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beschichte und Sage. Da heißt es auf Seite 32: „Vor viebn Jahren lebte in Großröhrsdorf bei Pulsnitz ein sehr böses Weib. Es war die Frau des Matthäus Born. Hier irird vom Geschichtlichen abgewichen und aus Matthäus Brückners Vornamen und Born, der hier kein Familienname ist, eine zweite Abweichung vom Geschichtlichen der Sage ge- macbt. Ihr entspricht es auch nicht, wenn der Verfasser ge nannten Buches erzählt, wie die als böse Frau bekannte Born- matzin einem armen Vveibe hilft, indem sie das von ihm im Walde gesammelte Holz in Gold verwandelt. Ilkan muß der artiges Verändern beanstanden und dennoch liegt auch ein er freuliches (Moment darin, nämlich, daß die Bornmatzinsage, obwohl sie bald dreihundert Jahre alt sein wird, immer noch Interesse für die Heimatsagc wach erhält. Oss VoII<s!iec! uncl cler VoII<8tsnr Vortrag von Oskar I. Das Volkslied In all den modernen Flitter und Tand, den fremde Völ ker in unsere Heimat brachten und der von den Großstädten auf das Land getragen wurde, droht auch das Volkslied zu ersticken. Wer heute im Zeitalter des nervösen Hastens durch die Straßen der Stadt oder Gassen des Dorfes schreitet, der lauscht oftmals vergeblich nach den herzerquickenden Klängen eines urwüchsigen Volksliedes, dagegen pfeift und singt jeder Gassenjunge und jedes Schulmädchen die neuesten Operetten-, Jazzband- und sonstige Tingel-Tangel Schlager! . . . Wie den Sitten, so gehts dem Lied, alles entfremdet und deutsches Volkstum flieht! Ja alles entfremdet, alles ist schon fremd! Ach, wie schön war es noch vor Jahren, wo die Wandervögel mit ihren Zupf geigen durch die Städte und Dörfer zogen. Spielend und sin gend klangen dann die anheimelnden Volksweisen in den öde sten (Winkel heimatlicher Zufriedenheit. Damals konnte man noch in goldener Frühe vor den offenen Schmiedewerkstätten oic kernigen Heimatlieder der Gesellen hören, während der große Schmiedehammer den Takt dazu trommelte . . . Damals klangen auch von den alten Burgen fröhliche -Studcntenlieder durch das romantische Tal, und in den Bergen hallte das Echo der Schelmenmclodien wieder . . . Und heute? Ach, man muß leider erst weite Strecken zurücklegen, bevor man ein echtes Volkslied deutschen Ursprungs zu hören be kommt; denn nur in vereinzelten Städten, Dörfern und Land strecken wird das Volkslied noch traditionell gepflegt. Aber auch da ist bereits moderner Tand eingedrungen, und die Be völkerung hat alle Ursache, sich gegen Melodien fremder Völker zu verschanzen. Wer seine Heimat liebt, sein Volk und dessen Sprache, der singt und pflegt das einheimische Volkslied, in dem jene Vokale wiederklingen, die du als Kind gesammelt, die dir dein Maitkerchen an der Wiege znflüsterte — unergründliche Kose melodien, die dich treu in der Kindheit begleiteten. Welch heimelndes Gefühl überkommt einen, wenn man beschaulich durch die kleinen Städte oder Dörfer des Erz gebirges oder des Thüringer Landes, des Schwarzwaldes oder des Vogtlandes geht, oder wenn man die Landstraßen des malerischen Bayernwinkels und die waldbcgrcnztc Oberlausitz bewandert, wo Burschen und Mädchen Arm in Arm origi nelle Volkslieder im Dialekt singen. . . . Erzgebirgler, Vogtländer, Bayern, Hessen-Nassauer, Vvücttcmberger, Oberlausitzer, Rheinländer, Thüringer, Schwarzwälder, Holsteiner, Schlesier und Niedersachsen haben ja von jeher mit besonderer Sorgfalt ihre derben Volkslieder, die zugleich mit köstlichem Humor gewürzt find, gepflegt und vertreten: denn auf ihre unverfälschte Sprache lasten ste nichts !W alter Reinhold kommen. Sie reden wie ihnen der Schnabel gewachsen ist und dementsprechend singen sie auch die echt volkstümlichen Hei- mats-, Liebes- und Handwerkölieder. Vorbildliche Pflege genießt das Volkslied auch bei den (Mecklenburgern, Franken, Pfälzern, Badensern, Branden burgern und Helgoländern — in anderen Gegenden aber stirbt das Volkslied allmäblich aus. Deutsches Volk, laß dir die Perle des Deutschtums nicht durch ausländische (Melodien entfremden! Wie viel: Volkslieder besitzen wir? Alle aufzuzählen, würde ein umfangreiches Buch ausfüllen, denn jeder oben genannte Volkstyp hat seine eigenen originellen Lieder. Dazu kommen schließlich noch die weitverbreiteten hochdeutschen Volkslieder, von denen ich der Kürze halber nur einige nennen will, wie z. B. das wundervolle Lied „So sei gegrüßt viel tausendmal, holder, holder Frühling", welches der in Zwickau geborene Komponist und (Mnsikschriftstellcr Robert Schumann vertonte. Neben anderer: Volksliedern wie „Loreley", „Änn chen von Tharau", „Am Brunnen vor dem Tore", „Aus der Jugendzeit", „Teure Heimat sei gegrüßt", „Hcilge Nacht, o gieße du", „O Täler weit .o Höhen", „Der (Wandrer" (von Schubert), „Im schönsten Wicsengrunde", „Über allen Wipfeln ist Ruh", „Das Wandern ist des (Müllers Lust", „Es zogen drei Burschen wohl über den Rhein" usw., seien insbesondere einige Dialektlieder hervorgehobcn. Die Erzgebirg ler, um bei einer Volksgattung zu bleiben, find ziemlich reich an originellen Volksliedern, von denen der in Gottesgab lebende Heimatdichter Anton Günther eine ganze Serie kom ponierte. Zu den schönsten gehört: „Wu da Wälder hamlich rauschen, Wu da Haad sn rötlich blüht, (Mit kan Könich möcht ich tauschen, (Weil do drubn mei Heisl sticht." Text und (Melodie sind so ausgezeichnet angewendet, daß man unwillkürlich etwas rein Heimatliches und Gemütvolles emp findet. Anton Günther, der seinen Landsleuten im „Vergaß dei Hamit net" manch unvergeßliches Lied geschenkt hat, be deutet für das Erzgebirge so viel, wie Robert Schumann — als Romantiker — für das gesamte deutsche Volk, das auch sein Schubcrt-Franzel noch besingt! Im Erzgebirge ist übrigens noch ein anderer Volkslied dichter geboren, nämlich der unverwüstliche Hilmar Mucken berger. Er ist aus Eibenstock gebürtig und wohnt seit Jahr zehnten in „Plau'n bleibt Plau'n" — also in Planen im Vogtland. Seine vogtländischen Dialektlieder „'s Bärbels" und „Dr Zipfelsgörg", „Do muß aufgeworzelt wärn" und „MA Vugtland iß su wunnerschie" sind sehr beliebt und ge sungen.