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8 Oketlausitzet I-Ieimatreituog 185 nen Geländer, so überblickt man die schone Landschaft, in die Kamenz eingebettet ist. Von Süden nach Osten ziehen die dunklen Höhen des Lausitzer Gebirges und schließen an die Bautzener Berge an, nach Norden öffnet sich das Gelände nach der Ebene zu und läßt zwischen großen Waldflächen die silbern blinkenden Teiche des Deutschbaselitzer, Biehlaer und Weißiger Gebietes erkennen. Fischreiher horsten auf male rischen Föhren und ab und zu schnellt einer der unzähligen Spiegelkarpfen über das Wasser. Vor uns, in unmittelbarer Nähe der Stadt, liegt der ob seiner Schönheiten bekannte Hutberg. Zu Lessings Zeiten gar nicht beachtet, ist dieses land schaftliche Kleinod in den letzten Jahrzehnten zu großer Be- rühmtheit gelangt. Als die Gärtnerei der Firma Wilhelm IDeiße in den Jahren nm 1880 begann, ausländische Koni feren zu züchten, also Blaufichten, Silbertannen, japanische Weiß- und Schirmtannen etc. anpflanzte und aufzog, ver wandelte sich auch später der Hutberg in eine einzige herrliche Koniferenanlage. Zwischen hohen Fichten und Tannen stehen in großen Anpflanzungen und Beeten Rhododendron und Aza leen, die um die Psingstzeit dem Hutberge einen unbeschreib lichen Blütenzauber verleihen und Tausende fremder Besucher in hellstes Entzücken versetzen. Kamenz einst und jetzt. Wenn Gotthold Ephraim wieder einmal heimkehrte ans der TLelk in die Enge seiner Vater stadt, so bot diese immer dasselbe Bild. Zum letzten Mllle geschah es 1775, als er von Baien kam, da war es ihm darum zu tun, seine alte Ntutker und seine Schwester Salome, die unverheiratet geblieben war, zu sprechen. Da wird er in stiller Abendstunde ans der Stadtmauer, die vom Anger nach dem Noten Turm zu die Kirche und den Hauptfriedhof um faßt, gesessen haben. An dieser Stelle springt wie eine steinerne Nase die Katechismuskirche, früher „Daendische Kapelle" ge nannt, hervor. Dieses Kirchlein ist eine alte Wehrkirche, sie hat dereinst sicher als Bastion gedient, damals, als die Hus siten 1429 die Stadt stürmten. Steil fällt das Gelände von hier aus nach dem Herrentale ab, das durchflossen wird vom Langen Wasser. Hier in diesem Tale lagen früher Mühlen, die später zu Tuchfabriken umgebaut wurden, die aber noch beute ihre alte Bezeichnung tragen, z. B. Herrenmühle, Rein- hardsmühle, Spittelmühle. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, daß Lessings Vaterhaus bis 1580 Schulgebäude war, dann Ivar durch die eindringende Reformation das Kloster, das von Franziskaner- mönchen um 1507 errichtet worden war, bereits verwaist in den Besitz der Stadt übergegangen. Diese verlegte nun ihre Schule in die freigewordenen Klosterräume, und dort hat auch Gotthold Lessing einige Zeit den Unterricht besucht. Die Klosterkirche mit ihrem schönen Giebel, den ein Dachreiter ziert, ruft jetzt noch jeden Morgen mit ihrem eintönigen Ge läut die Schüler der Allgemeinen Volksschule zum Unter richt. Diese Schule ist aus dem Klostergrunde erbaut worden, da die Mönche nach Osten zu ihr Kloster durch eine hohe Mauer, die Mbnchsmauer genannt, schützen mußten, hat man von dort oben aus einen weiten Blick über den Eulenberg — einen anstehenden Grauwackefelsen an der Schwarzen Elster — und nach dem Forste zu. Dieser Forst spielt heu tigentags für die Kamenzer Schuljugend insofern eine wichtige Rolle, als jedes Jahr in der Bartholomänswoche im August das Forstsest veranstaltet wird. Sämtliche Schulkinder der Stadt ziehen in blütenweißen Kleidern, Blumengewinde im Haar, Kränze und Fahnen tragend, von der Schule zum Nkarkte und durch die Stadt. Im Forste, einem ^Waldstück, das früher zum ausgedehnten Besitz des nahegelegenen Klosters St. Marienstern, dem Mittelpunkte der wendischen Pflege gehörte, finden dann Spiele der Kinder statt. Eine Zelt- und Budenstadt ersteht in diesen Tagen unter den alten Eichen und Buchen. Das Forstsest ist zum Volksfeste geworden, der sonst so stille Wald bietet ein Bild ähnlich einem Teile des Wiener Praters, er hallt wider vom Schall der Drehorgeln, der Musikkapellen, der verlockende Geruch der echten Kamenzer Knackwürstchen reizt zu deren Genuß und ein gutes Glas Lessmgbräu, Ausstoß der Kamenzer Brauerei A.-G., verleiht dem Forstseste die besondere heimatliche Note. katkaur mit /Incireorbrunnen