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auf Katharinenhof und die malerische, hochgelegene Windmühle und biegen bei dem nach dem „Großen Berge" zeigenden Weg weiser wieder von der Straße ab.Der Berg trägt eine hochinteressante Laubwaldflora (Schlehe, Efeu, Immergrün, Rosa vomifcra usw.). Die freundliche Bergwirtschaft gemährt einen entzückenden Blick auf Lausitzer-, Ieschken- und Isergebirge, der äußerst umfassend ist. Wir werfen noch einen Blick auf das „steinerne Meer" und steigen von dem 435 Meter hohen Gipfel südöstlich nach den Christophs Häusern ab. Auf der anderen Seite streben wir am Waldrande dem 350 Meter hohen SchönbrunnerBerge zu, einem Dorado für Botaniker, das im herrlichsten Blütenkleid prangte. Fast möchte man Bedenken tragen, dieses verschwiegene Pflanzcnparadies der Allgemeinheit zu erschließen. Zum mindesten muß hier unbedingt der Heimatschutz seines Amtes walten. Die sattblaue Hepatica triloba bedeckt unübersehbare Flächen. Die seltene Anemone ranunculoides, Corpdalis cava, Pulmonaria officinalis und andere liebliche Kinder Florens sind hier zu Haus. Bon hier aus wenden wir uns zum Klosterweg und am 398 Meter hohen Buchberg vorüber, bis wirdicWittgendorf-Burkersdorfer Straße kreuzen. Hier bistet sich uns ein schöner Blick auf das Isergebirge mit Schloß Friedland und dem Isschkenzug. In der bisherigen Richtung kommen wir weiter nach Dittelsdorf und seinem hübschen Dorfplatz mit Schulhaus und Linde. Wir kreuzen den schöngebauten Ort und gelangen über den Mühlweg zur Zittau-Görlitzcr Straße, sowie endlich nach dem Hirschfelder Marktplatz mit seinen malerischen Laubenhäuscrn und Fach- werkbautcn. Hier endet die erste Teilstrecke des neuen Weges. Sie beläuft sich von der Kottmarschenke aus auf 22 Kilometer und bietet eine überraschende Fülle bemerkenswerter Landschaftsreize und ent zückender Fernblicke. Bon hier aus soll der Weg einerseits nach dem Gickelsberg, andererseits durch das Neißtal und Kloster Marienthal nach Friedland weiterführen. Die Begehung der zweiten Teilstrecke durch Vertreter der zuständigen Gebirgsvereine soll bereits in der nächsten Woche erfolgen. Der ganze Weg berührt Gegenden, die bisher abseits der allgemein bekannten Wanderstraßen lagen, ihnen aber an genußreicher An regung in nichts nachstehen. Der Verband „Lusatia" wird sich mit seiner neuesten Schöpfung bestimmt den Dank aller Natur- und Wanderfreunde sichern. Die Firnisflasche Eine Geschichte aus der Obcrlausitz vonHcrmann Klippel Weg ließ die Gemeinde Sohiand an dem ab- gelegenen Spitzenberg ausbauen. Dieser lies ein Stück dicht an der böhmischen Grenze entlang und bog dann im Tal über dieselbe hinweg nach Böhmen hinein. Alle Morgen machten sich deshalb im Dorfe ein Polier und fünf Arbeiter auf und wanderten die wohl eine Stunde lange Strecke, durch Wiesen, Felder und Wald, hinaus zur Arbeitsstätte. In ein buntes Tuch eingebunden trug jeder im irdenen Topf sein kaltes Mittagessen mit. Das Handwerks zeug blieb jeden Abend draußen in der Schutzhütte, die am Bergabhange errichtet worden war. Die sechs Leute hatten ein ruhiges Arbeiten hier oben im rauschenden Walde. Kaum, daß sie jemand hörte; nur der Straßenmeister kam dann und wann einmal gucken und überzeugte sich, daß die Arbeit immer einigermaßen vorwärts ging. Sonst überanstrengie man sich nicht besonders, zumal ja auch Wochenlohn gezahlt wurde. Wenn es regnete, saß man, Pfeife rauchend, in der Bretterbude, trank ab und zu einmal herum und schaute den Regentropfen zu, die an das kleine schmutzige Fenster klatschten. Neben dem Handwerkszeug wurde allabendlich auch eine tönerne Flasche in die Hütte eingeschlossen. Diese war den Wegebauern der wichtigste Gegenstand hier draußen. Sie hatte einen anständigen Bauch und mochte wohl gut drei Liter fassen. Des unauffälligeren Klanges wegen nannte man sie „Firnisflasche!" Jeden Morgen, wenn der Bretterschupven aufgeschlossen wurde, griff der Matthes nach dieser Flasche, während die anderen die Hacken und Schaufeln ans Licht brachten. Dann ließ er sich von jedem zwanzig Pfennige in die Hand legen und tat selbst auch seine zwei Groschen dazu. Darauf ver schwand er quer durch die Himbeerstauden über die Grenze. Eine Viertelstunde hatte er bis nach Rosenhain, dem ersten böhmischen Dorf, zu gehen. Dort wußte der Klingerwirt schon Bescheid, wenn er den Matthes über die Wiesen herunter kommen sah. Er fing dann immer an zu mengen und zu sammenzugießen: ein Drittel Guten und zwei Drittel Ein fachen. Keine Rede brauchte dann um das Geschäft gemacht zu werden. Matthes reichte nur die Flasche hin und legte das Geld auf den Tisch. „Grüß Gutt!" und „Danke schiene!" waren die einzigen Worte, die man dabei verlor. Höchst selten wurde mehr ge sprochen. Droben am Berge ließen fünf Mann die Hacken und Schaufeln fallen, wenn es im Himbeericht raschelte und des Boten Tritte hörbar wurden. Nachmittags wiederholte sich dasselbe Spiel. So ging es Tag um Tag, und die sechs Wegebauer mochten es so leiden. „Ane state Ortzeit und a Firn's derzu!" war des Polters zufriedener Spruch. Aber in diese Gleichmäßigkeit fiel eines Tages etwas quer hinein. Der Matthes kam mit der gefüllten Flasche durchs Him beergesträuch. und die anderen bemerkten, daß er einen Be gleiter hatte. Das war Reibert, der Grenzaufseher. Die blanken Knöpfe an der Brust blitzten und der gewaltige Schnurrbart stand unter der Nase wie ein Flugzengpropeller. Man konnte nicht verstehen, was die beiden miteinander sprachen; erst als sie sich den grauen Grenzsteinen näherten, brüllte der Grenzwächter: „Halt! Keinen Schritt über die Grenze! Sie wollen wohl den Schnaps hinüberschmuggeln!" Der Matthes wandte erschrocken den Kopf, und auch den fünf anderen wurde es ein wenig seltsam zumute, als der Arm des Gesetzes so zwischen sie hinkrachte. Aber das war nur einen Augenblick; denn schon besann sich der Polier und rief dem Grenzer zu: „Nanu! seit wenn is denn a Liter Scknops ne mieh frei?" Einen Augenblick stutzte der Griinrock; denn er wußte es auch nicht genau, ob so ein Tropfen unverzollt über die Grenze durfte. Aber er konnte sich doch vor diesen Arbeitern keine Blöße geben, darum antwortete er: „Das muß ich am besten wissen!" und zu Matthes ge wendet: „Der Schnaps kommt mir nicht über die Grenze! Trinken Sie die Flasche sofort aus oder sie bleibt hier hüben!" Matthes zögerte und sah fragend zu den Kameraden hin über. Die standen ratlos da und sagten kein Wort. „Die Gelegenheit ist günstig," dachte er, zog kurz ent schlossen den Kork von der Flasche und hob sie zum Munde. Nur einmal setzte er ab. Mit wehem Herzen standen die fünf und sahen zu. Indes Poliers Augen wetterte es, und am liebsten hätte er den beiden dort drüben seinen Schaufelstiel über die Buckel ge brannt. Doch cs Kain ihm schon wieder ein Gedanke, und