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Feuer wich aus seinen Augen, sie verrieten Teilnahme an Tauschers Sorgen. „Iu, ju, und nt oallen wtrds gutt bekummen. 's tult mir leed vir Euern Hermoanne. — Mir mull'n mit uffsuchen!" Der alte Tischler kicherte wie ein Kind. „Nee, nee — hähähä —, doas — hähä — doas kinnt ihr doch ni machen. Nee, doas is doch — Wenn ihr zu euern Leuten gilt " „Wie redt ihr denn! Mir giehn hie. Und mitgenummen wird'n woas! Mir warn schunn woas zuraichtemachen!" Dem alten, wackligen Männlein glänzten Freudentränen in den Augen, er konnte sich nicht fassen. „Nee nee nee, Grundmann! Hähähä, doas wullt ihr? Wie a sich wird frän, dr Hermoann! Hähähähä." Der Bauer hatte keine Zeit mehr und stieg auf den Wagen. ^Klimmt murne ufs'n Obd amol rieber! — Hüh!" Das Männlein stand verdutzt da, als es nicht einmal Zeit hatte, sich für die Freundlichkeit zu bedanken. Es fuhr sich mit den Handrücken über die nassen Augen und kicherte Wieder in kindlicher Freude. Dann griff es nach der Hacke, um seine Arbeit zu beenden. „Wie a sich frän wird! Und 's Gustl o und die Kinder!" sagte er immer vor sich hin. — Als die Grundmannbäuerin für ihres Sohnes Familie allerhand einpackte, was sie in der Stadt während des Krieges entbehren mußten, tat sie auch einiges für Tauschers dazu. Sie wollte den armen Leuten eine Freude bereiten und es ihnen selbst übergeben. Doch kam es dann anders. Grundmanns konnten nicht länger als einen Tag für ihre Reise opfern. Für die kurzen Stunden ihres Besuchs hatte aber Paul so vielerlei vor genommen — vor allem sollten sie sein neues Eigenheim mitgenießen —, daß keine Zeit übrig blieb, um Tauschers auszusuchen, die im Innern der Stadt und bald eine Stunde von Pauls Haus entfernt wohnten. Aber Paul Grundmann bat sofort brieflich Hermann Tauscher, von dessen Aufenthalt in dieser Stadt er jetzt zum ersten Maie erfuhr, daß er ihn in den nächsten Tagen be suchen solle. Auf diese Weise fand Tauscher nun doch noch einen Landsmann in der fremden Welt. - * 7. Kapitel. Am übernächsten Abende stand er vor vr. Grundmaan. „Du mußt du sagen, unbedingt!" Das kam Tauschern unmöglich vor; sie waren gar zu ungleich in allen. Schon äußerlich: der kriegsinoalide Tischler klein und hager, schüchtern und ungeschickt in seinen Bewegungen, der andere, um bald zehn Jahre ältere, das Ebenbild seines hünenhaften Vaters, groß und stark, mit schlichtem, aber sicherem Auftreten, mit bartlosem Gesicht, dem die ruhigen blauen Augen und ein vornehmer Zug um die etwas dicken Lippen einen besonderen, würdigen Ausdruck verliehen. Wie ihre Väter, die beiden Grauköpfe, so standen sie sich gegenüber. In Tauschers blasses Gesicht war eine schwache Röte ge treten. „Es schickt sich wohl nicht!" sagte er und bemühte sich um eine reine hochdeutsche Aussprache. „Ich weiß nicht, mir ist, als spannte zwischen uns eine weite Kluft. Sie sind ein studierter Mann, Doktor, Ihre Stellung " „Stopp, Hermann! Ich habe dich weder als studierter Mann, noch als Doktor eingeladen, sondern als Landsmann und alter Bekannter!" entgegnete Grundmann. In seiner tiefen, voll klingenden Stimme lag väterliche Güte. „Wenn ich in den Ferien war, habe ich dich manchmal mit auf unsere Weide genommen. Am Hutbergwasser, du weißt." Er lachte herzlich und klopfte Tauschern auf die Schulter: „Also wir haben tatsächlich miteinander, wenn nicht Schweine so doch Kühe gehütet und können uns schon darum nicht mit Herr und Sie anreden! — Nun komm, setz dich aufs Sofa, daß wir ein gemütliches Wort miteinander plaudern!" Nach den trüben Tagen vermochte Tauscher das Glück, das ihm der andere durch seine Freundlichkeit bereitete, kaum zu fassen. Er vernahm sofort aus der Stimme den heimatlichen Klang — denn Grundmanu hatte ihn in seinem Stadtleben nicht verloren — und es war ihm, als hörte er die trauten Tlockentöne seines Dörfleins. Dies flößte ihm Vertrauen ein. Er reichte Grundmann die Hand, und auch seine Zunge entledigte sich der schweren Fesseln: denn er konnte sich nun frei und ganz geben. „Nun, do hoa schinn Dank!" „Hält ich früher erfahren, daß du hier bist, hält ich dich längst mal hergerufen. Aber erst vorgestern erzählten es mir meine Eltern!" „Drno hoan sie dir ja o bericht, wie oalls su gskumm is." „Ja", nickte Grundinann, und sah seinen Gast mit großen, ernsten Augen an, „es hat mir sehr leid getan, als ich von deiner Verletzung hörte. Aber tröste dich, Hermann, die Sache konnte leicht noch ganz anders ablaufen! Wie stünds dann! Mancher von unfern Schulkameraden kehrt qarnicht mehr zurück. Zu Ostern sind daheim in unserm Kirchlein schon fünfzehn Eichenkränze dem Gedächtnis von ebensoviel Gefallenen gewidmet gewesen. Und gestern meldete die Oberlausitzer Dorfzeitung schon wieder zwei. Du kennst sie." Er holte das Blatt herbei. Sie lasen dis Todesanzeigen mit dem Eisernen Kreuz und weilten ein wenig bei den Hingeschiedenen und ihren Angehörigen. Grundmann hatte seinen Gast getröstet, der erkannte, baß er noch mehr von Glück als von Unglück reden durste, und klagte nicht. „Du hältst unse Zeitung mit?" fragte Tauscher verwundert, als Grundinann das Blatt wieder zusammenleqte. „Ja, das Heimatblatt lese ich, natürlich. Die ständige Verbindung mit der Heimat kann ich nicht entbehren, ich muß immer erfahren, was die Leute daheim machen. Ab gesehen von dem praktischen Nutzen; denn das Blatt bringt mancherlei volkskundliche und heimatgeschichtliche Mit teilungen, die ich sammeln muß. Aber der Hauptgrund ist, offengestanden, daß ich alter Junge von der Heimat nicht loskann." Tauscher hatte das schon beim Eintreten in das Zimmer gemerkt, das reichlich Erinnerungen an Mummelswalde aufwies; dennoch tat es ihm wohl, daß Grundmann es frei heraussagte. Sie litten also an demselben Leiden. Sie mußten sich also gegenseitig verstehen. Und so verbarg er denn nicht, wie schwer ihm und seiner Familie das Einleben in die Stadtwelt fiel, und verriet damit, wie die Sehnsucht nach der Dorfheimat sie alle quälte. „Ich ksnn's, mein Lieber!" sagte Grundmann und nickte bedächtig. „Ich kenn's! Manche werden rasch mit ihrem Heimweh fertiq, andere nie. Mit zwölf Jahren kam ich auf die Schule, seitdem bin ich doch immer in der Stadt gewesen, im schönen, alten Bautzen, in Leipzig, in Heidelberg, wieder in Leipzig, seit sechs Jahren hier — und noch immer hab tch's nicht überwunden. Glaub mir's, manchmal, wenn'« kommt — ausreißen könnt ich!" „Aber du hoast ane gute Stellung, dir gitt's gutt hier, du wohnst schiene." „Als ob's daraus ankäme!" „Dich versetzt die Grußstoadt a keene Nut, dir is sie nt su feindlich wie an Oarmen!"