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g6 O^eilausitzei^eimat^eitung Pir. 5 ^k^su!enc!js!i^eiek in c!er alten 5eclisltsclt ösuhen Oakig c^ukc^i c!ie a!te 5tac!t Wer zur Tausendjahrfeier in der Pfingstwoche vom 3. dis Juni die Hauptstadt der Oberlausitz, Bautzen, be sucht, wird von der Schönheit des Stadtbildes überrascht sein, von dem eigentümlich terrassenartigen Aufbau der alten Stadt und ihren wehrhaften Türmen und Iranern, die üe im Volksmunve nicht ohne innere Beziehungen zum „Säch fischen Nürnberg" machte. Der alte Stadtteil erhebt sich vom Ufer der Spree, die in einem großen Bogen um das Felsmassiv der Stadt fließt, bis zum höchsigelegeneu Petri-Dome. Herrschend steht auf der äußersten !Westspitze des Felsplateans die Ortenburg, ein prächtiger, trutziger Bau. Am Eingangstor grüßt ein Denk mal des Königs ftUatthias Corvinus von Ungarn den Be sucher, das den Herrscher, dem die Stadt eine zeitlang hul digte, lebenswahr darstellt. Dreimal ließ sich IÜatthiaS das Standbild nach Ofen kommen, bevor er sich mit dem !Werk des Künstlers einverstanden erklärte. Corvinus hat 1486 Ser Burg ihre heutige Gestalt geben lassen. Über dem spitz zu- lanfenden Tore des Schloßturmes befindet sich eine kleine Ka pelle, die einst St. Georg geweiht war, aber längst nicht mehr benutzt wird. Hier in der Ortenburg wohnten jahrhundertelang Sie Landvögte, die Statthalter der Landesherren der Oberlausitz. Bis zum 1. Juli 1932 befand sich hier der Sitz der Kreis hauptmannschaft. Der Empfangssaal der Fürsten im Ober geschoß schildert in seiner schmnckvollen Decke die wichtigsten Begebenheiten der lausitzischen Geschichte in feiner Stuck arbeit. In einer Ecke des Ortenburgplatzes wurden früher die Hinrichtungen vollzogen, und in der dicken ^Wehrmauer deu ten zahlreiche Schießscharten auf eine kriegerische Vergangen heit. In die Burgmauer fügt sich ein Auöfallpförtchen ein, von dem aus zwei steile Wege den Schloßberg hinab in die Stadtteile Unterm Schloß und Seidau führen. Der Blick richtet sich von der Ansfallpforte aus auf den Proitschenberg, an dessen Hange alljährlich am Osiertags das von 40- bis 50 000 Menschen besuchte Eicrschieben stattfindek. An die Ortenburg schließen sich nach Osten zu enge malerische Straßen und Gassen an. Manches Ritterzeichen an ihren Häusern erinnert an ihre mittelalter lichen Bewohner. Matten im Gewirr der alten Häuser er hebt sich die Ruine eines alten Franziskanerklosters, das dem Stadtbrande von 1634 mit zum Opfer fiel. Kleine Fach werkhäuser lehnen sich an die kirchlichen IUauerreste, sie zu gleich als Rück- oder Geitenwand benutzend. Matten im äl testen Stadtteile erhebt sich der mächtige Petri-Dom, gotisch lind graniten, die ganze Stadt überragend. Es ist eine Simultankirche, in der Protestanten und Katholiken — nur durch ein Eisengitter getrennt — ihre Gottesdienste abhalten. Von dem fast 100 Nieter hohen Petriturme aus überblickt man bei klarem Wetter fast die ganze Lausitz und sieht zu seinen Füßen an manchen Tagen buntes Marktleben ans vem Fleisch- und Holzmarkte, in dem die malerischen Trach ten der Lausitzer Wenden alltäglich sind. Die anderen Türme der alten Stadt, der feingeformte Rathausturm und der wuchtige Lauenturm, der früher als hartes, sicheres Gefängnis galt, der Reichcnturm, der ein wenig schief sieht, aber mit seinem Tore einer der schönsten alten Türme Deutschlands ist, der Wendische Turm und Sie Glockentürme der Kirchen fügen sich harmonisch in das Stadtbild ein. Vor dem Rathaus, das durch sein lebeuoiges Außere die alte Stadt schmückt, ließ König Wenzel im Jabre 1408 vierzehn Bürger Bautzens, den Bürgermeister, Rais hcrren und zünftige Handwerker hinrichten, die sich dem StaoraScl uns dem LanSvogte widersetzt hatten. Das Gc wandhans all Ser Inneren Lauenstraße, der ^Mündung der alten Böhmischen Straße, erinnert an das ehemalige Jnnsl Haus, das an der gleichen Stelle 1284 erbaut wurde. Dec jetzige Bau ist in den 80 er Jabren des vorigen Jahrhunden entstanden. Er enthält im Ratskeller, den mancher lustige Trinksprnch an Sen Wänden schmückt, ein Sterngewölbe von 1476. Wer aber das Gesamtbild der alten Stadt von der Kronprinzenbrücke aus, die die Einmündung der Dresdner Straße über das Spreetal hinwegträgt, betrachtet, wird groß und wuchtig die Alte ^Wasserkunst, einen Nutz- und -Wehr- bau aus dem 16. Jahrhundert, vor sich sehen. Vom Spree ufer aus reckt sich der ungefüge, prächtige Turm an die 50 Meter empor, im Innern seiner dicken Steinmauern sieben Stockwerke tragend, und wetteifert in der Höhe mit der hinter ihm stehenden fast 500 Jahre alten, ehemals wehrhaften Nkichaeliskirche. Ilnd lassen wir uns von den Stadtmauern und Basteien um die alte Stadt herumführen, so gelangen wir auch an die im Nordteile gelegene Nikolaikirche, die schon seit 1620, als sie ihr Dach zur besseren Verteidigung gegen den an rückenden Feind opfern mußte, nur noch als Ruine dasteht. Gräber bedecken jetzt den Jnnenraum, der einst die andäch tigen Beter aufnahm. Ostwärts und nach dem Süden zu breitet sich von der inneren Altstadt Bautzen aus die junge Stadt aus mit Park anlagen, die noch jetzt den Verlauf einer äußeren Umwallung und Neste des Walles zeigen, mit luftigen, planmäßig an gelegten Vorstadtstraßen und neueren Verwaltungsgebäuden. Am ofsenliegeuden Kornmarkte erhebt sich das Stadt- nnd Provinzial- Ns useum der Oberlansitz, das erst vor einigen Jahren einen großen neuzeitlichen Anbau erhielt und in seinem Inneren wertvolle Kunstschätze und seltene Kulturaltertümer der Oberlausitz birgt. Ausgedehnte Kasernenanlagen, die zum Teil kurz vor dem Weltkriege ent standen find, der prächtige Bau des Landgerichtes, der Bahn hof, dessen Empfangshalle in ihrer neuzeitlichen Form den Fremden freundlich begrüßt, Schulen, Fabriken und zahl reiche Unterkunftsgaststätten deuten darauf hin, wie vielseitig und regsam das Kulturleben der Stadt und ihrer 42 000 Einwohner ist. Die ereignisreichste Geschichte der Stadt spiegelt sich in jedem ihrer Teile so farbig wider, wie sie keine Chronik und wissenschaftliche Forschung so lebendig nahe bringen kann. i)Uan braucht nur mit einem kundigen Führer die Gassen und Bauten abzuschreiten, nm bei jedem Schritt den Wider hall der ereignisvollen Vergangenheit zn vernehmen. Und es ist der Rhythmus trotziger KriegSmusik, der in dem alten Bautzen nachklingt, KriegSmusik, die harte Kämpfe begleitete, deren Entscheidung nicht mir zugunsten der Stadt und der Oberlansitz, sondern zum Ruhm? der ganzen deutschen Nation ansfiel.