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Okenrls nc^ Von Oska Grenzland ist die Oberlausttz, das Land der Sechsstädre zwischen Pulsnitz und Queis, schon durch die Natur. Der Name „Luciza", mit dem die Sorben das nördlich davon ge legene Sumpfland bezeichneten, kommt ihr nicht zu, er wurve erst später auch auf „die Lande Budissin und Görlitz" über tragen. In der Oberlausitz geht norddeutsches Tiefland in den erzgebirgtschen und den suvetischen Zug des deutschen Mättet- gebirges über. Wer sie von Norden nach Süden durchquert, gelangt aus der Melancholie einsamer Heide und dunkler, stiller Gewässer eines Urstromtales in vielgestaltiges Berglanv und schließlich auf den nut der Lausche stolz getürmten Kamm oes Zittauer Gebirges. Breit hingelagerte Granitrücken, steil aufspringende vulkanische Kuppen, alle mit dunklem Fichten grün bekleidet, leichte Hügel mit buntem Feldergewürfel, gro teske Gandsteinbildungen — so zieht die Landschaft in be wegtem Rhythmus am Wanderer vorüber. Sie zeigt ihm immer neue Schönheiten. Uber der Spree baut sich wuchtig die Burgstadt Bautzen auf mit Mnuern, Türmen, Wehrgängen, enggedrängten Häusern zur alten Grenzwacht gegen die Polen, der Ortenburg. Zn den Skalen, den Engtälern des Löbauer Wassers, der Neiße und vieler Bäche brausen die 2Lehre alter Nkühlen. Der Oybin, aus dessen Felsen schöne gotische Ruinen wachsen, träumt von Rit tern und München. Eine abgeschlossene kleine T8elt mit den Klängen der Natur und vergangener Zeit bildet das fromme Idyll des Zisterzienserinnenklosters Mckrienthal. Eine Stunde entfernt: das Braunkohlen- und Großkraftwerk Hirschfelde, das starke elektrische Herz des Landes. Zwischen den hohen Gittermasten, tie sich durch die Täler und über die Hügel reihen, hängen die schweren Drähte in tiefen Bogen, und der Wind harft in ihnen. Gegensätze von eigenartigem Reiz! Zn der „!Wendei" nördlich des Czornebohzuges haben kleine Rnnddörfer ihre iWeltabgeschiedenheit bewahrt. Hinter Ge büschen glänzen die Spiegel unzähliger Teiche auf. Goldene Ahrenmeere wogen im flachen Lande. Die Deutschen, die aus Thüringen und Franken gen Osten zogen und das ursprünglich germanische Gebiet vor tausend Zähren wiedergewannen, be arbeiteten auch den kargeren Boden des Berglandes. Statt liche Höfe entstanden in den Langtälern. Zwischen ihnen klap perten in den Holzstuben der Vorderhäuser die Wirkstühle. Exulanten kamen aus Österreich, gründeten viele neue Orts teile und Dörfer, auch das liebe, stille Städtchen Herrnhut ans Zinzendorfs Boden, und brachten die Weberei und andere Handwerke zur Blüte. Dann aber begannen die Handweb stühle zu verstummen: Fabriken mit großen, vielfenstrigen Ge bäuden und hohen Essen erstanden, Spinnereien, Bleichereien, Färbereien, Webereien. Es gab Kampf und Not und Auf ruhr. Aber es gab auch eine neue Blüte. Das schneeige lau- sitzer Leinen, die feinen Großschönauer Damaste, die Laubaner Taschentücher, später auch Frottä- und kunstseidene Stoffe, dazu noch das Tuch, das schon in den alten Sechsstädten gefer tigt wurde, schätzte man in aller Welt. Heute wehen freilich auf den meisten Esten keine Rauchfahnen: regsames und streb sames Volk muß feiern! Die Oberlausttz erfuhr auch die Geschicke eines politischen Grenzlandeö. Nach der Eroberung des Mtlzenergaues durch Mmrkgraf Ekkehard von Meißen wechselte ste ihre politische Zugehörigkeit oft. Von 1076 ab sehen wir ste in böhmischem Besitz. Dann wird ste von osterländischen Grafen von Groitzsch Okeklsusitz r Schwär und von Konrad von Wettin regiert. Sie kommt wieder an Böhmen, danach als Geschenk Friedrich Barbarossas an Brandenburg, kehrt wieder in den Besitz Böhmens zurück, wird sogar 2k Zahre lang vom Ungarkönig Mcktthias Cor- vinns beherrscht und kommt zum vierten Nkale an Böhmen, bis sie nach der Schlacht am Weißen Berge 4635 endgültig ein Teil KnrsachsenS wird. Die politische Grenze hob auch nun die Beziehungen zum südlichen Nachbarlande nie auf. Auf den Durchgangsstraßen bewegten sich Wagenzüge mit den Erzeug nisten der Leineweberei und Tuchmacherei von Reichenberg, Gablonz und des „Böhmischen Niederlandeö". Auf ihnen zogen auch die Heere im Hussiten-, im Dreißigjährigen, im Siebenjährigen, im Befreiungskriege und 1866. Grenzland ist Kampfland. Zn Bautzen sind alle Tore und Türme Denkmäler aus schicksalsschweren Zeiten. Auch nach der Kolonisierung wütete die Kriegsfurie oft. Keine Stadt, der nicht durch die Hussiten ärgste Drangsale bereitet worden wären! Hochkirch, das freundliche Dorf vor der dunklen Mauer des Czorneboh, erzählt von dem nächtlichen Blutbade, deni 9000 Soldaten Friedrichs des Großen und 8000 Österreicher zum Opfer fielen. Nach allen Kriegsnöten, auch nach dem „Pönsalle", 0er schweren Demütigung des Sechöstädtebundes durch den Böh menkönig Ferdinand I., erhob sich die Oberlausttz wieder. Zn zäher Arbeit, mit starker Willenskraft gewannen die Bewoh ner Verlorenes zurück. Die Menschen eines Grenzlandes haben Entbehren und Sichabmühen gelernt, ihre Sinne sind wach, ihr Wille fest. So sind die Oberlausitzer im Ganzen ein nüchterner Nken- schenschlag. Doch prägt sich in ihrer Wesensart eine reizvolle Gegensätzlichkeit wie in der Landschaft aus. Aus Handweberu wurden unternehmnngsfrohe Fabrikanten, viele große Schul männer. Zohann Gottlieb Fichte, der Sohn eines armen Bano- wirkers in Rammenau, war berufen, das niedergedrückte deutsche Volk durch seine gewaltigen TLorte aufzurichten. Aus dem Pfefferküchlerstädtchen Pulsnitz ging der Bildhauer Ernst Rietschel hervor. Kamenz schenkte der Welt einen Lessing, den ,kühnen Zertrümmerer der französischen Regeln unserer Dich tung". Zn Görlitz sann im Scheine der Schusterkugel Zakob Böhme den irdischen und himmlischen Mysterien nach. Im Süden aber ist der Mmsikantenwinkel, in dem neben Heinrich Marschner und Edmund Kretschmer viele andere Schöpfer weltlicher und geistlicher Nkusikwerke, die noch heute unsere Herzen erheben, ihre ersten Talentproben ablegken. Das ge schah bei den meisten in dem alten Zittauer Gymnasium. Hier hatte der weltmännische und kunstsinnige Rektor Christian WAse die Zünglinge in die deutsche Redekunst, in die Dich tung und ins Komödienspiel eingeweiht; hier war ein freier weltmännischer Geist lebendig geblieben. Zwischen dem in Lau- ban geborenen „kaiserlichen Lügenhistoriker" Abraham Hose mann und Fichte, Zakob Böhme und Lessing, nüchternen V?erk- und Geschäftsmännern und wahrhaften, im seligen Reiche der Töne heimischen Musikanten — welche Gegensätze! Nicht vergessen seien drei Helden ganz anderer Art: Jo hannes Karraseck, der „Pascherfriedel" und der „Böhmische TLenzel", die ja nur im Grenzlande gedeihen konnten! Das Schmuggeln war ihr Handwerk, aber ste gerieten auf die Bahn der schlimmsten Verbrechen und versetzten mit ihren Banden die ganze Gegend in Angst und Schrecken. Schmuggeln hatte