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Hberlaufltzer He!matzsltung (ttr. N iso den Finger tief hineinstecken mußte und diesen dann mit wirklicher Liebe und Andacht behutsam durch den Mund zog, zu prüfen und zu proben, ob Mutter auch alle Mäßlein richtig gemefsen und gemengt habe. Nachmittags gab es ge wöhnlich schon warmen Kartoffelkuchen zu kosten. Das war ein kleines Vorfest an sich. Der Sonnabend selbst war halber Feiertag. Die Wolken hatten meist schon vorher ausgewaschen, alles war blitzblank, der neue Anzug wurde anprobiert, es wurde versucht, ob die braunen Schuhe paßten. Natürlich! Dann durste sie jedermann sehen, sogar die Sohlen, die noch glatt waren. Und immer wieder liebkosten die Augeü diese herrlichen Dinger. — „O Kinderschuheherrlichkeit, wie bald bist du entschwunden!" Der erste Pfingstfeiertag wachte auf mit Grünen und Blühen, mit Vogelsang und Menschenjauchzen, mit feier lichem Glockenklang, der die Herzen zu heiligen Höhen trug. Natur und Menschheit, ein einziger Feiertag, alles geschmückt, alles freudig, so sehe ich die Heimat um Pfingsten. Vater und Mutter hatten am Feste im Geschäfte zu tun; wir Kinder aber spielten auf Wiesen und im Wald, waren Prinzen und Prinzessinnen, flochten uns Blumenkroneu auf das Haar, aßen Kuchen, tranken Kaffee oder gar Kakao, spielten wieder, tanzten im Maien den Reihen und aßen und tranken aufs neue. Aus dem Vaterhaus scholl Musik. Die machte dem Buben die größte Freude. Und noch, wenn er im Bettchen lag, wenn die Mutter schnell einen Husch gekommen war, mit ihm zu beten, da klangen die Töne der Musik und der Jubel fröh licher Menschen zu ihm in die stille Kammer herauf, wurden leiser und leiser und bauten ihm in Träumen Wunder welten auf II. Wie der Bub sein Dorf, so liebte der Schüler die Klein stadt. Sie liegt am Rande eines stundenweiten Waldes, geht einmal bergauf, bergab und wieder bergauf. Dann ist mau auf dem Markt. Unter den vielen alten Gebäuden, die lange, geheimnis volle Geschichten aus guten alten Zeiten erzählen können, stand mein neues Vaterhaus und hatte einen trauten Namen: „Zur grünen Tanne", wo all die Vornehmen und Großen derStadt, darunter sogar meine prächtigen Lehrer, ihr billiges Abendschöpplcin tranken und dabei in behaglicher Ruhe aus das geschäftige Treiben vor den Fenstern schauten. Im besagten Städtlein mar Pfingsten ein Fest für Groß und Klein. Tage vorher kam ein wahrer Wald von weiß stämmigen Birken mit frischgrünen Blättern zu Markte. Tor und Türen wurden alsdann mit zierlichen Bäumchen versehen, gemäß dem frommen Liede: „Schmückt das Fest mit Maien!" „Unser Friedrich" aber, nebenbei ein äußerst geschäfts tüchtiger Manu, vom frühen Morgen bis spät nachts auf den Beinen, sorgte, wenn die Bauern der Umgegend mit ihren Wäglein zum Tore hinaus waren, nachdem sie ihre letzten Festeinkäufe gemacht hatten, für die abschließende Reinheit und den festlichen Glanz unseres Hauses. Die Blumenkästen, frischgrün gestrichen, wurden wieder an den Fenstern angebracht, steif und stolz standen da die feuerroten Pelargonien, und der blühende Efeu rankte lässig über den Kastenrand die weißgelb gestrichene Mauer hinunter. Nun konnte das Fest kommen, damit zugleich für das Städtchen das Schützenfest, oder wie wir sonst sagten, das Pfingstschießen. Und es kam auch. Gar zeitig machte es die unbesorgten Kleinstädter munter; denn schon morgens 4 Uhr weckte uns die Stadtmusik. Nie ist mir das Frllhaufstehen leichter geworden, als wenn der neue Schlltzenmarsch ertönte. Auf ihn freute sich die Jugend besonders. Mögen auch die ersten Takte nur leise an die Sinne geklungen haben, eins war sicher: Beim ersten Teile noch sprang ich aus dem Bett ans Fenster, um jeden Ton zu erhaschen. Die frischen Klänge aber zogen über Markt und Gassen, pochten an die Fenster und rüttelten das verschlafene Städtchen wach. Wunderliche Gestalten oft standen dabei an den Fenstern. Waren die Musiker mit Klingling-Bumbum und Tschiugtada verschwunden, gab man noch einen Blick zum Himmel, was er zu dem Morgen gruß sage, worauf man abermals zu einem kleinen Schlummer ins Bett schlüpfte. Und wenn in der Ferne die Töne leise verklangen, war man wahrhaftig wieder eingenickt. Wachte man dann etwas verspätet auf, so schreckte man förmlich empor, um ja nichts vom Feste zu verpassen; denn zum Pfingstschießen war unser liebes Städtel ganz außer dem Häusel. Da gab es Marktmusik, bei der sich die junge Welt in ihren schönsten, eigens dazu aufgesparten oder angeser- tigten Kleidern ein harmloses Stelldichein gab und lachend und schwatzend um den Markt promenierte, während die kleinen Jungen bei der Musik standen, um ja keinen Ton zu verlieren; da gab es ferner Umzüge und Einzüge, da wurde der alte Schützenkönig herausgeführt und der neue hereingeholt, und alle diese Herrlichkeiten gingen vom Markte aus und endeten dort. Wir waren eben Mittelpunkt. Freilich blieben wir Schülermit unseren lichtblauen Mützen die meiste Zeit auf der Schützenwiese. Da war der schönste Jubel und Trubel: Allerlei Buden mit Pfefferkuchen, ge brannten Mandeln und türkischem Honig, mit warmen