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Tore des Schloßturmes befindet sich eine kleine Kapelle, die einst St. Georg geweiht war, aber längst nicht mehr benutzt wird. — Hier in der Ortenburg wohnten Jahrhundertelang die Landvögte, die Statthalter der Landesherren der Ober- lansitz. Bis znm 4. Juli 1032 befand sich hier der Sitz der Kreishanptmannschaft. Der Empfangssaal der Fürsten im Obergeschoß schildert in seiner schmuckvollen Decke die wichtig sten Begebenheiten der lausitzischen Geschichte in feiner Stuck arbeit. In einer Ecke des Ortenburgplatzes wurden früher die Hinrichtungen vollzogen, und in der dicken Wehrmauer deuten zahlreiche Schießscharten auf eine kriegerische Vergangenheit. In die Burgmauer fügt sich ein Ausfallpförtchen ein, von dem aus zwei steile Wege den Schloßberg hinab in die Stadtteile Ilnterm Schloß und Seidau führen. Der Blick richtet sich von der Ausfallpforte aus auf den Proitschenberg, an dessen Hange alljährlich am Ostertage das von 40—50 000 Nken- schen besuchte Eierschicben stattsindet. An die Ortenburg schließen sich nach Osten zu enge malerische Straßen und Gassen an. Nkanches Ritterzeichen an ihren Häusern erinnert an ihre mittelalter lichen Bewohner. Nkitten im Gewirr der alten Häuser erhebt sich die Ruine eines alten Franziskanerklosters, das dem Stadt brande von 4634 mit znm Opser fiel. Kleine Fachwerkhäuser lehnen sich an die kirchlichen Nkanerreste, sie gleich als Rück oder Geitcnwand benutzend. Nkitten im ältesten Stadtteile erhebt sich der mächtige P e t r i d o m, gotisch und graniten, die ganze Stadt überragend. Es ist eine Simultankirche, in der Protestanten und Katholiken nur durch ein Eisengitter ge trennt ihre Gottesdienste abhalten. Von dem säst 400 Nketer hohen Petridome ans überblickt man bei klarem Witter fast die ganze Lausitz und sieht zu seinen Füßen an manchen Tagen buntes Nkarktleben auf dem Fleisch- und Holzmarkte, in den: die malerischen Trachten der Lausitzer Wenden alltäglich sind. Die anderen Türme der alten Stadt, der feingeformle Rathausturm und der wuchtige Laueuturm, der früher als hartes sicheres Gefängnis galt, der Reichenturm, der ein wenig schief steht, aber mit seinem Tore einer der schönsten Türme Deutschlands ist, der Wendische Turm und die Glockentürme der Kirchen fügen sich harmonisch in das Stadtbild ein. Vor dem Rathause, das durch sein lebendiges Außere die alte Stadt schmückt, ließ König Wenzel im Jahre 4 408 44 Bürger Bautzens, den Bürgermeister, Ratsherrcn und zünftige Hand werker hinrichten, die sich dem Stadtadcl und dem Landvogte widersetzt hatten. Das Gewandhaus an der inneren Lauen straße, der Nkündung der alten Böhmischen Straße, erinnert an das ehemalige Junfthaus, das an der gleichen Stelle 4284 erbaut wurde. Der jetzige Bau ist in den 80 er Jahren des vorigen Jahrhunderts entstanden. Er enthält im Ratskeller, den mancher lustige Trinkspruch an den Wänden schmückt, ein Sterngewölbe von 4476. 2Ver aber das Gesamtbild der alten Stadt von der Kron prinzenbrücke aus, die die Einmündung der Dresdner Straße über das Spreetal hinwcgträgt, betrachtet, wird groß und wuchtig die Alte IDasscrkunst, einen Nutz- und Wrhrbru aus dem 46. Jahrhundert, vor sich sehen. Vom Spreeufer aus reckt sich der ungefüge prächtige Turm an die 50 Nketer empor, im Innern seiner dicken Steinmauern sieben Stockwerke tragend, und wetteifert in der Höhe mit der hinter ihm stehen den fast 500 Jahre alten, ehemals wehrhaften Nkichaeliskirchc. Und lassen wir uns von den Stadtmauern und Basteien nm die alte Stadt herumführen, so gelangen wir auch an die im Nordteile gelegene Nikolaikirche, die schon seit 4620, als sie ihr Dach zur besseren Verteidigung gegen den anrückenden Feind opfern mußte, nur noch als Ruine steht. Gräber bedecken jetzt den Jnnenraum, der einst die andächtigen Beter aufnahm. Ostwärts und nach dem Süden zu breitet sich von der inneren Altstadt Bautzen aus die junge Stadt aus mit Park anlagen, die noch jetzt den Verlauf einer äußeren Ilmwallung und Reste des Walles zeigen, mit luftigen, planmäßig ange legten Vorstadtstraßen und neueren Verwaltungsgebäuden. Am offenlicgenden Kornmarktc erhebt sich das Stadt- und P r o v i n z i a l rn u s e n m der Oberlausitz, das erst vor einigen Jahren einen großen neuzeitlichen Anbau erhielt und in seinem Inneren wertvolle Kunstschätze und seltene Knl- turaltertümer der Oberlansitz birgt. Ausgedehnte Kasernen anlagen, die zum Teil kurz vor dem ^Weltkriege entstanden sind, der prächtige Ban des Landgerichtes, der Bahnhos, dessen Empfangshalle in ihrer neuzeitlichen Form den Fremden freund lich begrüßt, Schulen, Fabriken und zahlreiche llnterkunfts- gaststätten deuten darauf hin, wie vielseitig und regsam das Kulturleben der Stadt und ihrer 42 000 Einwohner ist. Die ereignisreiche Geschichte der Stadt spiegelt sich in jedem ihrer Teile so farbig wieder, wie sie keine Ehronik und wissenschaftliche Forschung so lebendig nahe bringen kann, Ilkan braucht nur mit einem kundigen Führer die Gassen und Bauten abzuschreitcn, um bei jedem Schritt den ^Widerhall der ereigniövollen Vergangenheit zu vernehmen. Und es ist der Rhythmus trotziger Kriegsrnnsik, der im alten Bautzen nach klingt, KricgSmusik, die harte Kämpfe begleitete, deren Ent scheidung nicht nur zugunsten der Stadt und der Oberlausitz, sondern znm Ruhm der ganzen deutschen Nation ausfiel. Unsere O^eklsusih 4ris rum 1875 Eine Plauderei nach dem gleichnamigen Wrrk von Dr. Joh. August Ernst Köhler Von H. M enzcl, Groß-Biesnitz jWenn auch der Name „L ausi tz" von dem slawischen Worte „Luza", d. h. „ein Sumpfland", abgeleitet wird, so werden uns als ursprüngliche Bewohner der Lausitz trotzdem doch germanische Stämme nachgcwiesen. Bestimmte N'eb"'cly ten weisen auf den mächtigsten Stamm der Suawen, d-e Sem nonen, hin, welche westlich der Elbe mit den bis zur Saale wohnenden Hermunduren znsammenstießen. Ganz bestimmt, so heißt es, haben wir Semnouen in der Nkark Brandenburg und in der Niederlausitz, jedenfalls auch im nördlichen Teile der Oberlausitz zu suchen. Fern von Osten setzte sich in grauer Vorzeit nach Westen zu ein Strom wandernder Völkerschaf ten in Bewegung, von denen zwei Völkerstämmc, Kelten und Slawen, für unsere Gebiete Bedeutung haben, llm 374 wurden die Semnonen von den Vandalen verdrängt, d. h. sie zogen nach Südwesten, daselbst sich unter anderen dort woh nenden Völkerstämmen verlierend. Die Vandalen, ebenfalls ein germanischer Stamm, werden als wild und roh bezeichnet, un stet und nicht geneigt, den in Besitz genommenen Boden fried lich zu betreuen. Ihrer Natur gemäß wanderten diese Van dalen in ihrer Hauptmasse bald weiter nach Süden, nur einen