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^Vie c!ei" ^^eupetei" gelto^e^ ilt Do» Richard Blasius (Aus: „Os dr llsbaiik)" Er hatte null seine achtzig Winter aus dem Rücken, der Peter Lind oder der Uhrenpeter, unter welchem Namen er stundenweit bekannt war. Ein halbes Jahrhundert lang war er mit dem Ikhrenkasten durch die entlegensten Dörfer des Ge birges gezogen, hatte mit Stanbwischer, Ol und Feile han tiert, damit die Zeit gezwungen war, den Kühbauern da oben ihr Gesicht zu zeigen und ihren Stundenschlag hören zu lassen. Zuletzt war sein Rücken immer krummer geworden, ob wohl Peter den Kasten von Jahr zu Jahr leichter machte, aber die Jahre, ja die lagen schwer aus ihm. Wie es nun gar nicht mehr hat gehen wollen, hat der Ilhrenpeter mit seinen seinen Ohren schon vorweg gehört, daß seine LebenSuhr zum Zwölfschlage anhebt. „O rajcht," hat er gemeint, „woas soll en weiter poasstern." So liegt er nun in dem kleinen Stüblein des Auszugs hauses, das neben dem Fichtenhose steht, im Bette und wartet aus den Tod. Grad vor dem Fenster leuchtet das violette Blau der Fliederblüten auf sein Bett. Wenn die alte Christel vom Fichtenhof das Schiebefensterchen öffnet, spendet der Holunder strauch dem Peter den Weihrauch des Frühlings. Die Bienen smmnen um die süßen Blütenbecher und singen dem Miüden ein dankbares Psingstlied, dankbar dem Lichte, das den Früh ling ausstehen ließ. MA dem Rotschwänzchen, die ans dem Fenstersims sttzen, hält der Alte stille Zwiesprache. Ein wundersamer Friede liegt in dem Stüblein. Es ist Psingstsonnabend. Vom Kirchturm lautet es Feier abend. Da weiß der Peter, das ist der Glöckner Florian, der die Glockenstränge zieht; wird ihm wohl auch bald Nachfolgen, denn sechzigmal Hal er die Christglocken geläutet und als zehn jähriges Büblein das erstemal. Da geht die Tür auf, leise und behutsam. Die Christi tritt ein, die den Alten verpflegt, soweit sie Zeit dazu gewinnt. Ein iWeib hat er sein Lebtag nicht besessen. Nun muß er ost stundenlang einsam liegen. Aber das macht ihm nichts. So viele Gedanken durchziehen seinen Kopf, daß er fast meint, er habe gar keine Zeit, schon zu sterben. Die Christel setzt sich neben ihin auf den Stuhl. „Woas meenst, Chröstl," fragt mit schalkhaftem Blinzeln der Peter, „wenn iech dort dribn bien, obch do 0 war waos zwöschn dö Finger kriegn?" Die Christel guckt verwundert in das runzlige Gesicht, aus dem so merkwürdig junge Augen schauen. „E, wvaröm nö goar, wörscht wühl 0 amo Ruh brauchn könn." „Doas schon»! Ond de Ruh hoach ju 0 dann», wingstns woas mei krummer Buckl ös, dar Hot se. Aber weunch su 00- lieg, do ös mersch, oaö wenn miech mein ahln, morschn Knochn goar nischt mich oaging. Iech falber bien goar nö mied, ock derr Sajgbigl ös, dar aus men Buckl gwurn ös. Ock wajgn Faulenzn mechtch nö es Jenseits, wörd wühl 0 no jeder sein Oarbeit dort sinn." „Meenst ern Ilhrn putzn?" fragte Christel kopfschüttelnd. Peter Lind lachte still in sich hinein, „llhrn? Do brauchts dort keen. Dort Hot de Zeit kee Zifferbloat, wie'ch mersch su denk. Doas braucht se ock do hibn. Do missn de Zeiger rann, doß de Menschen nö de Händ en Schmiß liän. Do muß de Stond schloin, doß de Leut derschroackn uffoahrn ond stech of de Oarbeit bsönn. Aber dribn, do mach'ch keen Ilhrn. Ja, Chröstl, ver zwanzg Juhrn no, do hoa'ch 0 a Uhr gbaut, die Hot mer Tag ond Nacht keen Ruh glossn. Siebn Juhr hoa'ch zu ner gbraucht. Do, ja wennch do su möttn aus derr Oarbeit weggstorm wiär, hättch wu 0 no ibcrs Groab naus drva römgbastlt. Aber ötze, Chröstl, ötz ös derr ahl Uhrnpeter ock no derr Peter Lind." Die alte Christel guckte ganz sonderbar nach dem Peter und dachte für sich: „Dar redt wie a Pfoarr." „Nu, woas wöllstn dann »arbeiten?" fragte sie laut. „Hm, iech denk mer, die Handoarbeit of derr Ard ös ock vo, doß drubn Koapoarbeit draus wörd. 's zieht en su vill dorchn Sönn, wenn ees su juhraus, juhrei senner Oarbeit an- nochleeft. jMer fitt ond hört, ond mer weeß nö richtg, woas mer sitt ond hört, 's ös keen Zeit zon Verdaun of derr Ard. Amend, doß so dribn kömmt." „Ond graut dersch goar vern Starbn, groad ötz e derr schinstn Zeit?" Es war eine harte Frage, aber der, dem sie galt, spürte das nicht. „Grauen, weil iech nu groad en Frihjuhr starb? Chröstl, böst nu 0 bahl dein sechzig ond froist su domm. Schien ös schonn do, ötze zo Pfingstn. Aber wenns schonn do Horm su wunnerschien ös, dann» muß doach 's Pfingsten dort drubn goar kenn Vergleich mich aushaln könn. Friän tätch miech, wennch groad zo Pfingsten niberkennt." - Seine Augen sahen sinnend auf die alte TLanduhr im hohen Kasten. „Starbn? Nliär kömmts su bkannt vir, oaS wiärchs schonn gwiähnt. Chröst, weßt, woas mer groad ei- sällt? Amend doß mer oallminanner schonn su ond suvill mol of derr Ard gwast sein ond dorre drubn ock ansruhn dörfn. Dann» missn mer wieder ronner." Christel dachte, er rede im Fieber, wollte ihm aber nicht wehtun und sagte drum nur: ,,'ch kennt miech nö bsönn." „Iech 0 nö." Er lächelte still „Aber en Augnblick vö mersch su. Und danno denkch 0, fern Himml biench nö gutt gnung." „Aber doach fer d' Hell nö schlaicht gnung," sagte die Christel. „Sist, groad su ös. Do wörd mer abu 0 nö ebg drubn bleibn könn, en Himml, 's wörd ömmer wieder ronner giehn of d' Ard. Chröstl, guck der d' Zeiger oa! Zwelf ös, do rickt a wieder of ees. 's End ös ömmer 0 a Oafang. Iech weeß nö, 's ös a oartlches Denkn. Aber miär kömmts wuhr vir." Die alte Wärterin rückte unruhig auf ihrem Stuhle hin und her. Was für Reden das waren! Plötzlich sah sie der Uhrenpeter scharf an und rief: „Frau, denkst, doß d' e d' Hell kömmst?" „Nee, nee," wehrte sie erschrocken ab. „Nkeenst, doß d' heilg gnung fern Himml böst?" „Hm, doas nu 0 nö groad." „Na, do Hosts. Sulang wörd ees abu ömmer wieder ro.i- ner missn, bis ees ganz gutt ös, weßt, wie onser Herr Jesus Christus." Die alte Christel gab keine Antwort. Sie hielt dem Peter den Suppennapf hin. „Iech hoa ötz keen Zeit mieh," sagte er und sah zum Fenster hinaus. Die Fliedertrauben nickten ihm grüßend zu. Aber sein Auge sah weiter. Hinter dem Berge senkte sich die Sonne, und der Gipfel glühte auf in goldener Glut. Die Alte ging still hinaus und dachte er schliefe. Aber die letzten Sonnenstrahlen waren auf das Lager ge fallen, und auf der goldnen Brücke glitt Uhrenpeters Seele hinüber in das Land der ewigen Jugend.