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als sich der Grenzwächter, zufrieden lächelnd, davon machte, rief er ihm nach: „Heute im zwee ward wieder Schnops gehüllt!" Matthes hatte rote Flecke an den Kopf bekommen, und nach zehn Minuten schien es ihm, als verwandelte sich das Grün der Bäume abwechselnd in Schwarz und Grau. Es begann ein Flimmern vor seinen Augen. Er hörte nicht wie der Polier schimpfte und tobte. Mühsam taumelte er nach der Bretterbude und lllmmelte sich drinnen aus den wackligen Tisch. Bis zum Mittag blieb er hocken und schlief seinen Rausch aus. Ein Glück war es, daß der Straßenmeister nicht kam. Gleich nach dem Essen wurde wieder Geld eingesammelt, und der Polier machte sich selbst mit der Firnisflasche aus den Weg. Als er zurückkam, stand wahrhaftig der Blank- knöpfige wieder da. Genau wie den Matthes, begann er auch ihn zu behandeln. „Der Schnaps wird auf der Stelle getrunken oder er bleibt in Böhmen!" Da kam ein Grinsen unter dem Hute des Poliers hervor. „Kummt amol olle har!" winkte er die Arbeiter heran. Und als diese die Grenze überschritten hatten, ließ er jeden einmal trinken. Dann nahm er die Flasche und ging damit zum nächsten Grenzstein. Ander böhmischen Seite des Steines setzte er sie ins Gras. „Wenn mer oh a Sachsen orbeitn, do giehn mer abn no Biehmen trinkn," sagte er dabei. Verblüfft stand der gewissenhafte Herr Grenzaufseher da, während die Wegebauer, schadenfroh lächelnd, an ihre Arbeit gingen. Zwar hätte er der braunen Flasche gern etwas zu leide getan, aber er überlegte sich, daß er das nicht durfte. Er hatte nur die Grenze zu überwachen und aufzupassen, daß nichts hinüber- und herübergebracht wurde. Bon nun an stand die Firnisflasche der Sicherheit halber jenseits der Grenze, bis der Gemeindeweg am Spitzenberg ausgebaut war. Schule und Dialekt Aus der Praxis eines Oberlausitzer Elementarlehrers I. ^Muttersprache, Muttcrlaut, mags auch Mutters Mundart sein, klingt „so wonnesam, so traut," heimischer als „hochdcutsch'rein." Hört ein Kind nun Tag für Tag Dialekt als „Mutterlaut", es nichts andres sprechen mag, wird's der Schule anvcrtraut. — Elementaristcnschar, allerliebstes, muntres Chor, bringst mir nun schon manches Jahr Hochgenüsse für mein Ohr. Ist dein Redefluß auch „klinsch", hab daraus ich doch „geschcppt" unverfälschtes „Kauderminsch", echt Originalrczept. „Mutterlaut" ist dir bekannt, „Hochdeutsch" aber Größe X. — Welcher wird nun angewandt von den pädagogschen Tricks, um der alten „Muttersprach" zu verleihen neuen Klang, ohne dabei Weh und Ach zu bereiten wochenlang? — Geht man vom Bekannten aus zu dem Unbekannten hin, so erwächst gewiß daraus glänzend lohnender Gewinn. — Dialekt drum wend ich an anfangs mit den Schülern klein, „Hochdeutsch" kommt auch dann und wann. Schließlich folgt das „Hochdeutsch-rein". II. „Mutterlaut" Nur ein Beispiel sei hier angeführt, wie das kleine Chor nicht reagiert, wenn man „Hochdeutsch" mit ihm sprechen will. — Setz am ersten Lage mir das Ziel, mich bekannt zu machen mit der Schar, die mir anoeitraut das erste Jahr. — „Sagt mir einmal recht hübsch, wie ihr heißt!" — Eichon ist manches Herzchen wie vereist. Ob des „Hochdeutschs" ungewohntem Klang staunen manche, andern wird es bang. — Solch ein Mädchen kommt jetzt an die Reih. Freundlich fragt der Lehrer, wer sie sei: „Sag mir deinen Namen doch, mein Kind!" Doch das Mädchen nicht zurecht sich find't: „heißt" und ^Namen" kommen seinem Ohr grade so wie „bihmsche Dörfer" vor. „Ei, du weißt wohl gar nicht, wie du heißt?" (Lehrer, scherzend gern, Geduld beweist.) Wie zuvor bleibt's Mädchen stumm und still, hat für „Hochdeutsch" wenig Sprachgefühl, Da dies Fragen aver nimmt kein End, ist die Kleine trostlos, und sie . . „flennt". — Doch der Lehrer weinen gern vermißt, greift drum schleunigst zur erprobten List: „tzirschte du, hihr uff itz mit denn' Flenn', soi m'r'sch ock, wams Madfl bisde denn?" Wunderbar! — Wie „wonnesam und traut" wirkt geschwind aufs Kind solch „Mutterlaut". — Tränen schwinden. — Heimisch fühlt sichs jetzt. Nicht mehr ist sein Sprachgefühl verletzt. Hübsch vertraulich öffnet sich der Mund, und das Kind gibt seinen Namen kund. — Ganz zuletzt hat's „Madjl" noch gelacht. Alles das hat „Mutterlaut" vollbracht. III. Oberla u sitzer Elementar! st endcutsch, „Dort! Was ist das für ein Mann, dem Wind und Meer gehor sam sind?" — endet die Geschichte, der von Anfang an gefolgt ist Kind für Kind. Diese Andacht und Begetstrung heut gefällt mir. Ich probier, ob auch schon verstanden das Gehörte, lasse gleich erzählen mir. Um den Redefluß ja nicht zu stauen, so unterbrech ich nicht. Auch der Dialekt genügt dann, wenn's an Hochdeutsch mal gebricht. Mag das Mündchen plaudern und erzählen nach angeborner Art. Mir gereichts zur Freude, wenn das Bölkchcn den Dialekt sich wahrt. — So der kleine Ladisch, ganz fanatisch, genau reproduziert, was dem Herrn und seinen Jüngern damals beinahe mär passiert. Er erzählt und tut sich keinen Zwang an, berichtet sinngemäß, alles leidlich hochdeutsch bis zur Stelle, wo Jesus hinten säß. Nunmehr scheint ihm Hochdeutsch ungeeignet. Zu feiner Fantasie kann nur Dialekt ihm Worte zeugen. (Sie wirken „wie noch nie"): „Jesus hatte sich in eine Eck „gequängt" und schlief (in Ruh) und ein großer Wind kam, und ... die Wellen ... die ging'n sich ock su!" Wenn die Kleinen hübsch erzählen können, darob ist man erbaut. Richtig bleibt der Sinn, obgleich sich „Hochdeutsch" mengt mit „Muttcrlaut". Mar Iuughaus. MlMMMiUlttMMIMMlttttMttMIMMttttMUHMMMttttttHMttrMttttMNMttNttttMttNtttt Mein Kirschenbaum <^)u aller, schöner, wilder Kirschenbaum, So festgewurzelt in der Heimaterde, Perwachsen bist du mir mit jedem Traum, Darin ich wieder jung und glücklich werde. In meiner Ktnderzeit hast du gerauscht Ein Märchen, das ich nie verstanden — Und dem ich doch so gern gelauscht, Wie Kinder, die Schneewittchen sanden. Pon meiner Jugend Glück und Leid Eia Zeichen trägt noch deine alte Rinde, Ein Denkmal ists an jene selige Zeit, Das mir vertraut von erster Liebe künde. Und als ich dann die liebe Heimat ließ, Bis wandermüde ich bin heimgekommen, Du guter Baum in meinem Paradies, Du botest mir ein freudiges Willkommen. Und alles, alles hab ich dir vertraut, Was ich im Herzen trug als heißes Sehnen. In Andacht hab ich zu dir aufgeschaut Ein Segnen wars, ein stilles Krästenehmen. Du lieber, schöner, alter Kirschenbaum, Um dich weht noch der Heimat frischer Odem Und schenkt dir wieder einen Bllltentraum — Sch aber welke sacht in fremdem Boden. Marg.