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Plc. 8 O^erlausitzer Heimat r e i t u r> g 199 ^unc!e 8inc! VoII<8gut*) Immer noch ist viel zu wenig bekannt, daß fast täglich vorgeschichtliche Funde aus Unkenntnis und Unachtsamkeit zu grunde gehen. Bei den in jedem Frühjahr neu einsetzenden ver arbeiten werden mannigfache Fundschichten angeschnitten. Nur in einzelnen Fällen werden diese Kulturschichten oder Gräber als solche erkannt. Selbst die Tonware ist vielen, die kleine oder größere Flächen Erde bewegen, ein unscheinbares Geschirr. Die schlichten Scherben sagen dem einfachen Manne wie den meisten Gebildeten allzu ost gar nichts! Hier gilt es anszuklären! Jeder Scherben, der keine Gla sur besitzt, ist ausfällig und schon deshalb „verdächtig". TLas nützen ein paar alte Scherben, hort man immer wieder sagen; sie sind ein sehr wichtiger Hinweis aus weitere Funde. Zumeist vermag man ans ihnen auch schon zu erkennen, in welches vor geschichtliche Zeitalter sie einzureihen sind. Sie allein bezeugen bereits die Anwesenheit einer vorgeschichtlichen und einer früh geschichtlichen Kultur an dieser Stelle. Solche Entdeckungen, Vie von weittragender Bedeutung werden können, vermag jeder Laie zu machen, wenn er offenen Auges an seine Arbeit und durch die Natur geht. Bei Gartenarbeiten, bei Neubauten, in Kiesgruben und aus dem Acker kommen Vorzeitsunde zu tage. Wenn es keine Gefäße, Scherbe» oder Skelette sind, so mögen es Stein-, Bronze-, Eisen- oder Knochengeräte sein, die uns aus fernster Zeit überkommen sind. Alle Funde sind ein hehreö Erbe unserer Vor fahren! Deshalb hat jedermann, der zuerst dieser Hinter lassenschaft begegnet, nicht nur das Recht, sondern vor allem die Pflicht, die Funde zu schützen. Jeder, der von Ge schichte und Vorgeschichte etwas weiß, hat die Verpflichtung, etwaiger Verrottung von Fundgut vorznbeugen. Das geschieht am besten so, daß man säMttlcye ^oooenbewegungen und Era- ansschlüsse seines engeren Heimatgebietes überwacht. Da man meist nicht dauernd zur Stelle sein kann, unterrichtet man Erdarbeiter, Vorarbeiter, Bauunternehmer, Landwirte und Gartenbesitzer und bitte diese um Fundmeldung an den nächsten Lehrer, der die Meldung weiterleitet oder selbst den Fund bergen Hilst, wenn die Arbeit an dem Fundpunkte nicht eingestellt werden kann. Nichts geschieht ohne den Besitzer oder Eigentümer des Grund und Bodens. Die Rettung der Funde wird im Ein vernehmen mit diesem durchgesührt. So kann die meist eilige Arbeit der Erdbewegung keinen Schaden nehmen. Und jeder Erdarbeiter müßte nun eigentlich wißen, daß in der Erde wirk lich keine „Schätze" liegen, die man hastig erraffen will, indem man eine angetrossene „Urne" schleunigst zerschlägt. Fast alle Funde der Vorzeit haben keinen Geldeswert, dafür aber hohen wissenschaftlichen Altertumswert. So können Finder und Grundbesitzer auf den Gewinn einer Entschädigung rechnen, wenn sie mit größter Vorsicht an den Fund oder bester u m den Fund herum gehen und ihn den zuständigen Stellen be kannt machen. Der den Besitzern von Feldern oder Sandgruben meist aut bekannte Lehrer oder sonstiger Fundpsleger ist der erste, der sich der Fundstelle, nicht nur der Fundstücke annehmen muß. Das heißt, es kommt daraus an, alle Fundum stände zu erfragen und selbst zu beobachten. Hierbei kann nicht genug skizziert, gezeichnet und photographiert werden; je mehr Maße ") Aus: „Die Fundpsiege", Mitteilungen zur Vorzeit Sachsens und der Nachbargebicte (Beilage zu den „Mitteldeutschen Blättern für Volkskunde", Heft 3, 1933). genommen werden, um so wertvoller der F u n d b e r i ch r. Es versteht sich aber von selbst, daß der Bericht dem Funde erst dann voll gerecht wird, wenn ein besonders unterrichteter Pfleger oder am besten ein berufsmäßiger Fachmann zur Stelle ist. Was wird aber aus den Fundstücken? Im Freistaat Sach sen haben im allgemeinen Finder und Grundbesitzer nach ge setzlicher Regelung gleichen Anteil an dem Funde. Da die Grundbesitzer meist nicht am einzelnen Fundstück hängen, über lassen sie den Fund der nächsten Schulsammlung oder dem nächstliegenden Heimatmuseum. Dieser erste Schritt ist schon erfreulich, denn so wird der Fund uster eine sachverständige Aufsicht gestellt, entgeht sowohl der Gefahr der ost unfrei willigen Zerstörung in Privathand und wird dazu noch einem größeren Menschenkreis erschloßen: In der Schule der Schul gemeinde und im Heimatmuseum der Allgemeinheit! Für einzigartige Fundstücke oder größere Fundgruppen ge nügt diese Art der Aufbewahrung jedoch nicht! Der Sammler und Pfleger hat durchaus die Verpflichtung, einmalige und be sonders wertvolle Funde der Wissenschaft und der breitestm Dssentlichkeit zugänglich zu machen. Das erfordert die Über führung des Fundes in ein großes Ns useum , wobei sich der Besitzer immer noch sein Eigentumsrecht am Funde (Leih gabe) sichern kann. Gerade hier gilt das TLort: Gemeinnutz geht vor Eigennutz! Diese Gesinnung mögen alle pflegen, die mit Funden irgendwie zu tun haben. Der Fund ist aus dem Schoße der Erde gekommen, er entstammt dem Erbe unserer Vorfahren, er ist ein Stück von ihnen, er kommt ans dem Heimatboden und ist selbst ein Stück Geschichte gewordene Heimat. Er allein klärt uns aus über die Zeit der ältesten Volksstämme. Er kann infolgedessen nicht einem einzelnen gehören; demgemäß ist auch jeder Museumsleiter Sachwalter eines Ge mein gutes. Funde sind Volksgut! Dieser Satz enthält zugleich die Forderung, daß ein moderner Staat, vor allen Dingen aber eine national-gesinnte Staatsregierung sich ihrerseits um den Schutz der Bodendenkmäler bemühe. Andere deutsche Länder besitzen seit Jahren ein Denkmalschntzgesetz oder wenigstens ein AnSgrabungSgesetz. Die vaterländischen Bodenaltertümer des Staates Sachsen genießen noch nicht diesen dringend notwendigen Schutz. Jedes Gesetz müßte sich ans eine Pslegerschast stützen und aus den guten Willen einer belehrten und einsichtigen Bevölkerung. An beiden Faktoren wird es nicht fehlen: Die Pslegerschast ist bereits vorhanden in Gestalt der Freien Vereinigung für Mundpflege in Sachsen; die Bereitwilligkeit der weitesten Kreise läßt sich durch eine ge schickte, zielbewußte und anerkannte Fachleitung gewinnen. Höchste Zeit ist es, dem Untergange der gefährdeten Boden sunde entgegenzuwirken. In den Städten und ihrem Umkreis werden Straßen und Häuser gebaut, — dort geht man in die Erde hinein. Aus dem Lande zerreißt der Tiespslug Friedhöfe und Siedlungen. In den Gruben schleudert der Bagger scho nungslos die Vorzeitreste aus die Halden und in den Stein brüchen vernichtet Dynamit die dem Felsen ausliegenden Schich ten. Wrr gebietet Einhalt? Jeder einzelne hat mitzuwirken, die Zeugnisse der ältesten Kulturgeschichte zu schützen. Die Stunde ist gekommen, in der man sich aus die Vergangenheit mehr denn je besinnt. Mnt der Scholle wollen wir verbunden sein, wahre und große Tradition pflegen und die Bodensunde hegen als Volkserbe und nationales Heimatgut! ... >