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isi ulicl Von E. Nierich, Neukirch T8ir leben im Zeitalter der Mnschine, und diesem Ge hilfen, den der Mensch erfunden hat, um sich seine Arbeit zu erleichtern, muß er selbst dienen und sronen, er ist der Sklave der Maschine geworden. Die Arbeit der Hand kann mit dein rasenden Pulsschlag der Mnschine nicht Schritt halten, die die Waren in ungeheurer Menge auf den Markt wirft. Untergang des Handwerks, Überproduktion und Arbeitslosig keit stnd die Folgen dieser Versklavung, die wir in der Gegen wart besonders schmerzlich spüren. Hat sich ein Handwerk bis in unsere Zeit rein als solches erhalten, so ist das nur zu be grüßen, wenn auch erklärlich ist, daß es um seine Existenz schwer zu ringen hat. Zu diese» wenigen Handwerken aus alter Zeit gehört die Töpferei, die von Kamenz bis an die Spree beheimatet ist und auch in den südlicher gelegenen Ort schaften von .Bischofswerda bis Sohland zu finden ist oder war. Zn frühgeschichtlichcr Zeit wurden die Töpfe meist von Frauen mit der Hand frei geformt. Die Drehscheibe, die auch bei 0er modernen Keramik ein unersetzliches Hilfsmittel ist, bildete die Töpfe gleichmäßiger und dünnwandiger. Es ist un bekannt, ivann sie in den Dienst der Töpferei trat; jedenfalls gehört auch sie zu den ältesten Werkzeugen dieses Handwerks, das heute wie vor vielen Jahrhunderten in gleichbleibender Weise gehandhabt wird. So sehen wir überhaupt in der Töpferei ein Handwerk vor uns, das sehr wenig Verände rungen unterworfen gewesen ist und auch in der Gegenwart vielfach auf ältere Formen und Farben zurückgreift. 1. Tönerne Töpfe, Schüsseln, Krüge und Teller gehörten zu dem Haushalt des Bauern, des Häuslers und einfachen Mannes. Nur die Begüterten hatten Zinngefäße. Die Haus frau mußte ihren Bedarf ari Tonwaren auf dem ^Wochen markte in Bischofswerda oder Bautzen decken. Für die großen Dörfer Neukirch und Putzkau war das schon immer ein Mangel. Zur Zeit des Siebenjährigen Krieges hatte der Rittergutsbesitzer Georg Ludwig Erasmus von Huldenberg in Neukirch einen Diener Johann Heinrich Fischer, der ein ge lernter Töpfer aus Radeburg war. Durch diesen Mnnn kam er auf den Gedanken, dem Übelstande abzuhelsen. Am 25. Ok tober 1759 verkaufte Huldenberg das ehemalige Haugwitzische Rittergut im Niederdorfe, ein leerstehendes baufälliges Ge bäude, an seinen Diener Fischer zur Anlegung einer Töpferei für 150 Reichstaler. Zu dem seit vielen Zähren unbewohnt m Gebäude gehörten noch zwei Gärtchen und eine Mangel. Das Grundstück war frei von allen Abgaben und Diensten, „weil dieses Hauß und Zubehör aus des Rittergutes Nieder-Neu- kirch Grund und Boden genommen". Der Käufer erklärte sich aber freiwillig zu einer Steuer „von 2 gr. jährl. Mund Guth Steuer, -1 gr. jährl. in die Gärthel Geld Caßa bereit und bei Feuer und bey Peinlichen Fällen (Halsgericht) die Wache als ein Häusler zu verrichten und die peinlichen Unkosten mit tragen zu helfen". Diese älteste Töpferei Neukirchs, die wegen ihrer erhöhten Lage heute noch die Bergtöpferei genannt wird, ging den 16. März 1801 au den Sohn des Gründers, Zo- hann Daniel Fischer, über, ihm folgten am I.Zanuar 1844 Karl Friedrich Fischer, den 5. Dezember 1867 Karl Heinrich Fischer. Am 24. (Mai 1892 kaufte der Töpfer Friedrich Ntar Prietzsch aus Bischofswerda das Grundstück, das nach seinem Tode am 17. Zanuar 1914 der jetzige Besitzer erwarb, der zufällig auch Ernst Fischer heißt. Als geschichtlich bedeutsam sei noch erwähnt, daß in dem erwähnten leerstehenden, bau fälligen Gebäude, besten Besitzerin um 1700 eine Frau von Warnsdorf war, Graf von Zinzendorf mehrmals zu Gast ge wesen sein soll und selbst Erbauungsstunden hier abgehalten habe; denn Neukirch war das erste Dorf der Oberlausitz, das mit Herrnhut in Gemeinschaft stand. Zn der neuen Töpferei wurde zuerst die Weißtöpserei aus geübt, bei der die nicht ganz unschädliche Bleiglätte Verwen dung fand. Die Gesäße waren zumeist nur innen glasiert, außen aber rauh, weshalb die Töpfe nach dem Brande hell aussahen, daher stammt die Bezeichnung Wieißtöpferei. Der Ton mußte, wie auch bei allen später entstandenen Töpfereien, aus den Kamenzer Tongruben durch Pferdewagen herb i- geschafft werden. Aller 4—6 Wochen fand ein Brand start, wie gerade die Nachfrage war. Da wanderte um 1820 aus dem preußischen Städtchen Dobrilugk der Geselle Zohan» Gottfried Lehmann nach Neukirch und sand hier in der Berg- röpfcrei Arbeit. Diesem wird die Einführung der Braun töpferei, d. h. der haltbareren Lehmglasur bei höheren Hitze graden (1000—1300 Grad), zugeschrieben. Sicher ist aber, daß er nicht nur ein geschickter Töpfer, sondern auch ein kluger Geschäftsmann war; denn er überredete seinen Meister, ans Vorrat zu arbeiten und seinen Kundenkreis durch Hausieren und Feilhalten aus Märkten zu vergrößern. Durch seine An regungen nahm die Neukircher Töpserei einen Aufschwung. 2. Zn unmittelbarer Nähe dieser Bergtöpferei besaß der Rittergutsbesitzer Georg Ludwig Erasmus von Huldenberg noch mehrere Grundstücke, die noch Teile des ehemaligen Rittersitzes im Niederdorfe waren. So verkaufte er am 26. Zanuar 1701 ein Diensthaus an Christoph Ceyser (Kai ser), das 1720 in den Besitz von Georg Hultzsch, 1742 an dessen Sohn Zoh. Gottfried Hultzsch und 1788 weiter an besten Sohn Zoh. Gottlieb Hlllsch (auf genaue Schreibweise achtete man früher wenig) überging. Die jeweiligen Besitzer des Diensthauses mußten sich verpflichten, der Herrschaft wöchentlich einen Handtag Hofedienste und jährlich zwei llüadertage zu leisten, 3 Stück klares oder 2 Stück grobes Garn gegen 2 Groschen Lohn zu spinnen und 2 Klafter Holz zu machen und 1 Schock Reisig zu hacken. Dieses Diensthaus kauft am 17. September 1824 Ser Töpfergeselle Zoh. Gottfried Lehmann und errichtet hier selbst die ziveire Töpferei Neukirchs. 1855 übergibt er die im Jahre 1838 neu errichteten Gebäude, bestehend aus ^Wohnhaus, Scheune und Brenn- und Töpsereigebände, an denen noch auf dem Dache und am Türstcin die Namensbuchstaben sowie die Jahreszahl sichtbar sind, seinem Sohne Zoh. Carl Gottlob Lcbmann, an besten Geburtstage 1832 er zwei Linden an Eingänge des Grundstückes pflanzte, die heute zwei stattliche Bäume geworden sind. 1896 übernahm sie der Sohn Mur Reinhard Lehmann, nach dessen Tode sie im Jahre 1909 der hier arbeitende Geselle Emil Kannegießer kaufte, der im Früh jahr 1933 starb. Die Witwe und der Sohn führen den Be trieb weiter. 3. Es zeigte sich, wie recht der Rittergutsbesitzer von Hul denberg in kluger Voraussicht gehandelt hatte, als er dielen neuen Erwerbszweig nach Neukirch brachte; denn es müssen damals sehr gute Jahre für dieses Handwerk gewesen sein, erwarb doch bereits im Jahre 1834 ein Geselle aus dieser zweiten Töpferei, der auch den nicht gerade seltenen Namen Lehmann trug, eine Garnbleiche an der Weßnitz, um darin ebenfalls zu töpfern. Dieser sehr rührige Karl Lehmann ver stand es, aus seinen Söhnen vier tüchtige Töpfermeister zu bilden, die das neue Handwerk noch weiter verbreiteten. Den