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auf die dampfenden Roste. Doch sie nützten nichts. Die Pferde rührten sich nicht. Sie standen wie fest gemauert. Da stieg er vom Wagen. Nun will ichs mal im Guten versuchen! Gedacht, getan. Er ging zu den Pferden, streichelte sie, gab ihnen di« Reste von seinem Vesperbrot, redete gut zu — doch auch das hals nichts. Er wußte, daß sich daheim seine schwcrkranke Frau gar sehr ängstigen und sorgen werde, wenn er solange ausbleibe. „Ich muß heim!" so lautete seine Parole, und deshalb griff er zum denkbar letzten Mittel. Er. der schon lange nicht mehr die Hände gefaltet, sing an, seine Knie zu beugen und ernstlich zu beten. — Doch der gewünschte Erfolg blieb aus. Trostlos rannte er umher. O wäre ich doch die breite Landstraße über Kirschau gefahren! Was bloß anfangen jetzt zur mitternächtigen Stunde? In Wilthen schlug die Turmuhr eins. Auf einmal zogen die Pferde an, und fort gings im Galopp durch die Heimatlicken Grfilde. Niemand war froher als der vor Angst und Wut schweißtriefende Kutscher. Man erzählt sich, daß zum Bau jener Brücke ein Leichenstein verwendet worden sein soll. Alte Leute gehen heute noch ungern an dieser Stelle vorüber. >mi»jmn»immnim!:!»mmin!mmiatt!ms»ll!m!!0»m»»chutt»p.in,l»uiminmm»mi! Von Gründonnerstagen und vorn Gründonnerstag AindheUserinnerrmgen von S. S. R. ^^ast Du schon einen Gründonnerstag? frag ich, noch ziemlich am > Anfang aller Schulbildung stehend, Mitte Februar meine lang- zöpfige Freundin, die in ihrem grünen Tuchkleid und ihrer erhabenen Altersüberlegenheit gelassen neben mir herschbndcrt. „Nee, ätze gibdts doa no keen. Du?" „Ja," beantwortete ich stolz die er wartete Frage. „Bo man denn?" erkundigte sich neugierig und nei disch die Mindcrglückliche. „Von Herrn R." bekenne ich. „Woas hostn do kriggt?" „Einen ganz großen Schokolndenhasen, wie sie bei R s immer im Schaufenster stehen haben." „Wenn D' sonst nlscht host; dann doarfst ja doa ne assn!" „Er geht aber zum Aufklappen und innen find bis oben rauf Schokoladenplätze!. Da hab ich schon viele gegessen!" „Do gibb wer oack o a poar dervon!" „Wenn Du mit zu mir gehst!" Und triumphierend führ ich die wegen ihrer Welt sicherheit von mir sehr bewundeite Freundin vor den Schokoladen hasen. der in braunglänzender Herrlichkeit, ein rotes Bändchen um den Hals, vom Schränkchen beschaulich auf uns niederschaut. . . . Ja, solch ein Schokoladen- oder Marzipanticr eröffnete fast jedes Jahr bei mir den Reigen der „Gründonnerstage", dieser in meinen Kinderaugen herrlichsten Einrichtung der Oberiausitz. Es war nicht immer ein Hase, es war auch mal ein Schaf, ein Elefant, ei» Kücken, oder gar die Urform alles dessen, ein Et. Nachdem sich dieses aber eingestellt hatte, war mein ganzes Wesen Erwartung. Alle unvorsich tigen Besucherinnen, die in dieser unvergleichlichen Zeit mit einem Körbchen oder einer Tasche unsere Stube betraten, verleiteten mich zu kühnen Träumen in Bezug auf den Inhalt dieses Körbchens, bezw. dieser Tasche. Und oft waren sie, dem Sprüchwort zum Trog, keine Schäume, wennschon manchmal meine Geduld aus eine harte Probe gestellt wurde. Besonders durchtrieben ging dabei meine Tante E. vor, und wenn sie mit einem noch so verräterisch großen Korbe kam und die Rolle, die lang unter dem Deckel heroorragte, ganz bestimmt ein Bilderbogen war. Freundlich und liebenswürdig wie immer be grüßte sie uns, stellte den verheißungsvollen Korb beiseite, kleidete sich aus, setzte sich an den Tisch, zog den Stricksirumpf tervor und tat mit Mutter und Großmutter ein behagliches Schwätzchen. Dann brachte Mutter Kaffee und Kuchen, der Vater kam aus dem Geschäft und es gab — noch ein behagliches Schwätzchen! Es war gewiß gar nicht so sehr lang, aber mir verknüpfte sich der Begriff Ewigkeit arg damit. Und dann — ja dann sprach die Tante vom Heimgehen und ich ließ, obwohl ich eigentlich hätte durch Erfahrung klug sein können, doch immer wieder alle Hoffnung fahren. Wer kennt des Menschen Herz? In dem Korbe war ja, meinem geübten Blick nach, bestimmt ein Gründonnerstag, aber wer weiß, wohin er kam? Da konnte es nichts nützen; ich schluckte ein bißchen und lächelte dann trotzdem der Tante tapfer zu, die eben für diesmal eine andere Nichte oder einen Neffen glücklich machen wollte. „Nee aber, ök hättch ja glei ganz oergafln, doaß 'ch 'n tzoannl ann Gründornschtch mitgbrocht hoa. Glei hiitt 'ch 'n wieder mit heem- gnomm. Ach weeß ja f-cich ne, ob se enn mag," worauf ich, die ich vor Freude und Überraschung kein Wort herausbringen konnte, stumm aber eiligst und vielmals nickte, um ihr solche Bedenken gründlich zu zerstreuen. Und nun wurde-, meine Träume alle weit übertroffen: ein Napfkuchen, eine Tafel Schokolade, eine Apfelsine, Pfefferkuchen, eine Schürze, oder ein Poesiealbum in veilchenblauem Samt, ein Kästchen Briefbogen, oder was es sonst gerade passendes für mein jeweiliges Alter gab, kam langsam, aber sicher aus dem großen Korb zu mir. Nicht zu vergessen den Bilderbogen, der gchöitc unbedingt dazu, war mir eigentlich das, was den Gründonnerstag erst zu einem richtigen Gründonnerstag machte! Ich war immer gern Mutters Laufmädel, ging eifrig einkausen, aber so eifrig wie in der Gründonnerstagszeit wohl nie. Voriges Jahr hatte ich aus dem und jenem Geschäft einen Gründonnerstag bekommen, da konnte man doch nicht wissen . Daß nur die Mutter gar so wenig zu holen hatte! Man konnte kaum einmal am Tage gehen, und es wäre einen, doch ganz gewiß auch zehnmal nicht zu viei gewesen . Bis endlich, endlich der selige Augenblick kam, da Frau R. oder S. bedeutungsvoll sagte, mir einen großen Stapel Bilderbogen hinschicbend: „Na, da suche Dir nur mal einen recht schönen aus," und ich klopfenden Herzens, mit der Qual der Wahl, mir die verlockenden Überschriften las. Hatte ich schließlich den aller- herrllchsten herausgefunden, ergänzte die Spenderin dann den Grün donnerstag noch durch eine Apfelsine, eine Schokoladentafel, ein Bis- quitherz, ein paar Hörnchen und ähnliche Näschereien, die ich glück strahlend heimbrachte. Zu Hause baute ich dann die ganzen Herrlich keiten malerisch auf einem Nebentischchen auf, setzte mich davor und freute mich so recht aus Herzensgrund darüber. Die Freude war mir ja eigentlich immer die Hauptsache, und wenn der Gründonnerstag nur aus fünf Pfennigen bestand, wie der, den mir eine arme Kranke, der ich hin und wieder Essen brachte, schenkte, zum Herzlichdrüber freuen war er mir nicht zu klein. Ich fühlte aus jedem instinktiv die Liebe, die man mir und den Meinen entgcgenbrachte und darauf ant wortete mein Herz. Eine heikle Sache war es aber, wenn ich mir einen Gründonners tag „holen" sollte. Es hatte freilich auch das seinen großen Reiz für mich und erwarten konnte ich den Tag. an dem ich kommen sollte, kaum, aber dann: Ging cne Augoroeruiig von einein GewMl aus, gab es den Ausweg des Etwaseinkaufens, den ich nach langem Zö gern von früh bis zum späten Nachmittag schließlich doch benützte. Freilich erinnerten sich die Einlader der Einladung nicht mehr, war der Weg umsonst, denn nie und nimmer hätte ich den Zweck meines Kommens über die Lippen gebracht. Erfolgte aber die Aufforderung von einer Familie, in die mich kein Grund führen konnte, erging es mir wie meiner Mutter, die vcn einer ihrer Paten nie einen Grün donnerstag erhielt, weil sie nie zum holen desselben zu bewegen war. Als ob ein Paten-Gründonnerstag eine Kleinigkeit wär, rind nicht der größte, hauptsächlichste und bestimmtcrwartetstc von allen. Früher, zur Zeit der Eltern und Großeltern, erhielt der glück liche Pate außer der Wassersemmel oder Bretzel und dem Pfennig ringel, das jedes der Geschwister erfreute, einen Napfkuchen. Ach, wie das schmeckte! War doch in jener Zeit schon eine Semmel ein rarer Genuß, den sich selbst die „Verschwenderischen" nicht jeden Sonn tag leisten konnten, da die Bäcker durchaus nicht jede Woche, des mangelnden Absatzes wegen, solche Köstlichkeiten hcrstellten. Unter dem ständigen, gegenseitigen Fragen: „Wieviel hast Du denn Gründonnerstage?", der Aufzählung und Namensnennung der Spender in gew'ssenhafter Reihenfolge samt den Herrlichkeiten, die uns zuteil geworden waren, kam, ungeduldig erwartet, endlich der Gründonnerstag heran. Das „Gründornschtchsäckl", nach dessen Größe und Vorhanden sein sich die erwachsenen Besucher schon Tage vorher schmunzelnd erkundigten, lag bereit, das Verbot im Zittauer Amtsblatt, das ein besonders necklustiger Familienfreund mitgebracht und vorgelcsen hatte, und dis Betrübnis, in die cs uns kleine Schar versetzte, war ver gessen. Nun hieß es nur noch zeitig zu Bette gehen, damit man cs früh nicht verschlief. Eines Abends erinnere ich mich, an dem ich schon um 6 Uhr in den Kahn stieg, aber aus dem Einschlafen wurde nichts. Die Strahlen der Hellen Borfrühiingssonne, die noch garnicht müde waren, ließen sich durch die zuaezogenen Vorhänge nicht beirren und gaukelten um so sichtbarer im dunklen Zimmer herum, von der Straße klangen die Stimmen noch spielender Kameraden und Kamrrüdlein, deutlich hörte man das Reifenfchlagen, Wagen fuhren knarrend vor bei, und zu all dem »rußte ich mich noch mit einer kleinen Freundin, die als Schlafgast bei uns weilte, von den Freuden des morgigen Tages unterhalten. Stunde um Stunde schlug, cs wurde dunkel, still, von draußen hörte man nichts mehr, aber unsere Mäulchen hörte man noch, und gewiß wären sic die ganze Nacht zu hören gewesen, wenn nicht das Machtwort der Eltern nnserm schönen Gespräch ein Ende bereitet hätte. Munter waren wir aber trotzdem schon srüh um vier — ich schlief vor lauter ErwartungsseliZkeit Überhaupt die ganze Nacht nur halb — nur wurde nun wieder das Aufsichcn noch nicht erlaubt. Und so lagen wir pochenden Herzens, in zitternder Angst,