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164 Okerlausiher IZeimatreikung hstc. 8 Neuerung dringend bedürftiges Haus in der Nahe des Puls nitzer Tores, ganz im Schatten der Hauptkirche zu St. Ma rien. Dort stand das Archidiakonat, die Dienstwohnung des Herrn Primarius Johann Gottfried Messing. Zwölf Kinder wurden ihm hier geboren, fieben davon blieben am Leben und lernten viel Not nnd Entbehrung kennen. Dieses Haus, das bis 1580 als TLinkelschule gedient hatte und später alle Les sings aufwachsen sah, ist leider 1842 beim großen StaSt- brandc, dem vierten und umfangreichsten, vom Feuer zerstö.t worden. Heute zeigt nur eine, von einem schlichten Gitter um friedete Stelle dem .Besucher der Stadt den Ort, wo der Lebensweg des großen Denkers begann. Es ist nicht uninter essant, zu wißen, daß der Schmaus zur Taufe Gotthold Ephraims im Gasthause zum „Goldenen Hirsch" stattgefund n hat. Dieses Haus hat eine lange Vergangenheit, Johann Georg I. hielt 1621 dort seinen Landtag ab, nnd obwohl 1842 alle Häuser am Markte niederbrannten, blieb ssr „Hirsch" erhalten. Heute ist dieses Gebäude städtischer Besitz, birgt den Ratskeller und ist ein gern besuchtes, modern ein gerichtetes, schönes Hotel. Als einziger Zeuge längst vergangener Tage liegt noch an der Geburtsstätte Lessings der Stein, auf dem der gestrenge Herr Primarius an Sommerabenden vor seinem Hause zu sitze« pflegte. lWenn er dabei darüber nachdachte, daß sein Gotthold nicht den rechten Eifer für die Theologie aufbringen wollte nnd er deshalb besorgt nm ihn in die Zukunft schaute, konnte er nicht ahnen, daß die Stadt Kamenz dereinst, stolz auf ihren Dichter und Denker, ihm zu Ehren 1820 eine Büste aufstellen, 1863 ein Denkmal, 1864 den Lessingturm ans den: Hutberge errichten, einen Lessingplatz vor dem Bahnhofe schaffen, eine Lessingschule bauen und am 1. Juni 1931 eia Lessinghaus einweihen werde. Aber nicht nur ernste Gedanken nm seinen Sohn gingen dem Vater ost durch den Kopf, er hatte auch manchen Arger mit dem Rate der Stadt, nnd da der Herr Primarius als ein streitbarer Mann bekannt war, so hat cs zwischen dem Seelenhirten und der Gemeindebehörde mancherlei Ausein andersetzung gegeben. Die Lessings waren wohl immer schon Streiter im Geiste. So lag manchmal eine starke Spannung zwischen dem Archidiakonat und dem Rathause. Dieses war ein respektabler Ban mit der Giebelseite nach dem Nkarkte, es trug einen Dachreiter und wurde leider auch eingeäschert. Wenn dann der also nicht gerade friedlich gestimmte Pastor Prim. Lessing am Sonntage seine Kanzel bestieg, die mit ihrem noch heute gr;t erhaltenen Renaisiancezierat die vier Längsschiffe der Kirche beherrscht, so wird der Blick, den er nach der Natsherrenloge hinausschickte, nicht allzu freundlich gewesen sein. Und sein markiges Wort, scharfkantig gemeißelt wie die achteckigen, granitenen Pfeiler, die die beiden hohen Dächer unserer Kirche tragen und alles erdgebundene Schwere auflösen nach oben in ein seinrippiges Netzgewölbe, so wird dies IAort ausgeklungen sein, wegweisend aus Erdenleid und Schmerz hinauf in himmlische Vorfreuden. Baulich kunstvoll wirkt das meisterhaft durchgeführte Sterngewölbe im Chor, ivo heute durch bunte Glasfenster mildes Licht um das Köst lichste dieser Kirche spielt, den Altar. Ein dreiteiliger Flügel altar aus der Dürerzeit, der Meister ist unbekannt, stellt in der Mmdonna mit dem Kinde nnd den vier anderen Figuren ein !Werk von erhabener Schönheit dar. Die wundervoll ge schnitzte Predella mit dem Abendmahl, ebenso die reich ge schnitzten und vergoldeten Baldachine über den Figuren geben dem Ganzen einen Ausdruck der Fülle und Vollkommenheit, die den Betrachter in den Bann tiefster und gläubigster Er gebung und Bewunderung zwingt. Aus vorresormatorischer Zeit birgt unsere domähnliche Kirche noch einen in Stein ge hauenen und vergitterten Reliquienschrein. Die Schränke der Sakristei enthalten Monchshandschriften, frühe Drucke und Ablaßbriefe, Kostbarkeiten für den Kenner. Noch gar man cherlei an Schönem bietet der TMrkungsort Johann Gott frieds, des Vaters unseres kunstbegeisterten jungen Dichters und Schriftstellers. Besteigt man den Turm der Hauptkirche bis zum steiner- l.erring mit reinem krucker Ikeoplliiur