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ISS Gberlausiher Heimatzeitung Nr. 12 „Gewiß, wenn man nur an die maierielle Not denkt. Aber stelle dir vor, du erhieltest den zehnfachen Lohn, wärest aller wirtschaftlichen Sorgen enthoben. Glaubst du im Ernst, daß dir dann die Stadt zur wirklichen zweiten Heimat ge worden sei?" „Wenn o doas ni " „Also! Und ich sage dir: wenn dir diese Stadt Millionen gäbe, sie bliebe dir fremd und feind wie jetzt. Ein sinniges Märchen erzählt, wie ein frisches, schlichtes Landmädchen von einem Grasen gefreit und mit in die herrliche Stadt, ins reiche, schöne Schloß genommen wird, wie sie in den ersten Minuten über all die neue Pracht entzückt ist, wie sie dann sich fremd und elend fühlt, wie ihr Gemahl und die ganze Umgebung, die's doch gut mit ihr meinen, ihr wie tote Masken erscheinen, mit denen sie kein Wort reden kann, wie sie vereinsamt, wie sie, als sie bei einer Fahrt aufs Land an mähenden Bauersleuten vorüberkommt, aus dem Wagen springt, sich ihr seidenes Kleid vom Leibe reißt, dem alten, grauhaariger Bauern die Sense aus der Hand nimmt und lustig das gelbe Korn schneidet, wie sie ihren Kutscher zurück schickt ins Schloß, sich in dürftige Magdtracht hüllt und die Heimat aussucht, wo sie wieder sroh und glücklich wird." Tauscher nickte sinnend mit weiten Augen. „A Märchen ls doas, ja ja, a schienes." „Und ein wahres!" „'s labt aber moancher Derfler a dar Stoadt, dar sich nie mehr ziricksehnt uffs Land, dann nirscht sahlt, und dar o a an Groasenschlusse heemisch wierd." „Du hast recht, es gibt Leute, die leicht und überall heimisch werden, die unsre Not nicht kennen. Das ist aber eine besondere Sorte von Menschen. Sie sind glücklich dran. Trotzdem weiß ich nicht, ob ich mit ihnen tauschen möchte. Aber das eine weiß ich, Hermann, daß wir beide nicht zu ihnen gehören! Was sagst du dazu: in diesen sechs Jahren habe ich dreimal die Wohnung gewechselt. Zunächst wohnten wir in der Nähe der Bibliothek, in der ich arbeitete, hatten schöne Räume, Sonne, auch ziemliche Ruhe und gleichzeitig bequeme Nähe zum Verkehr. Ganz ideal also, und doch bekam ich die Wohnung bald satt, ich vermißte das Grün und den blauen Himmel. Wir zogen also nach der Vorstadt, ganz an den äußersten Rand. Die neue Wohnung hatte alle Vorzüge, vor unseren Fenstern wallte das Korn und dehnten sich weite Baumschulen aus. Darüber hinweg blickten wir. nach diesem Eibbcrge und nach der Sächsischen Schweiz Lerchengesang gab's, dis Hasen kamen ost bis in unfern Vorgarten. Und dennoch, ich hielt's auch hier nicht aus Ich wohnte nur zur Miete. Wenn wir auch allein in unserm Stockwerk hausten und über uns friedliche, liebenswürdige Menschen hatten, ich hielts nicht aus. Ich konnte nicht machen, was ich wollte. Oder richtiger, was ich vielleicht einmal hätte wollen können; denn tu Wirklichkeit wollte ich weder ein Fenster zumauern, noch eine neue Türe brechen lassen. Ich suchte, ich weiß nicht, was. Ich konnte mich nie zu Haus fühlen; denn wo man zur Miete wohnt, ist man nicht zu Haus, nicht daheim. Daheim, das wurde mir nach und nach klar, daheim heißt: auf eigenem Grund und Boden. Und nun hab ich also ein Daheim gefunden; denn das hier ist mein Eigen." Grundmanns Augen strahlten, als er das sagte. Und der andere freute sich mit ihm. „Do grarelier ich dir o drzu! A wunderboares Flecke! hoast du dir ausgesucht. Und wirklich, a Landhaus is doas! Iu, ju, Paul, ich hoa's schunn lange gewußt, doaß dohle a Landsmoann wohnt." „Wie denn?" Tauscher wiegle lachend den Kops zwischen den Schustern. „Iu, ju, glei hoa ich's gewußt, wie ich doas Haus zum irschten Mole gesahn hoa. Mir gingen hieben a dr Elbe lang. Und wie mir do die Bauten uff dan Hange dolsie bewunderten, die vurnahmen Dillan, Schiesser niccht es sprechen, moanche grußmächtig und breetspurig mit oallerlee Oabauten, Tür- meln und Arkern, mit richtigen Kirchensanstern, moanche dan Bauwarken aus friehern Zeiten und andern Ländern anochgemacht, wie's ees uff Bildern gesahn hoat, ja, do fiel uns uff eemol a richtiger Bauernhausgiebel uff, eefach weiß mit braunen Gebälke, huch und spitzig. Ja, do woarsch uns, oas trät uns aus dar vurnahmen Menge a ahler Bekannter entgegen. Su woarsch uns, wirklich. Dar Giebel sak su frendlich aus, su ja, nu wie a Mummelswahler. Und do meente unse Gertrud " Grundmann war aufgesprungen und hatte Tauschers Schultern gefaßt. Freude loderte aus seinen Augen. „Und was meinte sie?" fragte er ungeduldig und laut. „Hahaha, lieber Gutt, 's kloang wirklich naiv. Sie sötte: Durt wohnt a Mummelswahler." „Lob aus der Unmündigen Mund!" rief Grundmann und schlug Tauschern kräftig auf die Schultern. „Das ist das beste Lob, das beste Zeugnis sür meinen Bau. Ich sehe, daß er gelungen ist. Echt, heimatlich, wie ein gesunder, schlichter Mummelswalder unter protzigen, hohlköpfigen Großstadtmeuschen sollte er erscheinen. Nun bin ich zu frieden. — Nur im Innern ist's noch nicht soweit. Da fehlt noch mancherlei. Die Stube dahier mausert sich noch, sie soll zuletzt auch eine echte Mummelswalderin sein." Er musterte die Stube. Der Gast erhielt Gelegenheit sich ruhig und genau die Einrichtung anzusehen, wobei er immer denken mußte: Gott, wie haben die's schön und gut! und die von Grundmann getadelte Unechtheit kaum bemerkte. Es war ein geräumiges Wohnzimmer, an der Giebelseite gelegen. Die zwei kleinen Fenster schauten nach dem Flusse. Die blaugemusterten Roll- und Zugoorhänge gaben vor allem der Stube den bäuerlichen Charakter. Die übrige Aus stattung aber litt an einem unklaren, zwitterhaften Wesen und verriet, daß der Besitzer immer noch suchte. Do stand an der einen Wand ein Kanapee mit geblumtem Überzüge, darüber auf einem langen Bordbrett blinkte altes Zinn, Krüge, Teller und Leuchter. Gegenüber hatte ein Anrichte schrank seinen Platz. Er suchte sich mit seiner denkbar ein fachen Linie und einer gewissen Behäbigkeit in die Stube einzupassen, aber er war doch ein Gast aus einer andern Welt, denn das Lausitzer Bauernhaus kennt keinen Anrichtetisch. Grundmann schüttelte den Kopf, als er dieses Stück ansah. „Hier ist noch ein Fremdling. Der muß noch hinaus und ersetzt werden. A Brat mutz har! Jawohl, ein richtiges Topf- und Tellerbrett." Die Stühle waren nach Grundmanns eigenen Entwürfen angefertigt, hatten Brettsitz und mehrfach geschweifte Brett lehne mit ausgesägtem Herzen. Aber der städtische Maler hatte es nicht über sein feingebildetes Kunstgewissen gebracht, ihnen frische, bunte Farben zu geben, sondern hatte sie mit einem matten Gelbbraun überstrichen. Der Tisch stand in der einen Ecke, um die eine Lehnbank lief. Tauscher erkannte diese sosort. Sie stammle aus der Höllmühle. Manch liebes Mal hatte er daraus gesessen als kleiner Knirps mit dem Vater, und d»m Höttmüller an dächtig gelauscht, wenn der von seinen Erlebnissen auf der langen, weiten Walze erzählte. Die Lehne der Bank wurde aus gedrehten Stäbchen gebildet, in der Mitte aber zeigte sie, zierlich gesägt, eine von zwei Eichenzweigen um schlossene, schöne Verschlingung der Zeichen E. und R. (Fortsetzung folgt.)