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Nicken, ein Lächeln sich schließender Blumenblättcken, da und dort. Es war so viel Liebe dabei —, ich meinte, die Brüder und Schwestern des Waldes sangen sich gegenseitig ein Schlummer lied. Mitten in meinen Träumen fand ich mich auf einem freien Plätzchen zum Wirklichen zurück. Das heißt, ich fand etwas märchenhaftes, was Wirklichkeit war. Das kleine Paradies, in welches mich meine Füße gebracht, das sah ich schon einmal, doch anders. Leuchtender, voll von Glück. Jetzt lag eine traurige, ver lassene Schönheit vor mir. So traurig, daß auch die Sonne, wenn sie noch da wäre, nichts davon hinwegtäuschen könnte. Ich stand noch immer auf einem Fleck und sah hinein in ein eigenes, un endlich viel sagendes Stilleben. Wie uns der Wald so viele weiche natürliche Bänke gegeben, so war auch hier eine: dick mit Moos bewachsen, eine herrliche Decke, die sich weit ausbreitete, so weit, daß sie auch Teppich war. Mitten auf dem erhöhten Polster aber l ag ein Strauß, eine seltsam gewählte Zusammenstellung. Dunkel rote altmodische Strauchrosen, wie man sie noch in Gärten des Dorfes findet, die einen unsagbar weichen süßen Duft schenken, verbunden mit Büscheln von blauen und hellilafarbenen Glocken blumen, die von Wiesen und Waldrand sagten. Nicht weit von diesem kleinen Altar, so muß ich das nennen, hockte ein alter, morscher Baumstumpf. Splittrig und zackig war er wie ein altes verwittertes Schloß, und wo die Jahre große Lücken geschaffen, hatten emsige Spinnen Gardinen aus feinster Seide gespannt. Und als ob sie unbedingt dazu gehörte, saß auf einer der größten Spitzen wie ein Turmwächter eine alte Kröte. Die hatte große kluge Augen und rührte sich nicht. Ich habe geschaut und gesonnen und es war ein Fragen und Ahnen und zuletzt ein trübe lächeln des Wissen in mir. — Ein Sommerglück! Die blasse Grete, die im Häuschen der Großmutter mit der Zeit alles bedeutete, ist der eigentliche Inhalt meiner Geschichte. Die Leute im Dorfe rümpften die Nase, wenn sie das Mädchen sahen, und zischelten Gehässiges hinter ihr her. Die Mädchen kicherten hämisch und die Burschen gingen wie Stöcke vorbei, nannten sie hochmütig und hatten den Mund voll Spott. Daß ich sie kannte und besser Kanute, das dank ich den alten roten Rosen in ihrem Gärtchen. Weil sie von alter edler Art waren, drum bat ich das blonde feine Mädchen im schlichten Kleid um wenige Blüten. Freundlich erfüllte sie meine Bitte und zeigte mir auf einige anerkennende Worte meinerseits ihr kleines Reich, das Hausgärtlein. Und alles, was ich sah, das mutete wie unendlich feine Eigenart an. Nirgends gewöhnte Praktischkeiten, wie man sie sonst an solchen Gärten findet, nichts von nüchterner, geschmack loser Art — stilecht möchte ich sagen und doch hätte ich keinen nennen können. Als Ruheplätzchen eine einfache, mit Feuerbohnen verwachsene Laube. In ihr fand ich den Höhepunkt meiner Über raschung: einen Zeichenblock mit einem fast vollendeten Bildchen, ein Teil des Gärtleins mit Rosenstrauß und Zaun, des Nachbar hauses sich duckender Strohgiebel als würdiger Hintergrund. Über allem goldig lachender Sonnenschein. Auf Block. Pinsel und Farbtuben sah ich und wieder zurück auf das junge Mädchen. „Nicht wahr," sagte sie, „Sie wundern sich, daß ich Zeit für solche Sachen finde, die sich meist nur Maler und reiche Leute leisten können!?" Die Frage kam mir unerwartet, denn mein Staunen war eher darin begründet, daß ich mich fragte, woher das Mäd chen die Geschicklichkeit des Malens, das schon künstlerisches Können verriet, habe, woher überhaupt all die Feinheit an ihr und um sie selbst herkam. Die alte Großmutter, eine schlichte Frau, muß in ihrem Leben viel gearbeitet haben und wird auch nicht viel von guten Stunden gewußt haben. Das Häuschen mit seinen wenigen bescheidenen Räumen war neben dem Gärtchen, zwei Ziegen und ein paar Hühnern ihr ganzes Besitztum. Von redlich verdienten Spargroschen, gestützt von der Hilfe ihrer Enkelin, lebte sie die Tage ihres Alters dahin. Don hier konnte also nichts kommen, was der Grete zu eigen war, und mehr wußte ich noch nicht von ihr. Lächelnd sahen mich noch immer ihre Augen an, bis ich dann fragte, wer sie das Malen gelehrt. „Niemand," meinte sie, „in der Schule sind wir bis zur Farbe mit Pinseln garnicht gekom men, doch mit Pastellstiften malte ich damals mit großer Freude Blumen und Gräser. Mit elf Jahren kam ich zur Großmutter hier aufs Land, und da zeichneten wir in der Schule so wenig, daß ich nicht viel erhaschen konnte. In meiner freien Zeit aber war es mein größtes Vergnügen, weiter zu probieren, und freute mich an jedem kleinen Fortschritt." Gewiß ist die Grete eine feine, vornehme Seele, dachte ich, sie fühlt sich in ihrem blumigen und sonnigen Reich mit ihrer Arbeit und der alten Frau, die sie ge währen läßt, glücklich, dachte ich wieder und teilte ihr meine Gedanken mit. Doch schon tat mirs leid, so gesprochen zu haben, ist es mir doch nicht entgangen, wie ihre klaren blauen Augen trübe wurden, den Blick senkten und eine feine Röte in die Schläfen trat. Schwer lag mirs auf der Seele und mit Mühe half ich mit, wenigen Worten über die Antwort, die ich schon ahnte, hinweg. Nochmals dankend für den duftenden Strauß, nahm ich Abschied - von dem Mädchen. „Kommen Sie wieder, wenn die Rosen dahin sind, es brechen noch viele Knospen aus," rief sie mir nach und ich versprach es gern. Daß sie mir keine Ruhe mehr ließ, die kleine Künstlerin in dem Blumengärtchen um das alte Haus mit seinen freundlichen Augen ? Ich habe die Leute gefragt und die sagten daß sie ein überspanntes Ding sei und mit ihrer „Vornehmtuerei" nie und nimmer einen Mann bekommen würde und daß sie so irgend ein feiner Herr, wie sie schon einen haben möchte, höchstens zum Narren halte, das hätte man ja im vorigen Sommer gesehen. Aus deni Tanzboden ließ sie sich nie sehen und wenn die Burschen und Mädchen zu sammen wären an den Abenden erst recht nicht. — Ich war nicht überrascht von dem„was ich hörte, es nahm mir auch nichts von der Sympathie, die ich für Grete hatte. Wenige Tags, nachdem ich die Rosen heimtrug, an einem Spätnachmittag, wieder im Sonnen schein, saß ich das zweite Mal bei ihr in der Laube. Die Bienen summten, kleine blaue Sommervögelein gaukelten in sorglosem Spiel über Blumen und Kies. Vom Walde herüber hörte man jubelnde Kinder, die beim Beerensuchen waren, ein echter, rechter Sommertag. Damals erfuhr ich die ganze, viel in sich tragende Geschichte meiner Freundin. Eine reiche Seele, welche hinaus- gewachsek über den Alltag, und deren Glaube an Glück und Liebe schon so jung verletzt werde» mußte. Erfüllt mit Wissensdurst, Schönheitssinn und Bescheidenheit. Reich war sie und doch so arm. Hinein in ihr Eigen mit der Sommersonne kam die unge schickte, gewissenlose Hand dessen, der die Schönheit sucht, bricht und wegwirft. Sie, die Unverstandene in ihrer Umgebung, glaubte sich verstanden bei dem jungen Mann, welcher die Wissenschaften studierte und seine Ferien in herrlicher Bergwaldung verlebte, der die frische Blume als angenehmes Beigeschenk empfand, den ihre Art, ihre Klugheit und Hunger nach dem Mehr entzückten, der aber auch die Reize schlichter Schönheit sah und genießen wollte. Was kümmerte es ihn, daß er dem Mädchen die Ruhe nahm, sie un glücklich machte! Ach, ob er es überhaupt wußte, nur einmal dar über nachgedacht hat? Er ging, — ging aus ihrem Leben, ob er einmal noch zurückgedacht, und wie? Da, wo er selige Stunden genossen, wo in einem jungen Herzen das Glück der Liebe empor geblüht, dort liegt ein Strauß Purpurrosen und blaue Glocken. Die Treue eines reinen Sinnes, die auch der Bitterkeit und dem Betrogensein trotzt. In dem Gärtlein Gretes blühen jedes Jahr die roten Rosen, auf ihren Wangen weiße. Wie dunkle Rosen die Lieb', ein Traum Voll Duft und Sonnenschein. Erwacht, gegrüßet kaum Und hingegangen ins Berlorensein. UlllllllllllllUIIIIUlUlUIUMIIIUUIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIHIMUIUMIUIttllMUUMIMIIIIIMIttlMIIIU 'M Mittelalter u. ikre Zerstörung durck die lZurg von Wilk. löerrmann- Noknau Zu bezieken gegen Einsendung von Mk. 1,50 durck den Verlag der Oberlausitzer kZeimatzeitung, Reichenau i. Sa.