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ISS Gberlausitzsv Heimatzeitung Nr. 12 Da zogen auch Tauschers hinaus. Sie wanderten an beiden Ostertagen über die Elbberge, auf Rasenwegen zwischen braunen duftenden Ackern und grünen Saaten hin, durch kleine Bauerndörfer. Diese Welt war ihnen vertrauter. Hier holten ihre Seelen Atem. Sie verlebten die ersten glücklichen Tage in diesem Jahr, und sie dachten jetzt immer an daheim, an Mummelswalde. Dort kehrte der Frühling nun auch ein, wenn auch noch zögernd und vorsichtig. Gleich als er das erste Mal nach Langem, strengem Winter ins Tal grüßte, zogen ihm die Knechts mit dem Pfluge, die Mägde mit Rechen und Hacks entgegen,- denn so holte man dort den Lenz ein. Und es war nicht weniger feierlich. Hier wurden die Äcker aufgeworfen, daß die speckglänzenden Schollen warmen Atem ausströmten, darauf geeggt und die Sommersaat bereitet, während da neben die weichen Halme der Wintersaat wie seichte Wasser wallten. Dort zog ein Gespann von Kuh und Pferd lange Furchen, Mägde und Kinder schritten, sich emsig bückend und mit einer Hand einen Bügelkorb neben sich fortsetzend, die Furchen ab und legten die braunen Knollen hinein, die dann die treue Mutter Erde vielfältig zurückgeben sollte, damit das Volk die Not des Krieges leichter überstehe. Überall auf den Feldern regten sich fleißige Hände. Denn die Bauernregeln im Kalender verhießen andauernde schöne Witterung und verscheuchten selbst die Sorge vor den drei Eisheiligen. Der Tauscher-Tischler ließ sich sein kleines Viebig vom Gcundmann-Bauern pflügen, legte Hammer und Hobel weg und steckte auch seine Kartoffeln. Der alte Grundmann hatte bereits vor mehreren Jahren das Gut seinem älteren Sohn Hermann übergeben. Dieser stand aber seit Kriegsbeginn als Ulan in Rußland, und so dursten die Eltern noch nicht ruhen, sondern mußten ihrer Schwiegertochter Alma tatkräftig beistehen. Sie taten es gern und empfanden es als eine glückliche Fügung des Himmels, daß sie noch so rüstig waren und fest auf den Füßen standen wie dis alten Linden Hinterm Haus, daß sie diesen Liebesdienst dem Sohne und auch der schon von den Vätern ererbten Scholls erweisen konnten, die unter fremden und unerfahrenen Händen verwildert wäre; denn die Hei mat hatte nur die Frau, das Kind, den Greis und den Kriegsgefangenen. So führten die Alten noch einmal, ohne Almas Herrschaft zu beschränken, die Zügel. Der Bauer war von den Pflichten auf dem ehemaligen Besitze voll in Anspruch genommen und hatte eigentlich keine Zeit dafür übrig, die Feldbestellung für Häusler zu übernehmen. Doch mochte er niemanden im Stich lassen und den alten Tauscher schon gar nicht. Als Grundmann nach dem Zufahreu der Furchen die Falben vom Pfluge löste und an den Wagen spannte, mit dem er das Ackergerät wieder fortbrachte, eilte Tauscher, der die Furchenköpfe hackte, heran, bedankte sich für die Hilfe und fragte, was er schuldig sei. „Lußt's gutt senn, Tauscher! 's is garne geschah»!" «Nee, nee, sprich ok, woas du zu Kriegen hoast! Imsunst" Der Bauer beugte seinen großen, viereckigen, grauen Kops zu dem zusammengehuzelten Männchen hernieder, das bar fuß, in blauer Schürze und in Hemdärmeln vor ihm stand und das Geschenk abwehrte, weil es ein solches nicht nötig habe, und sagte, indem er seine schwere, stark behaarte Hand auf des andern knochige Schulter legte, kurz: „'s is gutt! Ihr hoat uns vergangnes Fuhr, wie vir dar Arnte o noa dar Kleenknaicht eigezoin wurd, o beigestann. — Woas ich noa sotn wullte: uff dann Sunntch wullen mir uff Drasen foahrn." „Su, su, zt denn Sühne?" „Amende Kinn mir euch woas besurgen a euer Leute? Wenn ihr woas auszirichten hoat oder mitzigahn, soit'sok!" „Mitzigahn! Iemersch hätte, wenn ees ok kennte! Bill, vill tät'ch mitgahn, vill! Denn 's soll goar ni gutt aussahn durt a dr Stoadt. Sie wiegen sie sichre kurz Halen durt!" „Is a Wunder?" fragte der Bauer. Er schlang den Zügel um die Rungs. Offenbar hatte er auch davon gehört und sich seine Gedanken darüber gemacht, die er sich nun von der Seele reden wollte. „Is doas a Wunder?" begann er noch einmal. „Durt kroabbein sie nu rim, millionenweise,wiea an Omssn- haufen. War hoalbwaigs luskummen kunnte, zug a die Stoadt. Wie frieher schunn amol die Menschen amerikatulle woarn, su woarn unfe Leute bis zum Kriege stoadttulle. Durt saken sie 's Heil, grüßen, lechten Verdienst, Bequam- lichkeet. Drno pfiffen sie uff uns Derfler, Witze macksten sie uff uns Baueintölpel. Wenn ees a die Stoadt amol koam und macht ob's Maul uff, do goafften sie enn oa und lachten enn aus. Nu sahn sie wul! et, woas sie fir ans Dummheet gemacht hoan? Itz warn sie wull garne wieder uff an Kuh- naste, wie sie's Durf hießen. Ich begreif mich falber ni, wie'ch Paule hoa uff Schule Lun Kinn, wie'ch hoa uff dan Waig noa dr Staadt sichren Kinn! Dohie uff'n Lands fahlt uns nu jeder enuzelne Moan, dan mir furtgelussen hoan. Brut füllen mir schoaffen fir Millionen. Mir tun's o. Mir wullen ni Gleiches mit Gleichen vergelten, schirm wullen mir uns und aus'n Ardboden hulen, woas a hargahn koann! Wie sie's uns danken werden, doas wissen mir: sie werden uns genau wieder su verachten wie vurneweg. 's senn ni aalle siks undankboare Kinder, ich weeß wull. Aber wenn ihr ane Zeitung last, Tauscher, do füllen euch wull moanchmoal die grocn Hure zi Barge stiehn, wie sie a dr Stoadt fir uns rüden, woas sie sich fir a Bild vir unser Oarbeit machen. Dr Bauer is Kriegsgewinnler, dr Bauer arnt und arnt, doaß die Scheunen ni langen, und oerkeeft, verwuchert, doaß as Geld ni untsrbrengt. Sie wissen ni, doaß die gute Arde vir alleens kee Kerni gibt, sie hoan durt Zahnstundentag, sie oarbeiten o ok neun, o ok acht Sturm und stellen sich unser Laben o su genuesisch vier. Wievill Stunn missen mir tagtäg lich schurwarken, eh mr uns Ruhe ginn Kinn! Wievill Oar beit is imsunst gemacht, wenn uns dr Haigel oalis zerschmeßt, wenn wuchenlang dr Himmel kenn Truppen hargahn will! Dr Bauer hoat itz gute Zeit, hceßt's. Merkwirdg, doaß dr Bauernstand do ni reich und mächtg wird wie die Gruß industrie, doaß die Bauern — groade o da uns — wirt- schoaftiich 'n Krabsgang giehn! Sieh dir unse Gitter oan, wie sie frieher doastanden und wie heute! Vie schreiben itz suvill vir ar Verständigung, ar Aussehnung zwischen Stoadt und Land. Ja, wenn sie ok n' guten Willen hätten, unse Oarbeit zi wirdigen. Wenn sie Kumm und batteln im a Wecke! Butter su hinrim, im a poar Eeer, o do Kinn sie grüße, schiene Wurte machen „von den Mühen und Sorgen des Landmanns", und hinterher? Doas verbittert! Doas is's schwerste ba unser Oarbeit! Aber woas sellte warben, wenn mir uns rächen wellten fir oalle Beleidigungen, die mir eigestackt hoan! Aushungern töt uns dr Engländer, die Städte zirirscht. Lieber a Unraicht mich eistecken, oas doas Unraicht tun!" „Ja, vill mißten unraicht leiden, die sich ni schuldg ge mocht hoan. Und missen'sitz schunn. Wie Hermoann mit senner Foamilche. Ar hoat gewieß ni unter die Stoadtleut gewallt, ar hielts mit dr Heemt. Aber die hoan sie ihm genumm. Und Tausenden wird's su giehn, dr Krieg versetzt sie, ob sie wullen oder ni." Der Bauer, der sich heiß geredet hatte, nickte langsam. Da»