erkennen, daß sie weit mehr Bekanntsein verdiente. Namentlich gebührte ihr ein weit stärkerer Fremdenverkehr als bisher. Vereine und einzelne Personen haben es sich angelegen sein lassen, den Fremden verkehr Bautzens zu heben. Gegenwärtig ist es die bekannte Bautzener Künstlerin Berta Zillessen, die ernent auf die Sehenswürdigkeiten Bautzens hinweist. Wer kennte nicht ihre Photographien, Ansichten von Bautzen, Ansichten von unserer schönen Lausitzer Heimat! Jetzt hat sie eben eine Anzahl Lichtbilderserien sertiggestellt, welche den Reich tum Bautzens vor Augen führen. Es sind keine alltäglichen Ansichten, die da zu sehen sind. Berta Zillessen weiß immer bei ihren Aufnahmen den Apparat so zu stellen, daß auf dem Bilde Charakteristisches mit Schönem vereinigt wird, und so gibt es immer ein wahrhaft künstlerisches Bild. Eine der Serien wurde kürzlich vor geladenen Gästen im Dorttagssaale des Bautzener Stadlmuseums vorgesührt, und die Wirkung der Bilder war allerdings eine nachhaltige. Da sind verschiedene Bilder, die eine Gesamtansicht von Bautzen vermitteln. Das schönste Bild gibt Bautzen von Westen her: der schroff ansteigende Felskegel, von der Spree umflossen, gekrönt von der mächtigen Ortenburg, im Hinter gründe die vieltürmige Stadt, unten die kleinen Häuser im Schutze der Burg, deren Zeile sich mit der Spree und dem Felskegel krümmt. Oder Berta Zillessen zeigt Bautzen vom Schiebberge aus: wieder im Vordergründe die Spree mit den alten Häusern, oben die Burg, davor die Nikolairuine mit dem Wehrgang und den gotischen Spitzbogen, dahinter alte Türme und Tore. Oder endlich, man schaut Bautzen von der neuen Brücke aus: Krastooll reckt die alte Wasser- *) Bergt, den Aussatz des Verfassers „Die Lausitz im Bilde Lau sitzer Maler" in Nr. 10 u. 11 der Heimatzeitung. Kunst ihre trotzige Brust ins Bild, ihr Fuß wird umflossen von der Spree, die hier lustig über ein breites Wehr schäumt, darüber der spitze Turm der Michaeliskirche, die Hussiten mauern, von Flieder und Goldregen überwuchert, im Hintergründe der breitkantige Lauenturm und endlich die ragende Burg. Aus allem und jedem Bilde spricht es heraus: Bautzen ist ein Rothenburg oder Nürnberg und wert, mit sehendem Auge und fühlendem Sinn betrachtet zu werden. Und das ist ja der Zweck der Bilder: den Fremden hin- zuweisen auf die Schönheiten des alten Budissin und ihn hinzuführen. Wahrhaftig, die Bilder vermögen zu locken. Auch die Einzelansichten, die Berta Zillessen gibt, sind darnach angetan. Da ist ein Straßenbild: die innere Lauen straße. Mächtig reckt sich der Lauenturm im Vordergründe. Daneben ist ein lauschiges Eckchen, vielversprechend be sonders um die Weihnachtszeit, wenn dem kleinen Laden Düste von süßen Pfefferkuchen entströmen. Der Blick schweift durch die Lauenstraße, an manchem einladenden Erker, an manchem reich gezierten Giebel vorbei, nach dem Hauptmarkt, wo er vom Rathause aufgefangen wird, er schweift um dieses herum nach dem Fletschmarkte, wo er endlich am stattlichen Petridom hasten bleibt. Ein klares, anschauliches Straßenb ld ist das, das einem etwas zu sagen vermag. Nun werden wir an Einzelheiten herangesührt. Da erscheint das große Eckhaus an der Lauenstraße, ein vornehmes Bürgerhaus, in dem schon Kaiser Alexander von Rußland und Friedrich der Große wohnten; da erscheint die Steinfigur am Rathausturm, die einst den verschwun denen Marktbrunnen zierte und vielleicht ein Roland war; da erscheinen die bunten Domfenster, aus der Zeit der Spät gotik stammend; da werden wir hineingesührt in den alten Dom, der neben dem Dom zu Wetzlar die einzige Simultan kirche Deutscklands ist und dessen Schicksal eng mit dem Bautzens und der Lausitz verknüpft ist. Wir sehen die Fllrstenloge mit ihren reichen Holzschnitzereien, den schmuck gezierten Altar (Arbeit eines Zittauer Bildhauers vom Jahre 1644), das prächtige Torgestühl im katholischen Teil der Kirche, ein Stück reizender Barockarbeit. Wir werden hinausgeführt auf den vor dem Dom gelegenen Fleischmarkt, der einst ein Friedhof war, und auf dem heute an Markt tagen buntes Leben herrscht. Da sitzen im Schatten der Strebepfeiler die Bauern aus der Heide und halten Kräuter, Beeren und Pilze feil, und auch das Ölweibchen darf nicht fehlen, das aus langgeschnäuzten Kannen das goldgelbe Leinöl in die Flaschen und Krüge der herandrängenden