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2Z2 O^erlausitzer l-Ieimst^eitung IZr. 9 Alle diese Ausschreitungen meldete der Rat dem Oberst leutnant von Schönfeld in der Erwartung, daß er seinem Versprechen gemäß die Übeltäter bestrafen werde. Auch die Offiziere benahmen sich bisweilen recht unge bührlich. So ließen sich der Leutnant von Ponickau und der Fähnrich von Egidy Bischofswerdaer Bier — in Bautzen durfte auswärtiges Bier damals nur mit Erlaubnis des Rates eingeführt werden — zu ihrem Tischtrunke hereinbringen, mW am Freitag, dem 14. Januar, unterstand sich der dspitsin cles arm es sogar, ein Faß Wein — auch die Einführung fremden !Weins war verboten, der Vvein mußte aus dem Ratskeller bezogen werden — von Dresden durch einen Korporal mit sechs bewaffneten Musketieren durchs Gerberkor trotz Wider spruchs in sein Ouartier bei Frau Nkatthes Probst bringen zu lasten"). Auch dies wurde dem Oberstleutnant berichtet. Ilm dergleichen Ungehörigkeiten entgegenzukreten, war ein abermaliges kurfürstliches Rescript unter dem Datum Dres den, den 28. Dezember 1683 , den 7. Januar 1684 mit einem beigelegten gedruckten Patente unter dem Datum Annaburg, den 8. Dezember 1683, die von der kurfürstlichen Nkiliz ver übten Exceste und deren Abstellung betr,., durch das Amt Stolpen überschickt und am 8. Januar 1684 ") in der Rats sitzung vorgetragen worden. Es wurde wieder an der Waage angeheftet, außerdem aber auf den Ratsdörfern, wo die Stra ßen durchgehen, angeschlagen. Dann sollte es auch in den Kirchen abgelesen werden "). Am 9. Februar 1684 hielt der abtretende regierende Bürgermeister Andreas Sommer seine letzte Ratssitzung ab. Da erwähnte er u. a. auch kurz die geschilderte Einquartierung mit den Wbrten: „Es hat auch Ihrer Kurfürstlichen Durchlaucht gnädigst gefallen, die Sechöstädte des Markgrafentums Oberlaufitz mit Dero Leibregiment zu Fuß zu bequartieren, daran Herr Oberst leutnant Wolf Heinrich von Schönfeld mit seiner Kompagnie anherokommen, also daß es mit dero Ein- und Umquartierung genug zu tun gegeben." ?) Ratsprotokolle vom 10. und 17. Januar 1684. s) Ratsprotokolle vom 17. Januar 1684. °) Nach Ratsprotokollen vom 7. Februar 1684. E. auch den 0. Juli und 27. August 1683 und oben das Patent von, 8. Dezember 1683. Von Rudolf W agner, Schirgiswalde „Ach, wer das doch könnte nur ein einziges Mal!" Weit draußen vor den Toren der alten Stadt, wo vor Zeiten schwere Soldatenschritte über das Gras stampften, sonst aber nur der herbstlich brausende Stoppelwind sein Liedlcin pfeift, ist heute ein besonderes Ereignis. Zwei große blaue Vögel haben sich im Grase niedergelassen und harren des Abrufs zu neuem Fluge. Flugtag ist! Daher der Strom von groß und klein, von alt und jung, von Neugierigen und Wistensdurstigcn aller Art, von — allerdings zum kleinsten Teile — ernsthaften Inter essenten, die sich für die wenigen Mark ein so wundervolles Vergnügen leisten können. „Ach, wer das doch könnte nur ein einziges Mal!" Wir stehen mitten unter den Zaungästen. Das Auf- und Niederfliegen hat jetzt eine kleine Stockung erfahren. Still ruhen die einladenden, schnittigen Maschinen vor uns im Grase. Der Flugleiter in schmucker Uniform läuft ungeduldig auf und ab. Er mustert die Gesichter. „DUll noch jemand von den Herrschaften fliegen?" — — Pause. „Fliegen wollens schon alle, aber — die sechs MUrk!" Aller Augen blitzen. Das ist Musik in aller Ohren. Zum Mitgehen und Mitfahren sind wir schon oft anfgefordert worden, aber zum Fliegen? Das ist eine Zumutung. Viel leicht kämpft manches auch mit einem gewißen Angstgefühl, die meisten sind sicher im Widerstreit mit ihrem Geldbeutel. — Jetzt sind auch wir das Ziel der Bemühungen des Flug leiters. Mein Freund schmunzelt. „Es wird noch ein Fluggast gesucht! Zwei Herren haben sich schon zum Mitfliegen bereiterklärt!" „Nur einer? 2Mr wären aber zwei!" erwidert mein Freund. „Dann müßen wir schauen, ob noch zwei Personen hinzu kommen. Vier Personen in einer Maschine sind für die Start verhältnisse etwas zuviel. Der Anlauf ist zu kurz, und das Ge lände ist sehr wellig." NUnuten vergehen. Jndeßen geht der für die nächste Fahrt vorgesehene Pilot das Gelände ab, um die Startmöglichkeiten noch einmal zu überprüfen. Er kehrt zurück. Kurze Verständi gung mit dem Flugleiter. Dieser wirft den Kopf zurück, er winkt uns zu, und im Herüberkommen ruft er freundlich lächelnd: „Es geht!" — Kurze Pause. „Darf ich Ihnen einen Flugschein ausstellen?" Das be darf nun natürlich keiner Frage mehr. Wir berappen unser Geld, nehmen unseren Flugschein in Empfang und steuern zu unserer Maschine. Der Pilot klettert durch die Kabine zuin Führersitz. !Wir vier iverden angeschnallt — eine Vorsichts maßnahme, welche für Start und Landung sehr nützlich ist, denn bei dem buckligen Fluggelände gibt es Erschütterungen, die unsere Köpfe leicht mit der metallenen Kabinendecke Be kanntschaft schließen laßen könnten. Nun wird, für uns un sichtbar, der Propeller zurückgedreht. „Gute Fahrt!" schallts uns noch zu, die Kabiuentür fliegt zu, der Motor springt an, und wir vier sind unserem Schick sale überlaßen. Während unser Blick noch skeptisch auf dem kleinen Kästchen zur Rechten ruht, das Papiertüten enthält und die vielsagende Aufschrift: „Für Flugkranke" trägt, fangen wir langsam an zu steigen. 30, 40, 50 Mieter unter uns liegt Litten, und was wir nun aus der Vogelperspektive schauen, ist kaum zu beschreiben: die roten Dächer, die vor einer Stunde noch leuchtend ans dem frischen Grün herüberwinkten, die Höfe, die wir vorher über haupt nicht sahen, dort die Schafherde mit dem Hirten, die wir noch in handgreiflicher Nähe gehabt hatten. Und mm weitet sich unser Blick auch in unübersehbare Fernen. Im Norden verliert sich der Horizont im Glührot des Abendhünmels, glänzende Waßerspiegcl zwischen !Waldes- grün zaubern die Romantik der Nordlausitzer Teichlandschaft hin. Im Süden erscheint eine Bergkette hinter der andern, ein Bild, wie wir es sonst nur von den Türmen der Stadt oder unserer Berge gewöhnt sind: hinter der Kälberstein—Bieleboh- kette tauchen in blauem Dunst die nordböhmischen Vulkan riesen auf. 2Dir werden des Sehens und Staunens nicht müde, wäh rend wir glauben, unsere Durchschnittshöhe von 300—400 Meter erreicht zu haben, nimmt uns die Landschaft unter uns gefangen. Welch wunderbares großes Meßtischblatt! Jede Straße, jeder Wasserlauf, jeder Strauch ist darauf verzeich net. Schachbrettartig die gelben und dunkelgrünen Feldflächen, die Kornpuppen glänzenden Knöpfen auf Heller Uniform gleich,