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s Gbsrlausltzev Heimatzeitung Von Hirschfelde her führt uns die Wanderung bis zur katho lischen Kirche in Seitendorf, dann im rechten Winkel aufwärts aus dem Dorttale heraus und auf einem hochgelegenen breiten Feldwege in östlicher Richtung dem Ziele zu.Schon von weitem grüßt uns die reizvolle hölzerne Windmühle, eine noch gegen wärtig inBetrie'- befindliche„Bockmühle".Siestelltdiehöchste Erhebung der Bodenwelle dar, auf deren ferneren Verlauf das Windschenkengehöft und die Windschmiede liegen. Don der Straßenkreuzung begrenzt, gewahren wir ostwärts eine mit dunklen Kiefern bestandene Anhöhe, den 317 Meter hohen „Wolfsberg", dem unweit die ausgebreiteten Waldgründe des „Tschau" sich an chließen. Sicher war unser Standort vor zeiten eine unwirtliche Ecke, ein Schlupfwinkel für wilde Tiere. Noch lebt in der Erinnerung alter Dorfbewohner das einstige Vorkommen des Wolfes in dieser Gegend. Es ist ein prächtiger Blick, der sich heute unserm Auge von der Höhe der Windschenke aus darbi-tet. Uber dem aus gedehnten Waldgebiete des Tschau, dessen Name bereits 1481 urkundlich auftritt, winken in der Ferne die beiden Riesen des Isergebirges, Heufuder und Tafelfichte, denen weiterhin die gegliederte Gipsellinie des hohen Iserkammes folgt. Im Vor dergründe ragen Kahleberg und Gickelsberg empor, welche als letzte Ausläufer genannten Gebirges gellen. Hoch in die blauen Lüfte steigt in duftiger Weite die kühne Ieschkenkoppe, des Lausitzer Gebirges höchste Warte. Den südwestlichen Ge sichtskreis umschließen die vielgestaltigen Höhen des Zittauer Gebirges. Seinen Namen verdankt unser Gasthaus, das ehedem „Jägerhaus" genannt wurde, zweifellos der nahegelegenen Windmühle. Eine Zeit lang, und zwar bis 1834, dem Jahre nach der Gründung des deutschen Zollvereins, war die Wind- schenkederWohnorteines„Königlichenundstandesherrlichen Grenz-Zolleinnehmers". Wieso manche andere vielbesuchte Einkehrstätte unserer heimatlichen Oberlausitz, so hat auch die „Windschenke" ihre „Geschichte". Ein Gedenkblatt aus der wechseloollen Ver gangenheit des schlichten Gebäudes sei in dem nachfolgenden verzeichnet. Vor 150 Jahren diente unser Gasthaus vor allem den Fuhrleuten, welche von Böhmen her über Ostritz nach Görlitz und von da zurück fuhren, als Herberge. Da aber der Weg über Seitendorfund Hirschfelde nach Ostritz ein bedeutender Umweg ist, indem er in Hirschfelde einen rechten Winkel bildet, so halten die Rosselenker auch ohne etwas von Geometrie zu verstehen, sehr bald die erfreuliche Entdeckung gemacht, daß es für sie eine große Wegeersparnis bedeute, wenn sie von Ostritz aus nach Rusdorf und Königshain und auf der sog. „Loh- oder Lugstraße" nach der Windschenke zu fuhren. Da warnunin Königshain ein Bauer namens Brendler, dessen Gut lag an dem bezeichneten Wege so günstig, daß es zü einer Herberge für Fuhrleute wie geschaffen schien. Die hochwür dige Frau Abbatissin Athanasia vom Kloster Marien thal erteilte als Patronats- und Gerichtsherrin daher auch ihre Genehmigung hierzu, unter der Bedingung, daß Brendler für jedes Faß Bier, das er oerschänke, acht Groschen „Zapfen geld" an den Kretschambesitzer in Königshain bezahle. Durch diese Erlaubnis wurden aber zwei Schankwirte erheblich in ihrem Erwerbe geschädigt,nämlich derKretschmer in Königs hain, dem die acht Groschen die Einbuße, die er erlitt, nicht ersetzen konnten, und der Wirt unserer Windschenke, bei wel chem dieFuhrleute, welche in dem etwa eine Stunde entfernten Brendlerschen Bauernguts übernachteten, nunmehr vorüber fuhren.DieWindschenke.aufDornhennersdorferFlur gelegen, gehörte zur Standesherrschaft Seidenberg und Reibersdorf. Der damalige Standesherr Johann George Friedrich, de» Nr. 1 heyl. Röm. Reichs- Graf von Einsiedel, Lhurfürstlicher Sächsischer Cabinetts-Minister",nahm sich auch sofort seiner Untertanen an, legte in seinem „amtsgehorsamsten" Bericht an das Oberamt dar, daß die Errichtung einer neuen Schank stätte ohne landesherrliche Konzession bei 200 Taler Strafe verboten sei, und stellte „so wenig er auch gesonnen seq.das allergeringste wider das gute Vernehmen und die bisher vor dauernde nachbarliche Freundschaft mit dem Kloster Sankt Marienthal vorzunehmen", den Antrag, daß die Frau Avba- tissin bei 100 Taler Strafe die an den Bauer Brendler er- teilte Konzession zurErrichtung einer neuen Schankstätte und zu oem damit verbundenen „sreyen Bieroerzapfen" wieder zurllcknehmen solle. Obwohl die Frau Abbatlssin von dieser Konzession keinen eigenen Gewinn hatte, nahm sie sich doch ihres Untertanen mit gleichem Eifer an. Sie'erklärte, daß sie als Grundherrschaft von Königshain wohl das Recht habe, dergleichen Konzessionen zu erteilen, daß das Brendlersche Bauerngut seit achtzig und mehr Jahren schon von den böh mischen Kaufleuten zur Ausspannung und Herberge benutzt werde und daß, wenn zur Meß-Zeit in der Windjchenke 15 und mehr Wagen zusammenkämen und daselbst kein Platz mehr sei, die Fuhrwerke genötigt würden, bis ms Böhmische . zu fahren, wenn sie nicht bei Brendler bequemes Unterkommen fänden. Wolle man dies verbieten, so entginge ja nicht nur dem betreffenden Landmann, sondern auch dem „hohen landes herrlichen Interesse" ein erklecklicher Gewinn. „Obwohl ich nun", sagt die Frau Abbatissin weiter,„nicht verhalten könne, daß ich allzu viel Achtung habe vor die Ehre mit Sr. Excel» lenz dem Herrn Grafen bis anhero zu hiesigen Slistes ver bindlichsten Danke für gedauerte Harmonie noch fernerhin ungestört zu erhalten, daß nicht besondere Sorgfalt verkehren solle allen demjenigen in Zeiten vorzubeigen, was nur immer zu deren Unterbrechung einigen Anlaß geben könnte" — so sprach sie doch die feste Hoffnung aus, daß sie in ihrem Rechte werde geschützt werden. Es half der hochwllrdigen Frau Klostervorsteherin aber doch alles nichts, selbst daß sie zwei achtzigjährige Greise, den einen sogar krank im Belte, bezeugen ließ, daß seit länger als siebzig und mehr Jahren die böhmischen Fuhrleute im Brendlerschen, vormals Bergmannschen Bauerngute ausge spannt hätten, dem Standesherrn stand zu, entschieden der Buchstabe des Gesetzes zur Seite; er beharrte bei aller ritte» liehen „Devotion" gegen die Frau Abbatissin aus seinem An träge, und der Streit endete schließlich damit, daß die Kloster herrschaft unterm 26.Mai 1767 dem Bauer Brendler die Bierverzapsung und die Beherbergung der Fuhrleute bei 20Taler Strafe untersagte. Wenn die Frau Abbatlssin dabei als Beweggrund zu ihrer Nachgiebigkeit mit angav, sie habe erst jetzt in Erfahrung gebracht, daß die Fuhrleute, wenn sie statt der ordentlichen von Ostritz überHirschfeldenachBöhmen führenden Heer- und Landstraße die Nebenwege über Königs hain benützten,ihren Stistuntertanen in Rusdorf undKönigs- Hain an ihren Feldern und Wiesen öfters und sehr empfind- - liehen Schaden zusügten, und sie deshalb das Wohl ihrer Untertanen zu bedenken habe, so macht dieser Rückzug ihrem menschenfreundlichen Herzen nur Ehre. So trug die Windschenke den Sieg davon. Daß aber beide Patrone und Grundherrschaften nicht den geringsten eigenen Gewinn dabei hatten, sich also lediglich um ihrer Untertanen willen ein wenig das Gemüt erregt hatten, ist durchaus nicht zu verkennen. Im Laufe der seitdem ins Land gegangenen anderthalb Jahrhunderte hat die Windschenke wie so manches Gasthaus in ähnlicher Lage ihren alten Glanz und viel von ihrer früheren Bedeutung verloren. Das Zeitalter der Eisenbahnen hat dem