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^ei^>nsc!it§Z!ocI<en Wohl ein jeder kennt die Sage von Vineta, der versunkenen Stadt. Ihrer Sün den halber kam jählings das Strafgericht über sie. Mit allein, was sie barg, versank jie eines Tages plötzlich in der Ostsee. Seit dem ist sie völlig vom Erdboden verschwunden. Kein Haus- kein Stein erinnert mehr an ihre Geschichte. Wenn aber die Weihnachts zeit herbeikommt, dann hören die Seeleute, wenn sie an der Stelle im Mrere vorüber kommen, ein gar liebliches, geheimnisvolles Läuten ... die Glocken aus einer längst versunkenen Welt. In der Sage von Vineta spiegelt sich ein Stück unserer persönlichen Geschichte wider. Einem jeden verbirgt sich in der Seele eine versunkene TLelt. Sie mag das ganze Jahr über unbemerkt in der Seele schlummern und kaum vernehmlich her- rortreten. TLenn es aber Weihnacht wird, wenn die seligen Glocken der geweihten Nacht Freude und Frohlocken singen oer ganzen Menschheit, dann beginnt diese versunkene Welt, cäe solange stumm und still war, mit einem Male auszuleben. '.Mögen uns auch sonst, das ganze Jahr über, noch so sehr die Sklaveuketten härtester Arbeit an den rauhen, unerbittlichen Tag gebunden haben, wenn es ^Weihnacht wird, dann wird diese versunkene iWelt plötzlich mit all ihren lieben Bildern wach, alte, sonnige Erinnerungen steigen wieder auf, wie flu tendes Sonnenleuchten, das die grauen Nebel verscheucht, wie Sonnenglanz, vor dem alle Düsterheit weichen muß. Heimweh und auch ÜLehmut geht durch unsere Seele. Der Greis wird wieder zum Kinde und wandelt im Geiste die iWege der frühen, köstlichen Jugend, die Wrge durch die alte, liebe Heimat. — Ilnd hinein in die wehmütige Erinnerung läuten die Christ- uachtsglocken ihre jauchzende Botschaft: Euch ist heute der Hei land geboren! Der Heiland! . . . Mögen sich die Bitternisse und Leiden, die wir erlebt haben, noch so arg in Gegensatz setzen zu den Erinnerungen an die sonnige, fröhliche Kindheit, mögen noch so viele Stürme über uns hinweggegangen sein, wenn in der stillen, heiligen Nacht Milliarden von Sternen die unendl che Liebe Gottes verkünden, dann hat Verzagtheit keinen Pl-.tz mehr im Menschenherzen. Wir alle fühlen in dieser Nacht/ der keine andere gleicht, die Seligkeit aus einer anderen Welt, den überirdischen Glanz, der auch damals die arme Hütte von Bethlehem verklärt hat. Und weil heute oie Gottesliebe uns so unendlich nahe ist, jene Gottesliebe, die sich immer wieder dem gläubigen Herzen offenbart, folgen auch wir wie die Hirten dem wundersamen Sterne und neigen uns an betend vor dem Kinde, das alle glücklich machen will, die ihm glauben. Heiligen Frieden atmet die Welt — heiligen Frieden —, jenen wundersamen Frieden, der steh noch heute der Mensch heit, nach fast zwei Jahrtausenden, als Gottesgeschenk mit teilt. Allen, die da guten ^Willens sind. Jeder, der da guten Willens ist, wird auch denen, die durch ein widriges Geschick auf den grünen Baum der Hoffnung verzichten müssen, ein Fest der Freude zu schaffen suchen, eingedenk des Heilandes, der den Armen und Bedrängten zur königlichen Höhe seiner Liebe erhob, er, der das herrliche Wort gesprochen: „Was Ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt Ihr mir getan." . . . Gerade in der heutigen Zeit ist der christlichen Nächsten liebe ein so ungewöhnlich weites Feld erschloßen. So viele hat die Not und die wirtschaftliche Bedrängnis einsam und ver lassen gemacht, so viele warten mit Sehnsucht daraus, daß auch an ihnen sich die Freudenbotschaft der heiligen, geweihten Nacht erfülle. Gar so mancher, der fast verlernt hat, zu hof fen, gar so mancher, den das Leid und das Elend auch um den letzten handbreiten Sonnenstrahl gebracht hat, fühlt, wenn es ^Weihnacht wird, roieder eine ganz leise, liebliche Hymne im Herzen klingen, eine Hymne, die alte, selige Kindheitserinne rungen lebendig macht. Ntag sein 2Veg bisher auch nur durch Not und harte Entbehrung geführt haben, am Feste der hei ligen Weihnacht, am herrlichsten Feste der Christenheit, ist keiner so arm, daß er auch nicht zu hoffen wagte. So gehe denn Liebe segnend durch das Land, überallhin, wo ^Menschen wohnen. Ilnd mit der Liebe der Friede, aus daß uns ein TOeihnachtsfest werde der echten, großen Gottestat . . Don Oskar Walter Reinhold Nun klingt das Festgelänt der Heimatglocken Rings um die Weihnacht wie ein Dankchoral . . . lind alle Menschen lauschen und frohlocken, Als sei das Weltall frei von Streit und Onal. Musik und Jauchzen dringt aus ärmstem Zimmer, Wo sich am Christbaum jung und alt vereint, Wo zwischen Kinderlust und Kerzenschimmer Das Nkutterherz vor lauter Freude weint. Selbst was durch Klassenkampf und Haß geschieden, Wird heut' am Christbaum wieder ausgesöhnt, Sodaß nur Liebesglück und Gottessrieden Die große Welttragödie übertönt . . . O, Weihnachten, du deutsche Heimatblüte! Du Wunder, das uns aus dem Alltag hebt, Wir segnen dich, ans daß dich Gott behüte Solang ein deutsches Volk noch liebt und lebt!