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172 Oketlsusitzek e i m a t 2 e i tung sstr. 7 wahr, Ihr seid alle meine getreuen Untertanen und unschuldig wie die Tauben. Doch ich will schon den Täuberich heraus finden, der zuerst gegurrt hat. Euch, Herr Bürgermeister, dürste die Pflicht obliegen, mir ihn zu nennen!" Flicker schwieg. „Sprich!" befahl der Kaiser. Der Bürgermeister blieb stumm. „Wsrst du reden, elende Krämerseele!" schrie !Wenzel, „oder ich schlage dir mein Schlachtschwert um die Ohren, daß dir dein Mckul weit aufspringen soll!" Da trat Prenselwitz hervor. „MUn Herr und Kaiser, von mir ging alles ans, aber gönnt mir auch ein 2Lort zu meiner Verteidigung!" „Schweig!" herrschte ihm der erzürnte Fürst zu. „Aber es ziemt, daß man auch den Beklagte» höre!" „iWirst du schweigen, Hund!" donnerte Wenzel, „oder ich Hetze meinen Saufänger auf dich, daß du heulen sollst, wie ein »»geschossener !Wolf. — !Wo ist der Gevatter?" „Hier!" antwortete die durchdringende Stimme des Schars richters. „Du hast doch deine ehrenwerten Gesellen bei der Hands" „Ja, mein Kaiser!" „So führe all diese Rebellen dort in jenes Zimmer und laste ihnen einstweilen die Hände auf den Rücken binden!" So gleich traten drei Blutknechte hervor, führten die Nkänner an den betreffenden Ort und banden sie nach des Kaisers Willen. Wenzel setzte nun den vertriebenen Rat sofort wieder ein, sprach über die Aufrührer das Todesurteil aus und ließ es den Unglücklichen verkündigen. Dann rief er den Lukas herbei. „Hört, Meister Lukas," sagte Wenzel, „da ich noch als Bube in Eurer Stadt herumlief?), hatte dein Vater ein Haus auf dem Nkarkte, ist das jetzt dein Eigentum?" „Ja, mein Herr und Kaiser!" „So werde ich mich nachher mit meiner Gemahlin hin begebe». Ich werde da recht gemütlich sehen können, wie die Verächter meiner Gesetze vom Gevatter zurechtgestutzt werden! ' „Wann ist die Hinrichtung?" frug Jobst, der Scharf richter. „Bei der Nase meines Vaters Karl! was fragst du erst? Wir machen nicht viel Umstände. Sogleich triff deine Vor bereitungen auf dem Mckrktplatze. Unterdessen werde ich das französische Gift P in meinen Eingeweide» durch einen frischen Trunk beschwichtigen. Dann aber, INeister Lukas, kommen wir gleich." Der Angeredete verneigte sich gehorsam. VII. Das Blutgericht Zwei Stunden später wurde auf dem Mckrktplatze ein blutiges Schauspiel aufgeführt. Gegen die Nkitte hatten etwa 30 Lanzenknechte einen Kreis geschlossen, in welchem ungefähr 100 Munner mit auf den Rücken gefesselten Händen zu sammengedrängt standen. Dicht daneben war eine kleine Er höhung auf einem Gerüste. Hier stand der Gevatter Jobst, der Munn des Schreckens, der unzertrennliche Begleiter Wen zels — der Scharfrichter. Einer seiner Knechte war als Ge hilfe bei der Hand und schaute grinsend nach dem Mönche, der mit einem Kruzifix in den Händen am Fuße des Blutgerüstes stand. Im Erkerfenster des ersten Stockes in dem Hause des Fleischermeisters Lukas lehnte der Kaiser. Neben ihm saß trüben Blickes seine Gemahlin Sophie. 2) Wenzel hatte einige Zeit als Knabe in Bautzen gelebt. 3) Wenzel reiste im Jahre 1398 nach Frankreich, um kirchliche Streitigkeiten zu schlichten. Am französischen Hofe nun, so meinte der Kaiser, sei er vergiftet worden, worauf sein ungeheurer Durst zurürk- zuführrn sei. Zahllose Scharen Volkes aber bedeckten den Nsarktplatz, nnd die Weiber und Kinder der Verurteilten jammerten laut. Jetzt winkte Wenzel mit der Hand zum Anfänge. Wilhelm Pflug nahm das Verzeichnis zur Hand und las vom Gerüste herab: „Kcl primum: SigmunduS Petrus Preuselwitz." Der Genannte wurde von zwei Henkern sogleich aus deut Kreise und nach dem Nichtplatze geführt. Ach, wie hatte sich der Munn verändert! Todesbläste deckte sein Angesicht, er zitterte und Angstschweiß tropfte von seiner Stirn. Wußte er sich doch als den Anstifter des Aufruhres uud somit als vie Hauptursache dieses blutigen Tages. Schioer lastete auf seiner Seele das Blut, welches schon vergossen war uud das heute »nieder vergossen werden sollte. Heiß brannten auf seiner Seele die Tränen der unglücklichen Frauen und Kinder, die nun bald Witwen und Waisen werden, sollten. O, und seine Tochter! — Der NTonch hielt das Kreuz hin. Er küßte es. — Seine Augen »vurden verbunden. — Jobst trat hinzu. — Der blur- rote Ntantel fiel und das breite Richtschn/ert blitzte hervor. Ntit der Sicherheit eines Meisters erhob der Scharf richter sein blutiges Werkzeug --- sauseüd durchschnitt es die Luft, und hoch auf spritzte das Blut. Ein Schrei unterbrach dio Stille, km Mudchen sank leb los zusammen. Es war Anna, die beklagenswerte Tochter des Hingerichteten. Aber schützende ArNre halten die Ohnmächtige aufgefangen. Hans von stltünstdrberg, nachdem er vergebens den Kaiser um Gnade für Prduselwitz und die übrigen Em pörer angefleht, hatte nach Atnta geforscht und sie gerade irn Ntomente erblickt, älö ihr unglücklicher Vater den Todes streich empfing. iMit starken Ärmen trüg Hans die Bewußtlose aus dem Gedränge und likß sie in Sicherheit bringen. „Kst secUästum!" etklang es, „Friedericus Flicker." „Gnade!" schrie eilt Weib, „Gnade!" schrien zwei Knaben und ein Mädchen. Es war die Familie des Verurteilten. Aber kein Erbarmen war zu finden. Bald zuckte nur noch der Leichnam des Rebellenbürgermeisters auf dem Schafotte. ,,^cl teriium!" tönte es ivieder, „Nikolaus Tanz." Er fiel ivie die vorigen trotz des Wehklagens seiner beiden Töchter und seiner Schwester. „Kci qusrlum!" rief Pflug, „Mutthäus Briebusch." Der Gerufene erschien trotzig, funkelnde Blicke ivarf er umher. Er ließ sich nicht die Augen verbinden und rief nach dem Fenster des Kaisers hinüber: „Du Priestermörder ^), deiner müst.m sich selbst die Teufel in der Höll" — Das iWort erstarb. Das Gesicht des weit fortgeschleu derten Kopfes verzerrte sich gräßlich. „Kcl sextum" war bereits verlesen, als plötzlich die Kaise rin von ihrem Edelfräulein flehentlich gebeten »vurde, einen Ritter zu sprechen, der sich nicht vor Wenzel »vage und nur zur Kaiserin seine Zuflucht nehme. !Wenzel bemerkte nicht, wie seine Gemahlin sich entfernte. Draußen aber »varf sich derselben Hans von Kvttwitz zu Füßen und beschwor die edle Frau, bei ihrem Gemahl für die Unglücklichen Fürbitte einzulegen. Wenzel wähnte seine Gemahlin untren und forderte deshalb von ihrem Beichtvater, Johann von Nepomuk, er solle ihm die Beichte der Köuigiu mitteileu. Da sich dieser, treu seinem priesterlichen Eide, weigerte, ließ Wenzel de» würdigen Mann martern und ihn endlich am 16. Mai 1383 in die Moldau werfen. Dadurch wurde das Volk auf« höchste erbittert. Dasselbe verehrte selbst unter den Augen des Kaisers den unschuldig Gemordeten als eineu heiligen Märtyrer.