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lehm östlich des Gasthauses „Zum heiteren Blick" südlich vom Bahnhof Bautzen; er besaß eine Länge und Breite von 1,5 Meter, eine Höhe von 1,25 Meter und wies außerdem eine von parallelen Schrammen durchzogene Schliffläche auf<). Häufiger finden sich erratische Blöcke im Flachlande. Einsam liegen sie meist da, moos- und flechtenüberzogen, inmitten strup piger Ginsterbüsche oder im Kiefernforst und geben der einför migen Heidelandschast ein eigenartiges Gepräge. Uber ihr rätsel haftes Entstehen dort, wo sich selten ein Berg oder anstehendes ähnliches Gestein findet, haben sich schon frühzeitig Gelehrte und Naturfreunde die Köpfe zerbrochen. Der Bolksmund nannte sie von jeher in instinktmäßiger Er kenntnis ihrer Herkunft Findlinge,Irrblöcke,Wander- blöcke, auch Teufels st eine oder Riesensteine. Vielfach wurde die Entstehung dieser Blöcke mit übernatürlichen Kräften in Zusammenhang gebracht. Und in derTat erzählen zahllose Sagen und Legenden, daß der Teufel oder auch Riesen.die Findlinge an ihren Platz gebracht haben. Meist sind sie vom Teufel ge legentlich des Baues einerKirche von weither geschleudert worden, um diese zu zerstören, oder Riesen haben sie als Wurfgeschosse gegen ihre Feinde gebraucht. Vielfach betrachtet man die Find linge auch als Opseraltüre aus heidnischer Zeit, oder knüpfte wichtige historische Ereignisse an ihre Entstehung. Die Berwitte- rungsmale, die Furchen, Schrammen und Vertiefungen an den Blöcken deutet die Sage als Krallenspuren des Teufels, Eindrücke von Ketten oder auch als Blutrinnen an solchen Steinen, die als Qpferaltäre gedient haben sollen. Später, vor etwa hundertfünfzig Fahren, als sich die wissen schaftliche Forschung mit der Entstehung und Herkunft der erra tischen Blöcke zu beschäftigen begann, war natürlich nicht mehr von Teufeln und Riesen die Rede, dafür aber wurden die phan tastischsten Erklärungsversuche aufgestellt. Bis gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts wurden die Sande und Lehme des Flachlandes und auch die Findlinge all gemein für Absätze einer großen Wasserflut, der biblischen Sintflut, gehalten. Daher leitet sich der noch heute gebräuchliche Name Diluvium (lateinisch: cüluvium — Überschwemmung, große Wasserflut) für die glazialen Ablagerungen ab. Dann sollten die erratischen Blöcke Auswürflinge von Vulka nen sein (Johann Esaias Silberschlag 1 780), oder man schrieb ihnen südlicheHerkunft von den deutschen Mittelgebirgen zu. Andere wieder, darunter auch Goethe, sahen in ihnen Reste vermuteten anstehenden Gesteins. Später, als man die nordische Herkunft der Findlinge allgemein erkannt hatte, sollten sie durch gewaltige Wasserfluten (L.v. B u ch) oder Rollsteinfluten (S efström) zu uns gelangt fein. LangeZeit, von 1835 ab, herrschte die Anschauung des englischen Geologen Lyell vor, nach der die erratischen Blöcke auf schwimmenden Eis bergen nach Norddeutschland gebracht worden jein sollen. Diese Lyellsche Treibeis- oder Drifttheorie hat sogar Scheffel dichterisch verherrlicht in dem Liede : „Der erratische Block", das 1867 in seinem „Gaudeamus" erschien °). Erst 1875 gelang es dem schwedischen Geologen Otto Torell auf Grund der Erfahrungen, die er auf Reisen nach Grönland, Island und Spitzbergen gesammelt hatte, die wissenschaftliche Welt von der Entstehung der norddeutschen diluvialen Ablage rungen durch Gletschereis zu überzeugen. Als Beweismittel führte er damals (Sitzung der Deutschen Geologischen Gesellschaft am 3. November 1875 in Berlin) die jetzt zerstörten Gletscherschrammen auf dem Muschelkalk von Rüdersdorf bei Berlin an. Die In landeis- oder GlazialtheorieTorells führte bald einen völligen Umschwung in den Anschauungen von der Entstehung der diluvialen Ablagerungen Norddeutschlands herbei und ist seitdem die Grundlage aller Glazialforschungen geworden. Die Theorie Torells erklärt uns auch einwandfrei die Herkunft der erratischen Blöcke und künftig wird sich die geologische For schung kaum noch mit ihnen beschäftigen. Wir Naturfreunde aber schätzen sie als ehrwürdige Denkmäler der diluvialen Eiszeit und wollen die noch vorhandenen, wo nur irgend möglich, erhalten .wissen. Bisher ist dies in unserer Lausitz meines Wissens erst mit einem einzigen solchen Block geschehen, und zwar mit dem schon erwähnten in Bautzen. Er iicgt in den Anlagen der Wallstraße beim äußeren Reichentor. Daneben ist eine kleine Tafel folgenden Inhalts aufgestellt: Erratischer Block. Gefunden auf der Grenze der Flurstücke 109 und 110 der Flur Strehla, an diesen Ort befördert am 3. Januar 1907. Ungefähres Gewicht: 280 Zentner. Allenthalben aber liegen in der Lausitz noch große erratische Blöcke, von denen mancher wert ist, geschützt und dauernd erhalten zu werden. So finden sich Wanderblöcke aus schwedischem Granit an der Kirche in Bernstadt, am Fuße des Schafberges bei Baruth, bei Radibor, Kronförstchen, Neu-Purschwitz und vielen anderen Orten. Die diluvialen Eismassen haben uns auch noch andere Spuren ihrer Tätigkeit hinterlassen. Durch den ungeheuren Druck, den die vorrückenden Gletscher auf den felsigen Untergrund ausübten, wurde dieser durch den milgeführten Gesteinsschutt der Grund moräne abgeschliffen, geglättet und teilweise von gröberen Stücken geschrammt. Diese Glazialschrammen geben uns heute den sichersten Beweis, daß einstmals an dieser Stelle Gletschereis floß, und außerdem können wir aus ihrer Richtung auf die Bewegungs richtung der Gletscher schließen. In unserer Lausitz haben wir drei solche Vorkommnisse dilu vialer Gletscherschliffe. Der erste und zugleich der östlichste findet sich bei Großschw eid n itz (Amtshauptmannschaft Löbau). Dort sind am rechten Talgehänge der Litte (Schweidnitztal) auf der westlichen Flanke eines Rundhöckers von Granit deutlich Glet scherschliffe zu beobachten. Diese verlaufen vollkommen parallel in der Richtung Nord 35° Ost — Süd 35° West; sie wurden 1890 von I. Hazard zuerst entdeckt und beschrieben °). Leider sind die Schrammen seit ihrer Befreiung von der auf lagernden Geschiebe- und Lößlehmdecke schon stark verwittert. Der Humboldtverein zu Löbau pachtete 1891 den Felsen auf die Dauer von dreißig Jahren, um ihn vor Stein bruchsbetrieb zu sichern, löste aber 1906 das Pachtverhältnis wieder infolge der fortschreitenden Verwitterung der Felsoberfläche. Man hätte un verzüglich nach Freilegen der Gletscherschrammen den Felsen durch ein einfaches Dach vor allzustarker Verwitterung schützen sollen. Das zweite Vorkommen diluvialer Gletscherschliffe findet sich unmittelbar beim Bahnhofe Dem itz bei Bischofswerda (Amts hauptmannschaft Bautzen). Sie wurden 1894 von O. Beyer entdeckt, zuerst beschrieben und abgebildet?). Damals wurde wenig südwestlich des Bahnhofes Demitz durch Abräumen des Geschiebelehms anstehender Granit in einer Fläche von 900 qm freigelegt. Auf dieser Fläche fand sich ein ganzes System gerun deter Schliffbuckel mit vielen, mehrere Zentimeter tiefen, parallel verlaufenden Schrammen und Furchen in der Richtung Nord 18°-20° Ost —Süd 18°-20° West. Im Mai 1900 entdeckte Beyer°) auf einer neu freigelegten Felsfläche eine dreiseitige Vertiefung, in deren Mitte eine kleine, in sandigen Lehm ein gehüllte Granitsäule stand, welche die Stoßkraft des Eises nicht umzubrechen vermocht hatte. Leider ist der größte Teil der Demitzer Schlifflächen dem Stein bruchsbetrieb zum Opfer gefallen. Auf Antrag von Beyer hat die Generaldirektion der Sächsischen Staatseisenbahnen jedoch am 27. Juni 1905 beschlossen, „das betreffende Areal im Bahnhofs plan hervorzuheben und mit „Gletscherschliff" zu bezeichnen" und dem Antragsteller zugesichert, „daß die Erhaltung des natur historisch bemerkenswerten Vorkommnisses im Auge behalten werden wird." Ein Gesuch des Pächters um Weiterbetrieb des Bruches wurde noch im selben Jahre von der Generaldirektion abgelehnt. Somit ist Vorsorge getroffen, daß die wertvollen Glet scherschliffe von Demitz erhalten bleiben °). Endlich finden sich Gletscherschliffe auf Grauwacke im Gebiet des reinen Decksandes südöstlich Lüttichau (Amtshauptmann schaft Kamxnz) zwischen Großenhain und Kamenz. Hier entdeckte im Herbst 1885 O. Herrmann Gletscherschliffe in alten Stein- brüchen an der Straße von Stölpchen nach Zochau'°). Die auf den glattgescheuerten Schichtenköpfen deutlich ausgebildeten Schram men verlaufen in zwei Hauptrichtungen, von denen die erste Nord 50° Ost — Süd 50° West von der zweiten Nord 25° Ost — Süd 25° West gekreuzt wird. Eine dritte Schrammenrichtung Nord 16° West — Süd 16° Ost scheint nach Herrmann nur eine